The craic's ninety, so it is!
Die stille Mitleserin meldet sich zu Wort; wie man 4 Monate in Worte fasst oder auch: Was ich in Belfast bis jetzt so gelernt hab...
Nach einem endlosen Aufenthalt im Untergrund des Youthreporter Universums dachte ich mir, dass ich ja eigentlich doch einmal mit dem Bloggen anfangen könnte - schließlich werde ich darin durch meinen persönlichen Blog und den EVS Blog meines Projektes ja so langsam zum echten Profi! Und zu erzählen gibt es schließlich auch Einiges - wo fängt man da eigentlich an, wenn man bereits 4 Monate seines EVS hinter sich hat?
Vielleicht mit den Dingen, die ich hier bis jetzt so gelernt habe...zumindest einer kleinen Auswahl davon:
1. Die Nordiren sind wahnsinnig freundliche und hilfsbereite Menschen, die einen trotz Großstadt trotzdem auf der Straße grüßen (ohne einen zu kennen) sich einfach mit dir an der Bushaltestelle unterhalten oder sich auch noch nach Monaten and die Spontanbegegnung im Pub erinnern und sich mit dir unterhalten.
2. Gut Englisch zu können, bedeutet noch lange nicht, dass man in Belfast oder Nordirland die Menschen auch versteht. Wenn man dann nachfragt, bekommt man eigentlich das Gleiche (nur lauter) noch einmal wiederholt. Allerdings entschuldigen sich die Meisten gleichzeitig für ihren Dialekt oder fragen einen generell ganz verwundert, was einen denn ausgerechnet nach Belfast treibt. (Die Stadt steht bei ihren Bewohnern wohl nicht immer so hoch im Kurs)
Achja, man ist dann aber irgendwie auch ein wenig stolz, wenn einem belustigt mitgeteilt wird, dass der Satz, den man eben gesagt hat, ziemlich nach "Belfast Accent" klang und versucht ständig, den speziellen lokalen Wortschatz mit einzubauen.
3. Good Craic hat nichts mit Drogen zu tun.
(craic = fun ; Craic kann übrigens auch auf einer Skala beurteilt werden, hatte man nen super Abend, dann heißt es "the craic was ninety" oder sogar "ninety one", "the craic" kann aber auch "minus" sein, also im Minusbereich liegen)
4. Das irische/britische Wetter hat einen viel zu schlechten Ruf, so viel regnet es hier gar nicht!
5. Thema Nordirlandkonflikt: Ja, es gibt einen Friedenvertrag. Nein, das heißt noch lange nicht, dass es bereits wirklich gesellschaftlichen Frieden gibt. Alles hier kann politisch sein, egal ob es die Sprache, der Sport oder die Frage, ob man Palästina oder Israel unterstützt, ist. (okay, das ist sowieso schon eine politische Frage, die gibts hier aber noch auf einem neuen Level) Am laufenden Band erfahre ich etwas Neues über den Konflikt und ich finde es immer noch so interessant wie am Anfang. Ich glaube, dem Konflikt werde ich mich noch in einer Reportage widmen, denn in zwei Sätzen lässt sich das nicht erklären.
6. Das Wochenendabende im Pub zu verbringen ist hier Kultur und keine Frage des Alters. Zusammen zu Tanzen ebensowenig, und so wird man bei traditioneller irischer Musik dann auch vom angeschwippsten älteren Herr aufgefordert, mit den anderen Pubbesuchern wild herumzuhüpfen oder man bekommt sofort eine Extralektion im Irish Dancing, wunderbar!
7. Dass Heizungen den Raum auch wirklich aufwärmen und Häuser gedämmt sind, ist keine Selbstverständlichkeit, aber dafür gibt es ja Tee, Wärmflaschen und stromfressende Raumheizer. Damit ausgerüstet und mit ein wenig Humor, macht einem der Winter dann auch nicht mehr so viel aus.
8. Musik! Musik, Kunst, Kultur, Theater,... das alles gibt es hier so wunderbar viel, kommt mir zumindest so vor. Livemusik gehört im Pub zum guten Ton, genau wie zahlreiche kleine Gignights, Kunstaustellungen oder Veranstaltungswochen (Human Rights Week, Out To Lunch, Science Festival, Refugee Week,...), es wird einfach nicht langweilig!
9. Als EU Bürger hat man mehr Privilegien, als man manchmal bemerkt: Nachdem meine Mitfreiwillige aus Russland erst 2,5 Monate später als ich nach Belfast kommen konnte, weil es Probleme mit dem Sponsorship of Visa gab, kann sie trotzdem nicht so einfach ins gerade mal 1h entfernte Irland, denn bekanntlich ist Nordirland Teil des Vereinigten Königreiches. Mal sehen, wie wir dieses Problem noch lösen können, sodass ein kleiner Trip nach Irland nicht in Bürokratie endet.
10. Nicht mit anderen EVS Freiwilligen zusammenzuwohnen, hat manchmal schon Nachteile - dafür lernt man aber wesentlich mehr Locals und Studenten kennen, gerade in Belfast als internationale Studentenstadt ist das auf jeden Fall auch sehr spannend!
11. Jugendarbeit ist nicht einfach, wenn überall Fördermittel gekürzt werden (so wie im Moment, denn in Nordirland muss jetzt gespart werden. Und da werden dann vom Bildungsministerium eben Kürzungen, die vollständige Fördertöpfe von 3 Millionen Pfund betreffen, und für Community Youth Work und Community Relations gedacht sind, in Erwägung gezogen. Man darf gespannt sein.) Trotzdem ist es das Erfüllendste überhaupt, wenn man Jugendlichen zeigen kann, was sie alles können, man auf einmal sieht, dass sie stolz auf sich sind und selbstbewusster werden und einen selbst irgendwie ein wenig als Bezugsperson wahrnehmen und sogar über sehr Persönliches reden - und das nach wenigen Wochen oder Monaten. (auch wenn ich das nicht nur hier gelernt habe, trotzdem fand ich das sehr wichtig!)
In diesem Sinne, bis bald - ich versuche, mich jetzt öfter zu melden!