Verhütung - Eine reine Frauensache?
Die Pille galt einst als revolutionäres Verhütungsmittel und war Teil der sexuellen Befreiung der Frau, heute ist sie eher umstritten: Immer mehr Frauen gehen an die Öffentlichkeit und diskutieren den - vielleicht zu leichtfertigen- Gebrauch der Pille. Ein persönlicher Erfahrungsbericht und ein Appell, Verhütung zu überdenken
Fast jedes Mädchen bekommt sie heutzutage bei einem der ersten Frauenarzt-Besuchen verschrieben: Die Pille. Manche wollen eigentlich noch gar nicht verhüten, trotzdem wird ihnen die Pille empfohlen um das Hautbild zu verbessern oder um starke Regelschmerzen zu vermeiden. Die Pille zu nehmen ist einfach sicherer, sagte man auch mir. Damit kann ich unbeschwert meine ersten sexuellen Erfahrungen machen oder - im schlimmsten Fall- hilft es ja auch bei einer Vergewaltigung ( das wurde mir tatsächlich von einer ehemaligen Nachbarin gesagt.). Alternativen wurden mir damals nicht vorgestellt, Nebenwirkungen auch nicht. Das Rezept mit der Pille wurde mir schon über den Tisch gereicht, als ich erwähnte, dass meine Schwester ein erhöhtes Thrombose-Risiko hat, zuckte meine Frauenärztin wieder zurück. Einer meiner Freundinnen passierte etwas ähnliches: Sie nahm monatelang die reguläre Pille, obwohl sie ein sehr hohes Thrombose-Risiko familienbedingt hat. Als ihrem Frauenarzt das auffiel, wechselte er die Pille sofort, aber meine Freundin lebte so lange unter großer Gefahr - Wie kann sowas passieren?
Die Pille ist kein Lifestyle-Produkt, auch wenn sie uns so häufig verkauft wird - Sie ist voller Hormone, die großen Einfluss auf den Körper und die Psyche ausüben können. Obwohl man die Verhütung durch die Pille wirklich abwägen muss, ist sie zum dem Verhütungsmittel geworden: Bereits 20% der 15-Jährigen in Deutschland verhüten mit der Pille, 40% der 16-Jährigen und schließlich 70% der 19-Jährigen. Sie hat sich durchgesetzt, und das liegt vor allem an ihrer Karriere: Sie galt als Meilenstein der sexuellen Befreiung, trug zur Enttabuisierung der weiblichen Sexualität bei und ermögliche Frauen eine sichere Verhütung und Selbstbestimmung. Sie machte Verhütung allerdings auch eher zur Frauensache: Schließlich musste man jetzt nicht länger mit dem Partner darüber diskutieren, ob man Kondome benutzen sollte, sondern konnte einfach mit einer kleinen, diskreten Pille selber verhüten.
Unsere Gesellschaft hat sich allerdings seit den 70er Jahren gewandelt, man muss sich nicht mehr schämen, wenn man sich Verhütungsmittel beim Frauenarzt oder in der Apotheke besorgen möchte - Und trotzdem ist das Wissen über Verhütung erschreckend gering. Für viele Mädchen und Frauen ist eine Schwangerschaft immer noch ein unberechenbares Schreckgespenst und für Männer ist der weibliche Zyklus sowieso ein Mysterium. Mein Freund ist dafür ein trauriges Beispiel: Ihm war überhaupt nicht bewusst, welche Nebenwirkungen die Pille überhaupt haben könnte, welche Alternativen es gibt und wie das alles überhaupt funktioniert. Es hat mich fast schon geärgert, wie egal es vielen Jungen und Männern ist wie und ob Mädchen und Frauen verhüten - Sexuell übertragbare Krankheiten gehen schließlich alle was an und auch das Risiko einer Schwangerschaft sollte beide interessieren!
Für viele Mädchen funktioniert die Pille perfekt als Verhütungsmittel, für viele andere leider nicht: Die Pille kann gesundheitliche Nebenwirkungen haben, wie beispielsweise das erhöhte Risiko einer venösen Thromboembolie, viele leiden aber auch unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder dem Verlust der Libido. Diese psychischen Nebenwirkungen traten auch bei mir nach 1,5 jähriger Einnahme der Pille ein - Zuerst dachte ich, es läge an meinem stressigen Unialltag oder sonstigen äußerlichen Faktoren. Aber irgendwie passte alles nicht zusammen, ich erkannte mich selbst kaum wieder und wurde immer motivationsloser und aggressiver. Das war mein persönlicher Auslöser, die Pille abzusetzen und mich für eine hormonfreie Verhütung zu entscheiden. Für mache kommt die Entscheidung, die Pille abzusetzen leider zu spät: Es gibt wenig genaue Daten, aber man vermutet, dass zwischen 2000 und 2019 circa 18 körperlich gesunde Frauen an den Nebenwirkungen der Pille in Deutschland gestorben sind, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher. Diese Zahl klingt zunächst nicht hoch, aber man muss sich bewusst machen, dass diese gesunden Frauen an so etwas alltäglichem und banalem wie der Verhütung durch die Pille gestorben sind, obwohl es viele Alternativen gab, die risikoärmer sind.
Sichere Verhütung ist ein Thema, über das offen diskutiert werden sollte und in dem Mädchen und Frauen besser beraten werden müssen. In einem aufgeklärten Land wie Deutschland sollte es nicht passieren, dass Frauen unter falsch verschrieben Verhütungsmittel leiden und sogar sterben. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland allgemein eher schlecht ab: Deutschland ist eines der wenigen Länder in der Europäischen Union, in dem Verhütungsmittel ab dem 18. Lebensjahr selber getragen werden müssen - Und das in der Regel von Frauen. In Großbritannien, Portugal oder Frankreich werden alle Verhütungsmittel ( so z.B. auch die teuere, hormonfreie Kupferspirale) übernommen. Das wäre mal eine neue sexuelle Revolution in Deutschland!
https://www.youtube.com/watch?v=NDSxhgwiGQQ
https://www.stern.de/tv/zwecklose-meldepflicht-bei-nebenwirkungen--die-verschwiegenen-todesfaelle-der-antibabypille-6711410.html
https://www.fluter.de/argumente-fuer-oder-gegen-die-pille