Über die Ungarn und die Rumänen.
Zwei Nachbarländer, die vor allem eins gemeinsam haben: Sie können sich gegenseitig nicht ausstehen.
Während den ersten Wochen in einem neuen Land war und bin ich natürlich immer auf Empfangsbereitschaft, was die Einheimischen so über Ungarn mit seinen Stärken und Schwächen zu sagen haben. Dabei wurde ich besonders auf das ungarisch-rumänische Verhältnis aufmerksam. Vielleicht durch die geographische Nähe Debrecens zu Rumänien, vielleicht durch die Arbeit in meinem Projekt, die sich für die Verbesserung des ungarisch-rumänischen Verhältnis einsetzt.
Fest steht, Ungarn mögen Rumänen nicht und Rumänen mögen keine Ungarn. Das habe ich auch schon vor meinem Jahr gelernt. Als ich einer Rumänin erzählt habe, dass ich ein Jahr nach Ungarn gehe, hat sie nur höflich geschwiegen.
Jedoch gibt es in Rumänien eine große ungarische Minderheit. Manche Städte in Rumänien, nahe der ungarisch-rumänischen Grenze, bestehen zu bis zu 90 Prozent aus Ungarn. Hier müsste der Begriff „Minderheit“ dann doch nochmal diskutiert werden – aber das nur so am Rande.
Ungarn besaß früher viel größere Gebiete als heute. Etliche Teile von Rumänien, der Slowakei und Kroatien waren früher ungarisch – in etlichen Teilen leben bis heute noch Ungarn.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Vertrag von Trianon 1919 unterzeichnet. Darin verlor Ungarn über 70% Staatsgebiet und knappe zwei Drittel der Bevölkerung. Abgesehen von Budapest gingen so auch die meisten historisch bedeutenden größeren Städte an Nachbarländer über. „Trianon“ ist noch heute ein Wort, das in Ungarn überhaupt nicht gerne gehört wird.
Auch meine Mitbewohnerin und ein weiterer Mitfreiwilliger kommen aus Rumänien, sind aber Ungarn. So lernten sie zum Beispiel ungarisch als Muttersprache, rumänisch erst durch den Kindergarten oder ihr sonstiges Umfeld. Zu Hause wurde und wird aber ausschließlich ungarisch gesprochen.
Bis heute – 94 Jahre nachdem Ungarn seine Territorien abgeben musste – sind viele Menschen in Rumänien und anderen Ländern in ihrem Herzen Ungar geblieben. Meine Mitbewohnerin antwortete auf meine Frage, ob sie sich nun als Ungarin oder als Rumänin sieht: „Ich liebe beide Länder. Ich bin Ungarin und Oradea (Rumänien) ist meine Heimatstadt.“
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