„Thank you Jesus“ – Ein Kirchgang der besonderen Art
Am Wochenende lud uns unsere Koordinatorin ein, einen für sie typischen Gottesdienst zu besuchen. Geblieben ist eine schöne Erinnerung.
Der Jugendclub, in dem ich inzwischen seit fast fünf Wochen arbeite, hängt organisatorisch eng mit einer der vielen Kirchengemeinden Dudleys zusammen. Das liegt daran, dass die englische Regierung seit einigen Jahren kein Geld mehr für Jugendarbeit ausgibt. Folglich ist ein Großteil der heutigen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (zumindest finanziell) der Kirche untergeordnet. So auch in High Oak und hier sogar im wörtlichen Sinn: In dem großen Backsteingebäude, das im Prinzip aus zwei übereinanderliegenden großen Hallen besteht, befindet sich die Kirche oberhalb unseres Jugendzentrums, das neben einer Art Aula zwei Büroräume sowie eine Gemeinschaftsküche umfasst. Von außen ist das Gotteshaus gut getarnt, nur hohe bunte Fenster wie man sie klassischerweise aus Kirchen kennt, verraten aufmerksamen Passanten seine Besonderheit.
Obwohl nur eine Etage über uns gelegen, betrat ich den (natürlich mit Teppich ausgelegten) Kirchraum der „Church Of God Of Prophecy“ am Wochenende erst zum zweiten Mal. Angela, unsere Koordinatorin hatte gefragt, ob wir sie zum Gottesdienst begleiten möchten und wir hatten neugierig zugestimmt. Gegen zwölf in der Kirche angekommen, hörten wir zunächst den beseelt lächelnden, aus dem Kongo stammenden Dekan Charles von Jesu Liebe zu den Menschen sprechen. Für seine flammenden Worte erhielt er ringsum gemurmelte Zustimmung. „Danke Jesus“ – je euphorischer er sprach desto lauter wurden auch die Bestätigungsrufe der Gemeinde: „Gott ist groß, dank sei Gott“.
Hinterher trat der örtliche Pfarrer zusammen mit einer jungen Frau nach vorn und gemeinsam begannen sie, gospelähnlich zu singen. Spätestens jetzt standen alle auf und wippten, klatschten, tanzten und sangen mit. Nachdem Angela lachend versicherte, dass hier niemand irgendwem zuhören würde – „sogar ich singe schief mit“, stimmten wir in die belebende Musik ein.
Neu war für mich dabei auch die Art der Textvermittlung. Denn anders als für mich gewohnt fanden sich hier keine Liedblätter geschweige denn Bücher, nein. Die Texte wurden stattdessen an den oberen Teil der Kirchenwand projiziert. Neben einer leichten Nackenstarre rief das vor allem bei Liedwechseln Verwirrung hervor. Dann passierte es nicht selten, dass der Verantwortliche nicht mit dem Wechsel der Textpassagen hinterherkam oder sogar die Powerpoint Präsentation neu öffnen musste, um den richtigen Text zu finden. Generell war es interessant zu beobachten, wie viele Menschen ihre Tablets (inklusive Bibel-App) dabei hatten und aktiv auf diesen mitschrieben, wann immer bestimmte Psalme oder Absätze genannt wurden. Eine tiefe Auseinandersetzung mit der Bibel scheint in dieser Gemeinde einen ganz zentralen Stellenwert einzunehmen.
Auf das gemeinsame Singen folgte eine Vorstellungsrunde aller anwesenden internationalen Gäste, die von Angela moderiert wurde. Eine Reihe Kinder und Jugendliche begrüßte uns, Dekan Charles sowie das multikulturelle Pfarrersehepaar Ximo und Judy auf Spanisch, Französisch, Deutsch und Rumänisch – hier wird wirklich viel dafür getan, dass sich jeder einzelne willkommen fühlt.
Der aus Spanien stammende Bischoff Ximo (der so überhaupt gar nicht wie ein Bischoff aussieht) und seine deutsch-portugiesisch-amerikanische Frau Judy haben, so konnte man es zumindest aus ihren Geschichten heraushören, bereits die ganze Welt umreist – was sie letztendlich auch nach Dudley führte. Als professionelle Musiker (spanische Gitarre und Querflöte) und leidenschaftliche Missionare haben sie im Laufe der Jahre viele auf Bibelstellen basierende Lieder verfasst. Ein paar dieser wunderbaren Stücke präsentierten sie im Folgenden und versahen sie mit persönlichen Geschichten. Auch die ergreifende Predigt Ximos‘, die an die musikalische Einlage anschloss, gab einen Einblick in das Leben der beiden. Aufbauend auf einem Psalm der besagt, dass Gott alles über jeden einzelnen weiß und man daher nichts vor ihm verbergen kann, berichtete er von seiner schweren Krebserkrankung und der bodenlosen Enttäuschung gegenüber Gott, die er zu dieser Zeit fühlte. Gleichzeitig ermutigte er dazu, mit allem vor Gott zu treten und nichts auszulassen. Ein Gedanke, den es sich ins Gedächtnis zu rufen lohnt.
Nachdem der Gottesdienst vorbei war, kamen alle zu einer geselligen Runde im Jugendzentrum zusammen. Auch hier wurden wir wieder von allen Seiten begrüßt: „Nice to meet you, where are you from? Germany, interesting!“ … Die Liebe der Engländer zum Smalltalk wurde hier ein weiteres Mal sehr deutlich.
Und wer sich jetzt über die Länge dieses Berichts wundert, der doch eigentlich nur einen normalen Sonntagsgottesdienst beschreibt, dem sei verraten, dass bis zum Tee und Kuchen gut zweieinhalb Stunden vergangen waren. Stunden voll positiver Energie und wertvoller Anregungen, die sich so gern wiederholen dürfen.