Und jetzt?
Ein paar Gedanken ein paar Wochen nach meiner Rückkehr...
Hey lovely people!
drei Wochen ist es jetzt schon wieder her seit ich wieder gut in Deutschland gelandet bin, die zwei Wochen Quarantäne habe ich ganz gut überlebt und meine erste Woche in Freiheit gebührend genossen. Nach diesem bisschen Eingewöhnungszeit möchte ich die Glegenheit doch noch einmal ergreifen und ein paar ehrliche Eindrücke dazu teilen wie es ist, nach vielen Monaten im Freiwilligenprojekt wieder irgendwie in sein altes neues Leben hineingeworfen zu werden...
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: es ist ein sehr sonderbares Gefühl. Klar, an meinen neuen Tagesrythmus habe ich mich schon wieder ganz gut gewöhnt, das Zusammenleben mit meiner Familie fühlt sich zwar einerseits noch etwas ungewohnt gleichzeitig aber auch einfach sehr vertraut an und meinen Wortfindungsstörungen in der deutschen Sprache nehmen langsam wieder ab (auch wenn ich mit Freunden oder wenn ich müde oder geanstrengt bin doch aus irgendeinem Grund immer automatisch ins Englische switche ;P) - und doch fühlt sich alles manchmal wie ein Traum an und ich erwarte jeden Moment aufzuwachen und aus der Causewayküche das Lachen meiner Mitfreiwilligen zu hören.
Ich muss ganz ehrlich sagen: manchmal vermisse ich meine Glencraig Freunde noch viel mehr als ich es vor meiner Abreise schon befürchtet hatte und dann schleicht sich da dieser Gedanke in den Kopf: warum hast du all das "weggeworfen", all diese tiefen Beziehungen, wo du doch so glücklich warst und rational ganz genau weißt, dass Fernbeziehungen nur schwer in der gleichen Tiefe aufrechtzuerhalten sind? Im gleichen Moment weiß ich aber auch ganz genau, dass es eine sehr bewusste und eigentlich auch richtige Entscheidung war, denn diese Lebensform würde definitiv nicht die meine sein für immer und woran ich hänge ist ja auch nicht so viel der Ort und die Camphill Philosophie als vielmehr diese spezielle Gruppe and Menschen mit ihrer ganz eigenen Energie und Dynamik mit der ich so viele prägende Erfahrungen machen durfte und die jetzt aber leider sowieso langsam auseinander bricht. Bisher bin ich noch sehr regelmäßig im Kontakt mit vielen, über videochat, Whatsapp oder Telegram, was mich sehr happy macht und auch unser Gruppenchat wird immer mal wieder für Schnappschüsse aus Urlauben und Heimatländern quer über den Globus genutzt.
Ein weiteres Phänomen hat mich in den letzten Tagen auch viele Gedanken gekostet: meine Zeit in Nordirland war anscheinend alles in allem eine so intensive Erfahrung für mich die jetzt auch noch sehr präsent in meinem Gedächtnis ist, dass mich am laufenden Band irgendwelche Kleinigkeiten dorthin zurückversetzten. Jedes Thema das am Mittagstisch zur Sprache kommt, Musik die ich höre, sogar kleine Dinge wie bestimmte Gerüche, Motive, Bilder oder Farben, immer hätte ich eine Geschichte aus Glencraig dazu zu erzählen, fallen mir Anekdoten aus dem Freiwilligenalltag ein oder erinnere ich mich wieder besonders stark an irgendjemand mit dem ich dort Kontakt hatte. Das Problem daran: wie will man diese Geschichten mit anderen teilen, wenn diese Anderen nicht das nötige Vorwissen, keine Idee von den Eigenheiten der beschriebenen Personen und nicht einen Schimmer von irgendwelchen Insider Witzen haben? Natürlich sind meine Familie und Freunde sehr aufmerksam, wollen gerne von meinen Erfahrungen hören und geben sich alle Mühe diese zu respektieren und wertzuschätzen, aber so wirklich verstehen können sie das meiste auch mit den Besten Absichten nicht, was natürlich ein bisschen frustrieren ist.
Das ist dann auch wieder ein Grund, warum es so gut tut, mit den Freunden von dort Kontakt zu halten, einfach weil man auf eine Aussage hin laut "EXACTLY!" oder "It is not possible!" erwidern kann ohne dann stundenlang erklären zu müssen, was daran jetzt witzig sein soll. Diese Erfahrung ist zwar recht neu für nicht, ich finde sie aber auf der anderen Seite auch wahnsinnig wertvoll und habe viel daraus gelernt. Jetzt versteh ich all die Leute, die auch noch Jahrzehnte nach ihrem ERASMUS Jahr noch ewig über irgendwelche Episoden reden können, die für mich absolut keinen Sinn ergeben, so viel besser und ich hoffe sehr, dass es mich diesen gegenüber auch empathischer hat werden lassen. Wie das mit dem im Kontakt bleiben so klappt wird sich wohl nur über die Zeit zeigen, sehr wünschen würde ich es mir jedenfalls!
Ganz viele innere Veränderungen die ich durchgemacht habe gehen mir überhaupt auch erst jetzt auf, nachdem ich wieder aus der sich langsam aber sicher manifestierten Komfortzone herausgeschubst wurde. Ich kann mich noch sehr gut an ein Gespräch während einer Wanderung entlang irgendwelcher Klippen erinnern in dem es darum ging das Glencraig Menschen grundlegend verändert und ich felsenfest behauptete, dass ich eigentlich immer noch dieselbe Person sei. Wie naiv und leichtfertig ich das damals gesagt habe! Klar, vielleicht ist bei mir jetzt von außen betrachtet nicht so ein großer Reifeprozess vonstatten gegangen, wie bei manch anderen, aber da gibt es so unglaublich vieles was ich neu gelernt habe, über mich, die Welt und was wirklich wichtig ist, das ich mich ganz sicher nicht mehr guten Gewissens als haargenau dieselbe Person bezeichnen würde...
Eine andere meiner "Rückkehrsbefürchtungen" hat sich übrigens auch bewahrheitet: die Sache mit den sozialen Bubbles. Die Bubble der Freiwilligen war, wie ich bestimmt schon oft erwähnt habe und wie mir jetzt im Kontrast wieder schmerzlich bewusst wurde, eine enorm bunte Blase, sprühend vor Offenheit, gegenseitiger Akzeptanz und Respekt. Wieder zurück in der "durchschnittlichen" Gesellschaft ist mir jetzt schon unzählige Male aufgefallen, wie engstirnig, vorurteilbelastet und urteilungsfreudig die Gattung Mensch doch ist. Auch wenn in Camphill definitiv nicht alles perfekt ist und mit rechten Dingen zugeht, denke ich mir doch immer wieder, dass die Erfahrung des Lebens in einer Gemeinschaft eigentlich jedem einmal gut tun würde.
Genug nun aber der philosophischen Gedanken, wie wird es bei mr eigentlich jetzt weitergehen? Nun, am groben Plan hat sich eigentlich wenig verändert: den August und September über habe ich verschiedene kleine Urlaube mit Familie und Freunden geplant und im Herbst kann ich dann hoffentlich ein Physikstudium in Freiburg beginnen, den Antrag hab ich zumindest letzte Woche schon rausgeschickt. Auch wenn ich in Gedanken noch viel in Glencraig bin, oder in Italien, Finland und wohin auch immer sich meine Mitfreiwilligen verstreut haben, so stellt sich doch langsam aber sicher immer mehr Vorfreude auf das Uni Leben und seine ganz neuen Herausforderungen ein. Jetzt muss ich mich dann langsam wirklich mal darauf konzentrieren eine Bude zu finden und ich halte natürlich die Daumen gedrückt, dass ich meine neuen Mitstudierenden dann vielleicht auch in Präsenzveranstaltungen, anstatt nur über den Computer kennenlernen darf. Er gibt noch so viel zu organisieren und planen, dass mir den Sommer über ganz bestimmt nicht langweilig werden wird. Und falls doch, dann könnte ich ja mal wieder bei Youthreporter vorbei schauen, und von inspirierenden Berichten toller Reporter aus aller Welt mein Fernweh entfachen lassen...
Machts alle gut und bis dahin take care!
Eure Klein_aber_jojo