Von zweierlei Leben und einer Seele
Ein Mensch und tausend Gefühle.
Und endlich Zeit um sich über diese klar zu werden.
Wenn ich Inbhìr schreibe, sage ich Inver, meinen tue ich Lower Arboll Croft, das noch einmal 1 Meile vom 200-Seelendorf entfernt ist. Aber da Lower Arboll Croft nur aus unserem Anwesen (ja ich bin hier Hausherr meines eigenen Wohnwagens!) besteht, nenne ich immer den nächstgelegenen Ort, Inbhìr also. Naja, genau genommen liegt es zwischen Inver und Portmahomack, aber letzteres ist noch kleiner als Inver. Hat aber dafür einen Chip-Shop. Und sogar einen Cornershop. Inver kann dafür mit einem Pub aufwarten.
Naja, wie dem auch sei. Hier bin ich nun.
Und ich fühle mich gut.
Es ist nicht leicht zu glauben, erst recht nicht zu begreifen.
Ich kam geradewegs aus Edinburgh, hatte eine tolle Zeit mit tollen Leuten und plötzlich stand ich in der Natur und hörte nur das Rascheln der Äste und einen Kuckuck aus dem Dickicht. Mein Körper war zwar hier, meine Herz allerdings noch in der Stadt. Sehen, fühlen, tanzen, leben. Aber nicht alleine sein. Meine Gedanken kreisten um andere Dinge, wildere Dinge, aufregendere Dinge, als jene Dinge, die ich direkt vor meiner Nase hatte.
Unkraut rupfen, Pflanzen pflegen, umtopfen, bewässern, einpflanzen, ernten, säen, rupfen, pflegen, topfen, wässern, pflanzen, ernten.
Essen.
Schlafen.
Und plötzlich fühlte ich es endlich. Ich hatte losgelassen, meinen Gedanken Freiraum gegeben, sich auszuleben, sich zu entspannen und loszulassen. Meine Seele war dem Körper endlich gefolgt und baumelte nun in der Schönheit des Moments. Und dort baumelt sie auch immer noch.
Ich genieße die Stille um mich. Die Natürlichkeit und die Freundschaft, die mir entgegengebracht wird und die man in Städten so sehr vermisst. Dort schaut man in viele fremde Gesichter, eines nach dem anderen, umso mehr man sieht, umso weniger Persönlichkeit erkennt man in ihnen. Hier schaue ich nur in die Unendlichkeit des Horizonts, sehe manchmal Berge, manchmal das Meer, manchmal nur Wolken. Aber ich sehe immer etwas, das mir gefällt.
Ich genieße das Geräusch, wenn ein Vogel über den Wohnwagen tapst oder die Katze genüsslich unter Streicheleinheiten schnurrt. Ich genieße den Geruch, wenn abends der Ofen an ist und ich genieße die zahllosen, meditativen Stunden der Gartenarbeit, in der nur wenige Worte gewechselt werden, dafür aber Millionen von Gedanken durch die Köpfe strömen und dir Antworten auf die Fragen geben, die dir schon ewig im Kopf schwebten und du nie die Zeit und Ruhe gefunden hast, dir klar über sie zu werden.
Was möchte ich?
Wie sieht meine Zukunft aus?
Wer bin ich?
Ich habe viel dazu gelernt in den letzten Wochen, ich weiß, dass mein Leben anders verlaufen wird, als ich mir es noch vor ein paar Monaten vorgestellt hätte. Ich weiß, dass ich mich weiterentwickelt habe und dass diese Entwicklung gut ist. Ich bin kein neuer Mensch und auch kein anderer.
Ich bin nur gewachsen.
So wie die Bäume um mich herum.
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