Unbekannte religiöse Traditionen
Die Europäischen Freiwilligen im brandenburgischen Strausberg wollten es genau wissen und beschäftigten sich auf einem mehrtägigen Seminar mit dem Thema „Weltreligionen und interkulturelle Konflikte“.
Schon seit Jahrtausenden ist Religion eines der schwierigsten Themen der Welt. Viele Menschen starben allein wegen ihres Glaubens. Immer wieder wurden Religionen instrumentalisiert. Und viel zu oft beruhen religiöse Konflikte auf Missverständnissen. Dass ist eine traurige Wahrheit, die sicherlich vielen bewusst ist. So auch den Teilnehmern des mehrtägigen Seminars zum Thema „Weltreligionen und interkulturelle Konflikte“ im Buddhistischen Institut im nordbrandenburgischen Menz.
Die wenigsten allerdings versuchen, sich intensiver mit dieser Problematik auseinander zu setzten. Für die Freiwilligen bestand mit dem Seminar die Gelegenheit dazu – und sie wurde genutzt.
Nachdem der Institutsleiter und Laienbuddhist Horst Brumm die jungen Erwachsenen über die Enstehungsgeschichte des Instituts und die Zukunftspläne für seine Bildungs- und Begegnungsstätte aufgeklärt hatte, entstanden schnell die ersten Fragen und Diskussionen. Schließlich war gerade die hier gelebte buddhistische Tradition den meisten Teilnehmern bisher nahezu unbekannt. So stellt sich schnell heraus, dass es im Buddhismus keinen Anspruch auf Einzigartigkeit eines Gottes gibt, wie in nahezu allen anderen Weltreligionen. Dadurch verstößt es auch nicht gegen die Prinzipien, dass das Institut für jeden offen steht, auch für Andersgläubige.
Natürlich war dieses Zentrum und die damit verbundene Lebensweise ein kleiner kultureller Schock für die Freiwilligen. Man war es nicht gewohnt, die Mücken nicht erschlagen zu dürfen und manchen fehlte auch irgendwie das gewohnte Stück Fleisch auf dem Teller. Dennoch war mehr als genügend Energie für das Seminar vorhanden.
Das lag zum einen natürlich am persönlichen Interesse vieler Teilnehmer, zum anderen aber auch an der Kraft spendenden Ruhe, die dieser besondere Platz – mitten in der Natur – ausstrahlt. Im ersten Teil des Seminars stellten die jungen Erwachsenen ihre Allgemeinbildung im Rahmen eines Brainstormings unter Beweis. Dadurch wurde ein Einstieg in dieses sehr komplexe Thema ermöglicht und gleichzeitig zeigte sich, dass eben jedes Wissen doch sehr stark vom jeweiligen Kulturkreis abhängt.
So fiel es den meisten erstaunlich leicht zu eher westlichen christlichen Religion Schlagwörter zu liefern, doch bezüglich des Hinduismus stieß man auf viele Lücken. Anschließend sollte in Kleingruppen das jeweilige Grundgerüst der großen Weltreligionen erarbeitet und vorgestellt werden, um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen. Daraus sollte später in spielerischer Form ein Religionsstreit entstehen der Frage nachgehend „Welche ist die wahre Religon?“.
Eifrig wurde in den vielen Gruppen gearbeitet und in der umfassenden Institutsbibliothek (alle religiösen Standardwerke und ergänzende Texte, sowie Philosophie als auch die notwendigen Wörterbücher) recherchiert. Immer wieder entstanden nebenbei Diskussionen zu Inhalten und Interpretationen von religiösen Texten. Immer wieder kamen Fragen auf, erschienen Widersprüche mit den eigenen Erfahrungen. Der geplante Religionsstreit, der eigentlich nur für den vorherrschenden Fanatismus sensibilisieren sollte, entwickelte sich schnell zu einer Debatte über die Funktion von Religion und im späteren Verlauf zu einer Art Analyse der heutigen Interpretation seitens der geistigen Führer der großen Religionen.
So traf besonders der Konflikt zwischen dem islamischen und dem christlichen Weltbild und die damit verbundenen politischen Entwicklungen in den Mittelpunkt des Wortgefechts. Beachtlich war, dass dieses Thema so elektrisierend wirkte, dass sogar in den Pausen weiter diskutiert wurde. Die Abende nutzte Horst Brumm um Interessierten eine nähere Einführung in die buddhistische Theorie und Praxis zu geben. Dabei fand besonders die Meditation bei vielen großen Anklang. Nebenbei erzählte er Anekdoten und alte Weisheiten und erweiterte damit das Verständnis für die asiatische Kultur.
Der zweite Teil des Seminars hatte seinen Schwerpunkt in der Diskussion bezüglich des religiösen Selbstbewusstseins. Als Grundlage diente eine Verfilmung des Lebens von Mutter Theresa. Die Missionsarbeit in ihren verschiedenen Erscheinungsformen löste abermals intensive Gespräche aus. Es wurde deutlich, dass Religion unmöglich von Politik und Ökonomie zu trennen ist. Am Ende dieses Seminars waren viele Vorurteile in Rauch aufgegangen, haben sich teilweise neue Weltbilder in den Köpfen der jungen Erwachsenen gebildet und irgendwie herrschte ein großes Verständnis für sich und für den anderen.