Viva la vida
Der Versuch eines rundum Updates…
Wo ist die Zeit nur hin? Gerade eben war doch noch September. Die Sonne schien, oft genug zog es mich an den Strand oder in die Berge, alles war neu, aufregend. Jetzt ist zwar immer noch vieles aufregend und ungewohnt, aber die Temperaturen zeugen doch eher von einem sich langsam anpirschenden Winter. Im Bikini kann man nun nicht mehr am Strand liegen… Mit dem Wechsel der Jahreszeiten wurde mir nun auch plötzlich bewusst, dass ich nur noch einen Monat in Spanien verbringen werde. Dann geht es wieder nach Hause! Die Zeit ist so sehr verflogen und ich kann gar nicht glauben, dass bereits zwei Monate hinter mir liegen sollen. Einerseits habe ich mich mit meiner wunderbaren Zimmerteilerin sehr gut eingelebt, mit den anderen Mitbewohnern hat sich ein sehr freundschaftliches Verhältnis aufgebaut, ich habe meine Sportkurse zu denen ich fleißig gehe und in der Schule habe ich mittlerweile meinen festen Platz gefunden. Gleichzeitig gibt es aber auch noch so viele Dinge, die ich noch näher unter die Lupe nehmen möchte – sei es die Spanische Sprache, die Örtlichkeiten, das Schulsystem oder die Kultur hier -, sodass eine klitzekleine Panik in mir aufsteigt, wenn ich einen Blick auf meinen Kalender werfe…
- Reisen. Mittlerweile habe ich Spanien auch außerhalb der La Garriga Blase kennenlernen können! Häufig genug hat es mich mittlerweile nach Barcelona gezogen (allerdings bin ich jedes Mal wieder erleichtert, wenn ich es MIT meinem Personalausweis & Co wieder nach Hause schaffe. Ich genieße es, in La Garriga nicht meinen Rucksack vorne tragen zu müssen… So ein Landleben hat auch seine Vorteile!).
Gemeinsam mit den anderen, habe ich versucht in Matáro – einem herrlichen Strandort – ins Meer zu springen. Unser Vorhaben scheiterte an sehr hohen Wellen und einer sehr starken Strömung. Da wurde mir richtig bewusst, welche Kraft das Meer haben kann.
Auch nach Sitges – einem von schwulen Pärchen dominierten Dorf – hat es mich verschlagen. Der Ort war jedoch so sehr von Touristen und Zombies (zeitgleich fand ein Zombiefest in der Altstadt statt. Die Kreaturen wollten so gar nicht in den malerischen Ortskern passen…). Meine neue Lieblingsspeise, Falafel, hat dann mal wieder Brücken gebaut. Und so wurde uns beim Abendessen bei einem Syrer dessen halbe Lebensgeschichte erzählt. Aufgrund einer Bewertung auf Tripadvisor durften wir dann den Nachtisch aufs Haus genießen. Solche Begegnungen zeigen mir immer mehr, wie schön es ist, etwas Spanisch sprechen zu können. Auch wenn mein Spanisch alles andere als perfekt ist; jeder freut sich, wenn ich ein Gespräch versuche zu führen. Das ist herrlich!
- Demonstrationen. Der Konflikt um Katalonien hat sich in der letzten Zeit immer mehr zugespitzt. Und ich bin mittendrin. Einerseits ist das interessant, andererseits aber auch merkwürdig. Ja, ich habe mich informiert. Ja, ich unterhalte mich mit den Einheimischen darüber. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass ich wirklich das Recht habe, bei der ganzen Geschichte mitzureden. Ich bin mit dem Konflikt nicht aufgewachsen und kann nicht ganz begreifen, warum die Unabhängigkeit so wichtig für die katalanische Bevölkerung ist. Was ich jedoch weiß ist, dass ich gegen jegliche Form von Gewalt bin. Egal ob auf Seiten der Demonstranten oder der Polizei. Barcelona ist der hauptsächliche Kampfplatz des Konflikts. Jedoch auch in La Garriga, meinem kleinen 30000-Einwohner Ort, gibt es mindestens einmal die Woche Kundgebungen und die Unabhängigkeitsanhänger bauen fasten jeden Tag immer sehr fleißig ihren Informationsstand auf… Die Menschen hier werden von den Demonstrationen berührt. Obwohl wir in der Schule die Instruktion haben, darüber nicht zu sprechen, verkünden manche Lehrer eben doch ganz klar ihre Meinung. Wird über das Thema in der Klasse gesprochen und ein Schüler ist gegen die Unabhängigkeit, wird er von der Klasse direkt komisch angeschaut. Das ist für mich sehr ungewohnt und zudem fühlt es sich für mich falsch an. In den letzten Wochen war die Lage hier auf jeden Fall sehr angespannt. Uns wurde abgeraten, am Wochenende nach Barcelona zu gehen und eine ganze Woche lang, wanderten zahlreiche Demonstranten von verschiedensten Orten Kataloniens sternförmig über die Autobahn nach Barcelona, um ihrem Ärger Luft zu machen. Eine Woche zuvor wurde das Urteil für die am Referendum beteiligten Politiker publik gemacht: neun bis 13 Jahre Haft. Für ein illegales Referendum. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Die Schule war von den Demonstrationen auch insofern betroffen, dass die Schulbusse blockiert wurden und Barcelona bzw. andere Städte noch nicht einmal verlassen konnten. Am Ende der Woche fanden wir uns mit einem Viertel unserer Schülerschaft im Unterricht.
- Halloween. Halloween scheint hier ein ganz großes Ding zu sein. Die ganze Schule ist in Vorbereitungen involviert. In Drama bereiten wir Schattentheater vor, in Kunst basteln wir seit drei Wochen mit den Kindern Utensilien für gruselige Kostüme.
- Eigenarten. Was mich zu Beginn meiner Zeit hier sehr irritiert hat: die „Schulhymne“(?) Jeden Morgen müssen sich die Schuluniformtragenden Schüler vor der Treppe aufstellen – pünktlich wenn das Lied „Fight Song“ erklingt. Und auch das Ende wird mit musikalischer Unterstützung eingeläutet. Diesmal jedoch mit einem Starwars Jingle.
- Ordnung. Sowohl in der WG, als auch in der Schule mangelt es in meinen Augen enorm an Ordnung… Jeder macht alles so wie er gerade denkt. In der WG lässt sich das angesichts der Größe vermutlich einfach nicht vermeiden (auch mehrmalige Putzparties haben an dem Sauberkeitsverständnis so mancher Mitbewohner leider nichts ändern können…), aber in der Schule finde ich es teilweise ein bisschen erschreckend. Kommunikation wäre der Schlüssel für viele Probleme. Aber vielleicht wollen manche auch gar nicht ihre Probleme lösen?
Mir gefällt es trotz allem aber sehr gut. Ich habe mittlerweile meinen Platz gefunden und fühle mich pudelwohl.
- Letzter Monat. Der letzte Monat wird erst einmal mit einer Reise nach Valencia und Madrid eingeläutet, wo ich Freunde besuchen werde. Mit ein bisschen Besuch hier und da, Arbeiten, Spanisch lernen und Sport sehe ich den letzten Monat schon im Nun an mir vorbeiziehen. Gleichzeitig freue ich mich aber auch darauf, nach Hause zu kommen. Dem Klimawandel zu Liebe – bzw. dann ja eher unserem Klima zu Liebe… - wird die Rückfahrt statt mit dem Flugzeug mit dem Bus bestritten. Das wird auch noch eine spannende Reise.