“The street is our business”
Wir alle haben bestimmt schon einmal ein paar oder mehrere Münzen in das offene Gitarrencase oder in den Hut eines Straßenmusikers oder einer Straßenmusikerin geworfen. Aber haben wir uns jemals gefragt, welche Menschen hinter den Musiker*innen stehen? Wie ihr Alltag aussieht? Warum sie überhaupt auf der Straße spielen? Der folgende Artikel soll das Leben und Schaffen des Straßenmusikers Leonis beschreiben.
Leonis1 wurde in Rio de Janeiro geboren und lebte - bevor er nach Spanien zog - für einige Jahre in Irland. Dort kam er erstmals mit Streetperformance & Busking in Berührung. Unter diesen Begriffen versteht man gemeinhin den Akt des Performens im öffentlichen Raum gegen eine freiwillige Spende der Passant*innen (vgl. Wikipedia, 2017). Viele seiner irischen Freund*innen musizierten auf der Straße, ob das nun „just for fun“ war oder ob sie damit versuchten ihre Miete zu bezahlen.
Als er in die spanische Stadt P. zog, begann er – obwohl es dort damals eher unüblich war – aus Geldnot auf der Straße zu spielen. Anfangs spielte er nur Gitarre, da ihm Singen im öffentlichen Raum als aufdringlich erschien, jedoch konnte er sich bald dazu überwinden beides gleichzeitig zu tun. Auch wenn Leonis schon in Brasilien als Musiker gearbeitet hatte, so hatte er dort aber nie auf der Straße gespielt, da es seinerzeit nicht üblich war und er niemanden kannte, der das tat. Zudem hätten das die meisten Passant*innen gar nicht wertgeschätzt und er hätte davon nicht leben können.
In Spanien kann er von dem Geld, welches er auf der Straße verdient leben, für seine Miete und die Lebenserhaltungskosten aufkommen. Der monatliche Verdienst hängt aber stark vom Wetter, von der Spielfrequenz und davon ab, ob er mit seiner Band oder alleine spielt. So kann er beispielsweise an einem guten Tag mit seiner Band 700 Euro machen, wohingegen er an einem anderen Abend nur 30 Euro verdient. „Especially when it’s cold the money is very bad, because then the people just hurry up and don’t want to stop and listen to my music. Also if there’s an event in the city center, the earnings are very low”, so Leonis.
Am lukrativsten seien gewöhnliche Werktage, an denen nicht allzu viele andere Straßenmusiker*innen unterwegs sind. Auch beeinflussen das Equipment und die Auswahl der Songs die Einnahmen. „If you have a good equipment, people see that you are a professional and then they give you more money.” Zudem verdiene er mit populären Songs mehr als beispielsweise mit klassischer Musik.
Als die größten Herausforderungen beschreibt er die Unberechenbarkeit des Wetters sowie die Angst, der Öffentlichkeit „ausgeliefert“ zu sein. Hiermit meint er, die Angst davor, den öffentlichen Raum zu stören oder als jemand gesehen zu werden, der um Almosen bettelt. Manche Passant*innen beschimpfen ihn oder rufen die Polizei, was in jenen spanischen Städten, in denen man eine spezielle Genehmigung für das Musizieren auf der Straße benötigt, negative Folgen haben kann.
Am schlimmsten findet er aber betrunkenen Menschen, die ihn provozieren wollen. „And then I can’t do anything, because all the other people are staring at me. Yes, sometimes drunk people are very bad.” Aber im Allgemeinen beschreibt er die Reaktionen der Passant*innen als sehr positiv, wobei es natürlich einige gibt, die ihn als störend empfinden oder in ihm einen „unemployed, anti-system guy“ sehen, der um Almosen bettelt.
Leonis erzählt an dieser Stelle von einem obdachlosen Mann, der ihm jedes Mal wenn er ihn spielen sieht ein paar Münzen gibt. „This guy sees me as someone who shares the street with him. The street is our business – we have just two different types of work.” Und jedes Mal wenn Leonis den Mann sieht, dann gibt auch er ihm etwas, genauso wie er es als eine Art Verpflichtung ansieht, anderen Straßenmusiker*innen etwas zu geben. „Just for the money-circle“, erklärt er. Für die Zukunft wünscht er sich, dass Straßenmusiker*innen untereinander nicht konkurrieren, sondern zusammenarbeiten. Und das Passant*innen ihn und alle anderen Straßenmusiker- und künstler*innen nicht vorschnell als faul und „gegen das System“ verurteilen. „And finally I desire that someday the streets will become a bigger space for art and less consumption.“
1Leonis: Name wurde von der Autorin geändert
Literatur – und Qullenverzeichnis:
Streetperformance (2017). Verfügbar unter <https://en.wikipedia.org/wiki/Street_performance>. 17.05.2017
Transkription 1: Interview wurde am 10. März 2017 von Julia Maria Pettinger mit einem brasilianischen Musiker, der in Spanien auf der Straße musiziert geführt.