Wahrhaft SCHÖNE Tage
"Juppheidi, das Leben ist schön." Und das im wortwörtlichen Sinne. Denn die letzten Tage standen für Lockenjule in Moldawien ganz im Zeichen von Schönheit und Ästhetik.
Die letzten Tage standen, so kommt es mir zumindest vor, im Zeichen der Schönheit. Nicht nur, dass ich abgesehen von einem ganz hässlichen Pickel auf der Wange so gut aussehe wie immer; in letzter Zeit sind gleich mehrere schöne Dinge passiert.
Erster ästhetischer Höhepunkt: Seit ungefähr einer Woche kann man auch in Moldawien erste Weihnachtsartikel in den Läden entdecken. Eine wahre Freude für meine Augen, hinter denen doch mein Gehirn schon seit Oktober das Weihnachtsfest herbeisehnt wie nie zuvor. Ernsthaft, ich habe mich noch nie so auf Weihnachten gefreut wie dieses Jahr. Das liegt natürlich hauptsächlich daran, dass ich zu diesem Fest der Familie (nicht der Geschenke, Anmerkung für alle deutschen Leser) meine Familie endlich wieder sehe. Aber auch die mir hier zugestandene Zeit für Bastelei von Weihnachtskarten und -dekoration sowie vollkommene Ungebundenheit an Weihnachtswünsche versüßen mir die Vorvorweihnachtszeit. Lauter schöne Dinge eben.
Deswegen freue ich mich jetzt auch so richtig über die Ladenregale, die allmählich mit ganz ursprünglich moldawischen Weihnachtsleckereien gefüllt werden: Dresdner Christstollen, deutsche Lebkuchenherzen mit verschiedenen Füllungen; Schweizer Gewürzspekulatius und italienischer Weihnachtskuchen; amerikanisch inspirierte Kuscheltiere mit Schokolade im Arm (Made in China) und kleine kitschige Russenpüppchen auf Konfektschachteln sitzend (ebenfalls Made in China). Es lebe die landeseigene Kultur. Mir egal, ich bin es gewohnt, ich kenne es nicht anders; und ganz ehrlich, ich hab den Weihnachtshype direkt schon vermisst. Obwohl ich sagen muss, dass Deutschland sich da wirklich was von Moldawien abgucken kann, erst Mitte November die ersten Weihnachtssachen in die Läden zu bringen, nicht schon im August.
Aber ganz ehrlich, selbst die Vorweihnachtszeit ist für hiesige Einwohner eine importierte Mode. Weihnachtskalender etc. gibt es nicht, aber wenn ganz Europa schon ab erstem Dezember Weihnachten feiert, kann Moldawien dem ja nicht nachstehen. Weihnachten wird ja hier auch offiziell erst am 6. Januar gefeiert. Da wäre ein Weihnachtskalender ab dem ersten Dezember ja auch etwas überdimensional, so mit 37 Türchen. Am 25. Dezember feiert man hier auch, aber eher so wie bei uns Nikolaus, ein bisschen größer vielleicht. Das ist übrigens auch schön, unser Weihnachten feiere ich zu Haus, und pünktlich zum hiesigen Weihnachtsfest bin ich wieder hier.
Zweiter ästhetischer Höhepunkt: Besuch von einem der vielen Second-Hand-Märkte Chisinaus, die jeden Tag in der Woche geöffnet und gefragt sind. Dort zu finden: Einerseits ein Paradies für die Paradiesvögel unter uns. Ganze Füchse zum Um-den-Hals-hängen (hier übrigens sehr beliebt und modisch), Stiefel mit Mustern aller Schlangen dieser und anderer Welten (hier genauso beliebt wie das Getier zur Nackendekoration), Kassetten mit russischen Popschlagern von vor dem Krieg, Bademäntel, Wollschlappen und Schapki (russische Fellmützen) in allen Formen und Variationen. Andererseits aber meine Rettung für den Winteranfang bis ich in Deutschland bin und endlich meine Wintersachen bekomme: Wollpullover (meist nicht mal Zweite-Hand, sondern selbst gestrickt oder als Restware aus Läden mitgebracht) für alle Größen und Geschlechter, Hosen, selbtgehäkelter Schmuck (kein Scherz), Skianzüge, Mützen, Schals, Wollsocken, Bücher und, und, und. Schon allein auf dem Markt herumzuschlendern und sich Angebot und Treiben anzusehen ist ein wahrer Genuss.
Schön ist auch, dass die Waren so billig sind. Einzeln zumindest. Leider sagt man sich das bei allem, was man findet (und wir haben viel gefunden) und zum Schluss waren wir arm. Aber zumindest habe ich jetzt schöne kuschelige Pullover und schon die ersten, sagen wir mal, extravaganten Weihnachtsgeschenke.
Dritter ästhetischer Höhepunkt: Die moldawische Modemesse. Jeder, der mich kennt, fragt sich jetzt wahrscheinlich, wie ich mich verändert haben muss, um freiwillig auf eine Modemesse zu gehen. Sagen wir mal so, es war ursprünglich eher als nett gemeinte Geste gedacht. Das älteste Mädchen meiner Jugendlichen-Tanzgruppe verriet mir nämlich letzte Woche, dass sie ab und zu als Laufstegmodel arbeite und nächste Woche mal wieder etwas präsentiere. Ob ich denn nicht kommen und zugucken wolle.
Zuerst war ich mir nicht so sicher, ob ich wollte, aber ich dachte mir, du tust ihr damit einen Gefallen, wenn im Publikum auch jemand steht, den sie kennt; sie will dir mit dem Angebot bestimmt auch einen Gefallen tun; und außerdem, wann erlebt man so was schon mal wieder.
Am Mittwochmorgen also machten Rosi und ich uns auf zu den landeseigenen Messehallen am anderen Ende der Stadt. In der Hand die Wegbeschreibung der Mutter. Nach über einer Stunde Busfahrt kamen wir wieder genau da an, wo wir eingestiegen waren und stellen fest, dass die Mutter totalen Mist geschrieben hatte. Zum Glück fanden wir dann doch noch irgendwie den Weg und kamen (nur fünf Minuten zu spät) in besagter Halle an. Dann genossen wir drei Stunden Laufstegkino, mit Modeerscheinungen, die wir diesem Land keineswegs zugetraut hätten. Viele der Sachen hätten wir sogar selbst angezogen.
Viele der Sachen hätten wir gern auch einfach nur gekauft, um sie zu haben. Es wurden nämlich nicht nur einige Sachen von in Osteuropa bekannten Designern vorgeführt, sondern auch die Diplomkollektionen von diversen Modedesign-Studenten. Und die haben sich wirklich kreativ ausgelassen, und das ist durch und durch positiv gemeint. Auch wenn mir viele Sachen nicht gefallen haben und ich sie einfach nur albern oder sinnlos fand – rein als künstlerische Objekte waren sie an den meistens gar nicht sooo hübschen und oft viel zu dürren Amateurmodels wirklich toll anzusehen.
Der Rest der Messe war im Gegensatz zum Laufsteg eher enttäuschend. Nur eine Halle; mit Ständen, die nichts anderes anboten als in den Moldawischen Kaufhäusern feilgeboten wird oder gar noch langweiliger. Aber alles in allem war der Tag wirklich schön. Schön auch zum Abschluss, als Rosi mir auf dem Rückweg einen Fußweg quer durch die Natur zeigte (und wir sind fast zwei Stunden Bus durch die ganze Stadt gefahren, man, man, man). Sie erkannte beim Aussteigen aus dem Bus die Gegend nämlich sofort und erzählte mir, dass sie dort ein paar wahrhaft romantische Plätze entdeckt hätte. Und so spazierten wir in der Spätsonne durch einen riesigen Park, mit alten Steintreppen, zerfallen Pavillons und wunderschöner weiter Aussicht auf einen vertrockneten, überwachsenen See.
Vierter ästhetischer Höhepunkt: Erster Auftritt meiner Kindertanzgruppe. Hach war das niiiiiiiedlich. Gestern war irgendein Feiertag, anlässlich dessen in unserem Projekt eine kleine Show stattfand. Daher führten meine kleinen Tanzmädchen ihren ersten Tanz auf. Um vier sollte die Show beginnen, ab halb drei kamen die kleinen Mädchen vollkommen aufgeregt ins Projekt und baten mich, ihnen beim Ankleiden und frisieren zu helfen. Und welch Überraschung, alle hatten daran gedacht, in schwarzer Leggins und Glitzeroberteil zu kommen und Schmuck und Haarklammern mitzubringen.
Ich selbst hatte noch für jede einen silbernen „Seidenschal“ (Streifen aus glänzendem, silbernen Stoff, den ich in einer Freiwilligen-WG gefunden hatte) mit, der zusammen mit etwas Mascara und Rouge mit großem Stolz angelegt wurde. Der Tanz selbst klappte ganz hervorragend, da war ich dann richtig stolz. Und die Mädchen natürlich auch.
Gefreut habe ich mich auch darüber, dass zwischendurch einige Spiele mit den Kindern gemacht wurden: Topfschlagen, Limbo und andere Spiele, die ich an Halloween mit den Kindern gespielt hatte. Dieser Tag bildete also meinen ersten Erfolg als Freiwillige: Die Kinder haben etwas Außergewöhnliches aufgeführt und haben sich tänzerisch und koordinativ bravourös entwickelt; und einige lustige Kinderspiele, - nicht so streng und steif wie die hier üblichen - werden wohl auch noch zukünftig gespielt werden.
Juppheidi, das Leben ist schön.
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