Universum
Noch zwei Tage. Aber meinen Schreibrythmus lasse ich mir nicht nehmen!
Freunde der Sonne… vielleicht ist es ein bisschen lächerlich, euch jetzt noch einen Blogpost zu liefern. Immerhin fliege ich Mittwoch heim. Aber mir gefällt der Rythmus… und so kann ich ein klein wenig so tun, als ob alles normal wäre.
Gott, tut diese Woche weh. Ich war seit langer, langer Zeit nicht so fertig mit den Nerven - ich kann nicht mehr gut schlafen und laufe mit einer dicken Wolke in meinem Kopf und etwas Ähnlichem wie Übelkeit herum. Die Abschiede kommen Schlag auf Schlag. Nächste Woche kann ich sentimental(er) werden und ein Fazit ziehen, in Worte verpacken, was meine Zeit hier mir bedeutet. Aber noch nicht.
Erster Streich
Montag ging ich zum letzten mal zur Therapie. Das war einer der härtesten Abschiede. Es ist so schwierig, eine gute Therapie zu finden, und nun musste ich meine vorzeitig abbrechen. Meine Therapeutin hat mir angeboten, zu skypen und sogar alle drei Monate Termine auszumachen - das hilft.
Ich wäre danach gern allein gewesen, doch Marleen lud mich zum Kochen ein - und seit etwa einer Woche sage ich zu nichts mehr nein, egal wie müde ich bin. Außerdem hatte ich ihr Geburtstagsgeschenk noch.
Wir benutzten eine nicht allzu gute Pfanne, erhitzten Öl, warfen die Tomaten rein - Stichflamme! Und in der Pfanne loderte ein Feuer! Meine Güte, kein Erste-Hilfe-Kurs kann von mir verlangen, dass ich da ruhig bin und klar denke! Mein Kopf kam noch so weit, dass ich eine Ölflamme nicht mit Wasser lösche - weiter gings nicht. Marleen und ich starrten die Flamme also nur mit weit aufgerissenen Augen an - wie in einem Cartoon - Lara und Karin kamen reingestürzt, rissen die Tür auf und erstickten das Feuer mit einer Decke.
Hui.
Danach war ich wie blöd am Kichern vom abklingenden Adrenalin. Und eine Mahlzeit haben wir trotzdem noch hinbekommen - in einer anderen Pfanne.
Ich weiß, ich häng für immer an dir
Dienstag kam der nächste harte Tag. Abschiedsfeier in unserer Gruppe, organisiert von mir und Juliana (in unserer Freizeit, wie auch sonst). Ich gab eine Musikstunde mit dem Music Man, Juliana mit Head and shoulders, knees and toes. Dann ging es hinein, ich hatte ein Video der letzten elf Monate gemacht. Spätestens nach zwei Minuten hingen Juliana und ich schluchzend aneinander.
Die Musik war der overkill. Erst eins der ungarischen Kinderlieder das den ganzen Tag auf- und ablief, dann Leaving On A Jet Plane - Bruchpunkt Nummer eins. Danach hatten wir Lieder in unserer Sprache rausgesucht, Julianas portugiesisches Lied verstand ich natürlich nicht, irgendwas mit einer Gitarre, die den Weg zeigt, aber der Klang war genug. Ich habe Universum von Ich + Ich genommen. “Du kannst alle Gipfel erklimmen, in deinem Herzen bin ich sowieso dabei, denn ich bin immer dein Zuhaus”.
Dazu die Bilder und Videos, in dem die Kinder mit uns wachsen. Das war viel zu viel.
Am selben Tag habe ich übrigens noch mein Fahrrad verkauft, für 100 Lei. Schlechter Preis, aber besser als es zu behalten, und so sentimental es ist, es fühlt sich gut an, dass das Rad weiterhin durch Cluj fahren wird. Nur halt ohne mich.
Wanderausflug
Mittwoch bestand Emoke drauf, uns auf eine Exkursion mitzunehmen. Na gut. Lust hatte ich nicht, aber dann war es doch ganz nett. Wir fuhren nach Calea Turzii - war ich froh, dass Juliana vorne saß und Emoke beim Fahren half! - und gingen wandern. Dass mir sowas mittlerweile gefällt! Etwa zehn Kilometer durch den Wald, der ein paar wirklich wunderschöne Plätze hatte. Auf dem Rückweg spielten wir ein Wanderspiel ähnlich wie Stadt-Land-Fluss, das Alkie zur Weißglut trieb, weil sie ständig verlor.
Am Nachmittag machten wir bei einem Flashmob für Menschen mit Downsyndrom mit. Organisiert von anderen EVS-Leuten - so tolle Sachen sind möglich… Erasmus+ stellte für das persönliche Projekt 300 Euro (!) zur Verfügung, ein Teil dafür ging sogar für Getränke drauf. Ich versuche, keine Bitterkeit zu hegen, weil Csemete mich als kostenfreie Angestellte in einer privaten, teuren Kita geholt und mir so meine einzige Chance auf einen echten EFD genommen hat, aber das ist nicht immer einfach.
Aber daran will ich nun nicht denken. Der Flashmob hat Spaß gemacht. Der EFD ist ein Programm, das in erster Linie dem Freiwilligen zugute kommt. Das ist etwas, was ich akzeptieren musste. Und nun weiß ich, dass ich in Zukunft wirklich helfen und aktiv sein möchte.
Der schwierigste Abschied
Donnerstag stand unser letztes Meeting mit Lehel an. Ich kann nicht behaupten, dass das ein besonders schwerer Abschied war. Der kam danach - mein letzter Arbeitstag mit den Kindern. Esther hatte Geburtstag, und es gab einen großen Kuchen (von dem Tassi heimlich vier Stücke verputzte, ahaha). Dann schlafen, aufwachen… und gehen.
Der erste, der abgeholt wurde, war Márk. Virágom. Um kurz nach drei. Er sagte szeretlek, ich fing an zu weinen und hörte bis zum letzten Abschied nicht auf.
Der schlimmste Abschied war der von Floris. Er verstand gar nicht dass wir uns nicht mehr sehen und zeigte mir nur ganz aufgeregt den “cheie pentru maşina verde”. Seine Mutter wollte gar nicht gehen, sie gab uns Ohrringe und erzählte, dass sie bald nach Bistrița ziehen und wir Bescheid sagen sollen wenn wir dort sind.
Das wars. Und es ist so surreal. Das Gefühl von einem Kleinkind in meinen Armen ist komplett natürlich für mich geworden.
Mein ganzes Herz hängt an diesen Kindern. Jeden Tag so eine bedingungslose Liebe zu spüren - die koexistieren kann mit dem Wunsch, sie nach der elften verschütteten Suppe aus dem Fenster zu werfen! -, das verbesserte meinen Charakter auf eine Art, die ich nicht ganz beschreiben kann. Ich kann sagen, dass jedes Problem, das wir mit Csemete hatten, für sie wert waren, und für die Art und Weise, wie sie mich berührt und verändert haben.
Tja. Das klingt wie ein superpositives Fazit, aber tatsächlich bin ich im Moment nur niedergeschmettert. Langfristig bleibt hoffentlich nur alles Gute, das mir die Kleinen gegeben haben. Was ich auch im Gegenzug möchte - an mich als Person werden sie sich nicht erinnern, nicht in diesem Alter. Aber ich wünsche mir, dass sie im Unterbewusstsein das Gefühl von Sicherheit und Selbstvertrauen behalten, das ich ihnen geben konnte.
Aufbruch
Zum Glück hatte ich noch einen wunderschönen Abschluss für unseren EFD. Erst feierte Sofia ihren Geburtstag im Park. Was für mich aber eher die Abschiedsfeier von allen Freiwilligen in Cluj darstellte. Auch wenn meine besten Freunde doch Einheimische sind, sind da auch Leute bei, die mir viel bedeuten - Lara, Marleen, Karin… und die ganze Gruppe im Allgemeinen. Ja, ich habe schon wieder geweint.
Am Wochenende fuhren wir vier an die Küste. Wozu wir erstmal das ganze Land durchqueren mussten! Das war schon verrückt genug. Morgens fingen wir an, und um 5 Uhr morgens am nächsten Tag kamen wir am Strand von Mangalia an und schlugen in der Morgendämmerung unsere Schlafsäcke und Decken auf. Uah, das war keine gute Nacht, denn der Sand war klitschnass. Aber man schafft alles.
Unser eigentliches Ziel war Vama Veche, eine Art Hippiestrand zehn Minuten südlich vom sehr touristenbesetzten Mangalia. Dort angekommen, waren Juliana und Jojo aber zu faul für die letzten paar Kilometer! Alkie und ich machten uns also auf eigene Faust auf, und ich habe es nicht bereut. Vama Veche ist traumhaft, voller junger Leute und Campern, und das Wasser glasklar!
Küstentour
Später fuhren wir aufwärts und sahen auf dem Weg ein paar Küstendörfer an - einer unserer Fahrer machte für uns eine richtige Tour. Das Ziel war aber Tulcea, um am nächsten Tag das Donaudelta zu sehen. Tja, das ist gründlich schiefgelaufen - die Boote fahren nur einmal am Tag ins Delta, wir hätten dort übernachten müssen… wir standen buchstäblich am Eingang zum Delta und kamen nicht rein. So nah und doch so fern!
Es war Jojos Geburtstag, also entschied sie, wie es weitergehen sollte. Schließlich fuhren wir einfach an den Strand, um noch ein bisschen zu schwimmen, bevor uns unser Blablacar nach Bukarest fuhr und 30 Sekunden (!) vor der Abfahrt unseres Nachtzuges am Bahnhof absetzte.
Die Tickets mussten wir dann an Bord kaufen, von einem stockbetrunkenen Kontrolleur, 150 Lei statt 100. Von dem Geld hätte ich mir einen Schlafwagen leisten können… stattdessen ein Sitz im Zug, der die ganze Nacht über hell beleuchtet war. Aber ich hatte eine echt interessante Sitznachbarin, die mir erstmal alles von ihrem Freund in Bukarest erzählte.
Montag um halb neun morgens kamen wir an in Cluj.
Und Mittwoch fliege ich zurück.
Nein, keine großen Worte hier. Die kommen im nächsten, allerletzten Bericht.
Wir hören uns, Freunde der Sonne - im Moment fühle ich mich nicht so sonnig.