Von Unten nach Oben? Sozialer Aufstieg durch Bildung
Bildung galt lange als die einzige, nachhaltige Methode um aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. Gerade in Deutschland werden Qualifikationen und Bildung hoch geschätzt, viele Ökonomen zweifeln aber mittlerweile, ob ein hohes Bildungsniveau noch vor Armut schützen kann. In welche Richtung entwickelt sich Deutschland?
Wenn man zu lange über seine Zukunft grübelt, kann man manchmal ganz schön Angst bekommen: Während Freunde von mir in Spanien oder Griechenland in Zeiten der Wirtschaftskrise froh waren, überhaupt einen Job nach dem Studium zu bekommen, schien mir meine Zukunft in Deutschland immer sicher. Schließlich wird hier ein Studienabschluss hoch angesehen und den Statistiken nach sind AkademikerInnen weniger anfällig für Arbeitslosigkeit. Doch die Ungleichheit in Deutschland wächst, und viele Ökonomen zweifeln inzwischen daran, dass Bildung Wohlstand ermöglicht.
Ein großer Aspekt ist die Bildungsmobilität: Erstrebenswert wäre, wenn jedes Kind, unabhängig vom Einkommen und sozialen Stand des Elternhauses, optimal gefördert wird und den höchstmöglichen Bildungsstand erreicht. Das entspricht aber nicht der Realität: Tatsächlich ist es für Kinder, die aus einem nicht-akademischen oder migrantischen Elternhaus kommen viel schwerer, gute schulische Leistungen zu erbringen und so im Bildungssystem aufzusteigen. Einen großen Einfluss hat da auch schon die soziale Entmischung von Wohngebieten: Weil sich auch mehr sozial schwache Viertel in Städten herauskristallisieren bzw. ärmere Menschen aus Stadtgebieten verdrängt werden, entstehen auch viel mehr „Problem-Schulen“, in denen die Mehrheit der Kinder Deutsch als Zweitsprache lernt, von Armut bedroht ist und keine optimale Betreuung erfährt.
Und diese Tendenz zieht sich durch: Man spricht von einem „Bildungstrichter“, da Menschen aus nicht-akademischen Hintergrund im Durchlauf des deutschen Bildungssystems immer weiter aussortiert werden oder selber aussteigen, oft aus finanziellen Gründen. Aber auch die Menschen, die all diese Hürden überwunden haben und nun einen hohen Bildungsabschluss aufweisen können, werden wahrscheinlich nicht wirklich „reich“ werden. Ökonomen begründen dies darin, dass sich Kapital auch in Deutschland immer mehr konzentriert: Die Menschen, die bereits viel besitzen, können dies aktiv in Finanzmärkten einsetzen und so Gewinne daraus ziehen, die für Menschen, die für ihr Geld arbeiten, unvorstellbar sind. Das hat tatsächlich auch schon Karl Marx in seiner politischen Ökonomie erkannt: Kapital ist Arbeit überlegen.
Eindrucksvoll dokumentiert wird das in der Reportage Ungleichland ( Einen Link findet ihr unten!): Sie zeigt außerdem, wie sich Reichtum in Deutschland auch in politische Macht wandelt, was gegen demokratische Grundwerte verstößt. Mich hat diese Dokumentation richtig aufgerüttelt, und auch ein bisschen wütend gemacht: Denn egal wie sehr sich Menschen aus nicht-akademischen, nicht-vermögenden Hintergründen bemühen werden, wir werden wahrscheinlich immer unsere Mieten an reichere Menschen zahlen und als ArbeitnehmerInnen wird auch unser Profit an sie gehen.
Aber auch wenn diese Erkenntnis sehr deprimierend sein kann, sollte man sich davon nicht entmutigen lassen: Denn die Entwicklung in Deutschland ist Ausdruck eines globalen Trends, der aber der nicht irreversibel ist. Die Position von ArbeitnehmerInnen kann gestärkt werden, dafür muss muss man sich aber politisch und gesellschaftlich engagieren, zum Beispiel gegen Gentrifizierung, soziale Ausgrenzung oder gegen Benachteiligung im Bildungssystem. Und letztlich bleibt Menschen aus nicht-akademischen Hintergrund auch keine andere Möglichkeit als Bildung um aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. Und die müssen wir nutzen!
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/ungleichland-wie-aus-reichtum-macht-wird-folge-2-100.html
http://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/205371/bildungsaufstieg
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/deutschland-das-leere-versprechen-vom-aufstieg-durch-bildung-a-1234211.html
https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/sozialer-aufstieg-durch-vermoegensbildung-ist-weitgehend-unmoeglich-geworden-2019-04-03