Von deutscher Effizienz...
Wer nach Rumänien kommt, wird fasziniert sein von der Architektur und Lebendigkeit der Städten in Transsilvanien. Die Idee, Bukarest anzuschauen, sollte man jedoch lieber lassen: die Hauptstadt muss noch viel für den Tourismus machen.
... und der fehlenden Nachhaltigkeit in Rumänien
Wenn jemand, der noch nicht selbst da gewesen ist, das Wort Osteuropa hört, wird er wahrscheinlich zuerst an Dreck, Armut und Bettler denken. Besonders Rumänien hat diesen Ruf - und nach acht Monaten kann ich sagen, dass das nicht ganz falsch ist.
Wer Transsilvanien besucht, der wird überrascht und begeistert sein von der wunderschönen Architektur, den sauberen Straßen und Plätzen, die jetzt im Frühling gefüllt sind mit Menschen, die die ersten Sonnenstrahlen bei einem Kaffee oder Cocktail genießen oder die zahllosen Tauben füttern, die zum Beispiel Timisoara einen venezianischen Flair verleihen.
Wahrscheinlicher ist es jedoch leider, als Ausländer zuerst einmal oder auch ausschließlich, Bukarest zu besuchen, das als Hauptstadt ja schließlich das Land repräsentieren sollte. Doch bereits außerhalb des Flughafens oder Bahnhofs erwarten den neugierigen Reisenden Müllberge, ganze Rudel von Straßenhunden, zahnlose Bettler und ein unübersichtliches, vollkommen wahnsinniges Verkehrs-Tohuwabohu.
Die Häuserlandschaft besteht größtenteils aus grauen Beton-Blocks, den Überresten der Kommunisten-Ära. Der erste Rumäne, den der durchschnittliche Tourist kennen lernen wird, ist vermutlich ein Taxifahrer, der alle Register zieht, um möglichst viel Geld aus dem unschuldigen Reisenden zu pressen.
In der Innenstadt findet man orthodoxe Kirchen eingequetscht zwischen einem KFC und einem schäbigen Friseur, die Verkäuferinnen in der Shoppingmall vergessen all ihr Englisch, sobald man den Preis in Frage stellt. Das schönste und modernste Gebäude der Stadt ist die Nationalbank, das Parlament ist vor allen Dingen für seinen hohen Stromverbrauch berühmt.
Kaum mehr als 2 Metrostationen vom Piata Unirii entfernt bröckelt die löchrige Maske der Stadt ohnehin schon - schäbige Geschäfte, vermüllte und kaputte Bürgersteige, der penetrante Geruch von Katzenurin. Vieles ist kaputt, nur notdürftig ausgebessert, vor allem die Straßen. Die einzige verkehrstüchtige Straße führt aus Bukarest hinaus nach Pitesti, doch sobald man der Hauptverkehrsstraße E 81 weiter folgt, versteht man, warum einige Taxifahrer vor jedem Fahrtantritt beten. Schlaglöcher von der Größe eines Planschbeckens, tote Hunde und Füchse am Straßenrand, tödliche Überholmanöver.
Ich hab gelernt, die Autobahnen schätzen zu lernen, aber abgesehen von dieser Arroganz einer westlichen Industrienation habe ich die Straße in Polen gesehen, ebenfalls kaum Autobahnen, aber einfach besser in Stand.
In Valcea, der Stadt, in der ich lebe, wurden im März die Straßenmarkierungen ausgebessert - ein einzelner Mann mit einem Eimer Farbe und einem Pinsel bemalte die Bürgersteige, kleckerte, die Menschen liefen einfach durch die frische Farbe und verteilten weiße Fußabdrücke überall. Mülltrennung findet im Rumänischen keine Übersetzung und überhaupt wird der meiste Abfall einfach auf die Straße geworfen, Umweltbewusstsein ist, wenn überhaupt, nur in sehr geringem Masse vorhanden.
Dabei hat auch der schmutzige Süden eine Menge zu bieten. Eine wunderschöne Naturlandschaft wartet darauf, ausgegraben zu werden unter den Müllbergen. Orthodoxe Kloster in den Bergen, die teilweise vollständig auf Technik (inkl. Strom!) verzichten, und an einem schönen Frühlingstag ist das Stadtzentrum belebt, vielleicht spielt eine Band, Kinder füttern Vögel und spielen Fußball unter dem Europa-Wegweiser, Frauen verkaufen Schmuck und Frühlingsboten.
Wenn die Regierung sich dazu entschließen würde, in die rumänische Infrastruktur und Müllregulierung zu investieren, wenn auch augenscheinlich keinerlei Mittel dazu vorhanden sind, könnten sowohl Tourismus als auch Ökonomie um einige hundert Prozent wachsen. So sehr sie auf Anschluss an den Westen aus ist, fehlt der Mut zu großen Taten.
So wird weiter notdürftig repariert, ausgebessert oder ganz einfach gepflegt ignoriert.
Trotz all der Kritik - dies ist auch ein Appell, über den Müll, den Dreck und die hässlichen Block-Bauten hinweg zu sehen und das zu entdecken, was darunter viel zu oft verborgen bleibt. Und natürlich auch, wenn man nur kurz nach Rumänien kommt, keinesfalls Bukarest zu besuchen.