Tage wie diese – Tag 2
Bilanz:
18 Kilometer
1 Stunde, 40 Minuten
Um sechs Uhr achtundfünfzig klingelte der Wecker, was noch lange nicht heißen soll, dass ich um diese Uhrzeit dann auch aufgestanden bin. Mal wieder schaltete ich den Wecker der Armbanduhr ab. Doch fix wie ich am Vorabend war, habe ich den zweiten Wecker vier Minuten zeitversetzt gestellt. So fand mein Wunsch nach Schlaf recht schnell ein Ende. Um zwei nach sieben klingelte der zweite Zeitmesser und riss mich aus den Träumen. Zum Glück hatte ich am Vortag geduscht, denn jetzt durch das eiskalte Zimmer und den Gang zu schlendern, hätte mir gerade noch gefehlt. Das Waschbecken berührte ich nachts mit den Füßen, so nah war es am Bett gebaut. Dort konnte ich immerhin schon einmal die Zähne putzen. Kleidung wähle ich nach Anlass. Die Denimhose wäre nicht angemessen gewesen. Selbst die Lehrer saßen in Sportkleidung beim Essen. Warum also aus der Reihe tanzen?
Mit locker sitzender Sporthose und Kurzarmhemd ging ich zum Frühstück. Es gab eine gute Auswahl. Kein Fairmont-Standard, aber ich zahlte schließlich auch keine 32 Dollar nur dafür. Lediglich eine Teilnahmegebühr von 90 Kronen pro Tag war geplant. Etwas mehr als drei Euro für Unterkunft im einzeln genutzten Doppelzimmer und Vollpension.
Da ich jetzt immerhin eine ausreichende Auswahl hatte, griff ich zum Naturjoghurt und nahm Schokoladenmüsli dazu. Eine Wohltat war das nicht, aber ich konnte auch nicht weiterhin jeden Tag Krapfen zum Frühstück essen. Gerade da dieser Ausflug ja in einem sportlichen Kontext stand. Filterkaffee gab es nicht. Nicht mal Löslichen Bohnenkaffee. Stattdessen ein vorgemischtes Milch-Kaffee-Gemisch, genannt „Bílá káva“. Gefühlt neun Teile Milch und ein Teil Kaffee. Dazu noch von so einer widerlichen Süße, dass ich es kaum zu trinken vermochte. Eine Zumutung. Jetzt hatte ich mich gerade an den schwarzen Kaffee in Tschechien gewöhnt, schon bekam ich so etwas aufgetischt. Mit Kaffee – beziehungsweise ohne – kann man mich echt auf die Palme bringen. Glücklicherweise war der Rest des Frühstücks in Ordnung. Den Lehrern standen sogar exklusiv Teebeutel zur Verfügung. Einzeln eingeschweißt. Edel. Ich bekam den Mate-Tee, den wollte keiner. Soll gesund sein. Und so schmeckte er auch. Zumindest waren jetzt die Antioxidantien-Speicher wieder voll, nachdem es wochenlang hauptsächlich Ungesundes zu Essen bei mir gab. Nach dem Milchkaffee und dem Tee sprachen wir die Pläne für den Tag an. Er beginne mit einer kurzen Fahrradtour, sagte Jarda, der Sportlehrer. Kurz meint hierbei fast zwei Stunden. Das gefiel mir. Nach der enttäuschenden Trägheit der anderen Freiwilligen war das nun endlich mal ein angemessener Maßstab.
Um acht Uhr hatte das Frühstück begonnen und um neun Uhr wollten wir schon los. Zeit für Pausen blieb nicht. Um neun Uhr standen die Schüler draußen bereit. Es war kalt und nieselte. Perfektes Wetter zum Fahrradfahren. Um meinen ehemaligen Leichtathletik-Übungsleiter zu zitieren (Grüße an dich, Tobi): „Es gibt kein schlechtes Wetter; nur schlechte Kleidung.“ Diesem Motto gemäß zog ich mein Baumwoll-Sporthemd (muss eine besonders Mischung sein, jedenfalls besser als normale Baumwolle) an und zog mir den Flauschüberzieher über. Ursprünglich fürs Skifahren entwickelt. Bei den Temperaturen draußen hätte man noch zwei weitere Schichten überziehen können, doch ist jedem Sportler bekannt, wie schnell es einem warm wird, wenn man erstmal in Bewegung ist. Eine Radlerhose oder eine enganliegende Laufhose habe ich nicht. Stattdessen dient meine Standardsporthose als Beinbekleidung. Diese Hose könnte ebenfalls ihre eigene Geschichte erzählen. Sie war in vier Abiturprüfungen zugegen und schon auf über 2400 m Höhe. Nun war sie in Tschechien, an den immer dicker werdenden Beinchen dieses Autors.
Bewaffnet mit einer Wasserflasche, verließ ich mein Doppelzimmer, in dem es sich übrigens wunderbar schlafen ließ, um nach draußen zu gehen. An der Tür im Regal warteten bereits brav die neu erworbenen Laufschuhe. Kombiniert mit den Meindl-Sportsocken ein wunderbarer Tragekomfort. Vor dem Haus standen die Kinder. Als die Lehrer dazu kamen, ging man gemeinsam zu den Unterständen, in denen die Fahrräder am Vortag eingeschlossen wurden. Alles war noch da. Als Lehrerassistent, was auch immer das für eine Tätigkeit sein soll, genoss ich das Privileg, mein Fahrrad extra zu parken. So war ich einer der ersten, der es hatte. Kleiner aber feiner Vorteil. Wie der Mercedes-Benz S-Klasse Chauffeurservice am Frankfurter Flughafen, den man zum Beispiel als Erste-Klasse-Kunde der Lufthansa bekommt. Braucht keiner, ist aber trotzdem ganz angenehm. Bereits die Fahrräder alle aus dem Unterstand zu schieben dauerte ewig. Dann entstand jedoch ein viel größeres Problem. Ein Fahrrad hatte einen Platten. Muss wohl in der Nacht passiert sein. Also volles Programm: Reifen runter, Schlauch raus, nach Loch suchen, Loch nicht finden, neuen Schlauch auftreiben, wieder unter den Mantel und aufpumpen. Das dauerte in etwa eine Dreiviertelstunde. Genug Zeit, um mit den Kindern erste Konversationen zu starten. Das war unter anderem meine Aufgabe als Freiwilliger. Ich stellte grundlegende Fragen. Wie heißt du? Kannst du Englisch sprechen? Wie geht es dir? Auf Englisch, wohlgemerkt. Keine besonders schwierigen Fragen, möchte man meinen. Leider bekam ich nur von wenigen Kindern eine (englische) Antwort. Tschechisch beherrschten sie alle zweifelsohne, aber Englisch oder gar Deutsch? Keine Chance. Von all den Kindern war nur eine Handvoll imstande, Englisch zu sprechen. An Aufgeben war nicht zu denken. Sonst lernen sie es ja nie. Immerhin konnte ich mein Tschechisch in der Hinsicht verbessern, dass ich anhand der Körpersprache und dem Klang des gesprochenen Wortes nun ungefähr einschätzen konnte, was verlangt wurde.
Die Wartezeit nutzte ich ebenfalls zum Aufpumpen meiner beiden Reifen. Aus Deutschland waren noch 2 bar drin. Das war schon wenig genug. Zudem war das im Hochsommer. Jetzt dürfte der Luftdruck noch niedriger sein. Gut für Abfahrten im Gelände. Auf der Straße jedoch ein Hindernis. Zwischen 3 und 4 bar dürfte der Druck nach dem Aufpumpen betragen haben. Ein Manometer hatte ich nicht. Nur die Daumenprobe. Unter Fahrradenthusiasten verschrien, gibt diese Probe immerhin einen ungefähren Eindruck des Reifeninnendrucks wieder. Dann ging es endlich los. Die ersten Meter waren durchaus unbequem. Während der höhere Luftdruck zwar dem Rollwiderstand entgegen kommt, sorgt er auf unebener Fahrbahn für eine Wackelpartie. Es folgte jedoch alsbald die Straße. Hier lief es super auf den prallen Reifen. Besonders aufregend war der erste Teil der Strecke nicht. Erst in den Dörfern wurde es interessant. Man sah, dass sich die Gemeinden auf den Wintersport spezialisiert hatten. Wir befanden uns im noch niederen Teil des Adlergebirges. Eine wunderschöne Gegend. Auf einem Werbeplakat stand ganz groß: „Ski areál Hartman“. Das Hotel benutzt zu Werbezwecken und in ihrem Schwimmbecken das Kürzel „HH“. Wenn man nicht gerade aus Hamburg kommt, eine in Deutschland ungern gesehene Buchstabenkombination. Zudem ein ungewöhnlich deutscher Name hier im ursprünglichen Teil von Tschechien, wo noch mit Kohle geheizt wird. Der Unimog brachte gerade den Wintervorrat bei einem Haus im Stadtkern vorbei.
Im Sommer ist hier nichts los. Erst im Winter, wenn die Loipengänger kommen, kommt wieder Leben in die Stadt. Einen Ort weiter fanden wir einen Einkaufsladen. Dieser machte an diesem Tag vermutlich Rekordumsatz. Unzählige Schüler, die Süßigkeiten kaufen wollten, stürmten das Gebäude. Ich mittendrin. Die Corny-Riegel waren gerade im Angebot. Statt 16,90 Kč nur noch 11,90 Kč. Und das sogar für die große Variante. Ich nahm den Schokoplätzchen-, Schokolade-Banane-, und Großfrüchtige-Moosbeere-Riegel. Dann wieder zurück zu den Fahrrädern. Da die Pausen immer etwas länger waren, aß ich gleich den ersten Riegel: Schokolade-Banane. Kulinarischer Hochgenuss aus Deutschland. Dann ging es auch schon weiter. Weiter, immer weiter in immer menschenleerere Orte. Es erstaunte mich, nach ewiger Fahrt auf ein einsames Dorf zu stoßen, welches in einen atemberaubenden Duft gehüllt war. Dieser kam aus einem Restaurant rechts der Straße. Scheinbar ein Edelrestaurant, sonst wäre die Fassade nicht so neu gewesen und sonst hätten keine so teuren Autos davor gestanden.
Nach ewiger Landstraßengurgerei gelangten wir endlich auf einen Weg. Es ging anfangs noch recht flach los, wurde dann jedoch steil, zumindest für die Kinder, sodass die meisten von ihnen anfingen, ihr Fahrrad zu schieben. Wer ein bisschen Erfahrung mit Fahrradfahren hat, weiß, dass das die Sache nur noch verschlimmert. Ich blieb konsequent sitzen und fuhr im niedrigsten Gang den Berg hoch. Das war relativ langweilig, aber links und rechts konnte ich stets die Pilzbestände überprüfen. Insgesamt sah es immer noch recht mager aus. Entweder waren mir die Tschechen zuvor gekommen oder es gab wirklich so wenig Niederschlag wie an anderer Stelle behauptet wurde.
Mehrere Male hielten wir gemeinsam in der Gruppe an. Für mich die Möglichkeit, meine Nase zu putzen, die bei dieser Kälte ununterbrochen lief. Die Kinder redeten, teils über Fahrräder, teils über andere Themen, die ich nicht verstand. Die Umgebung wurde im Verlauf der Fahrt immer schöner. Endlich fehlte mir der Vergleich mit Deutschland. Das Adlergebirge sah dann doch etwas anders aus. Unbewaldete Hochflächen mit Wald an deren Ende, wo der Berg wieder abfällt, und eben diese dauerhügelartige Landschaft. Zum Langlaufen muss so etwas super sein.
Auch der höchste Berg hat ein Ende und so erreichten wir nach etwas mehr als einer Stunde den “Gipfel“. Berg runter war es wieder lustig. Ein bisschen fühlte ich mich ans Motorradfahren erinnert. Schnell war es und auch kurvig. Eine schöne Strecke. Doch nach zwei Minuten schon zu Ende. Wir bogen rechts ab und fuhren wieder bergauf. Auf dem Weg in die nächste Stadt entdeckte ich ein Schild mit tschechischer Aufschrift. Ursprünglich erregte es mein Interesse wegen dem unaussprechlichen ersten Wort, das aus vier Konsonanten hintereinander bestand. Petr, der gut Englisch und sogar Deutsch sprach, übersetzte es mir. Das Schild kündigte einen Bunker an. Ganz in der Nähe befindet sich die polnische Grenze. Auf den alten Grenzsteinen stünden noch ein CZ (Tschechien) und ein D (Deutschland). Bis 1945 sei dieser Bereich nämlich deutsch gewesen, erklärte mir Jarda. Hat sich viel getan seitdem. Die nächste Abfahrt stand vor uns. Sie führte wieder in die Stadt mit dem Hotel Hartman. Von dort aus waren es dann nur noch wenige Kilometer bis zu unserer Unterkunft. Endlich waren wir wieder da. Schnell noch die Fahrräder eingeschlossen und rein in die gute Stube. Das Essen wurde gerade ins Zimmer getragen, alles hat super zusammengespielt. Mein Appetit war schon wieder riesig. An diesem Tag gab es Kartoffelbrei mit einer Art gebratener Kasslerfleischwurst und Salat. Ich würde Ihnen gerne genauere Angaben zum Essen machen, doch weiß weder ich, noch offenbar die Lehrer, was es gab. Es schmeckte jedenfalls gut und sättigte. Wie bereits am Vortag grenzte das Mahl an Völlerei. Mit vollem Magen legte ich mich erst einmal in mein Bett und schlief seelenruhig bis 14:30 Uhr. Noch im Halbschlaf, wurde ich von einer Schülerin aus dem Zimmer geholt. Ich solle Sport machen. Schlaftrunken wankte ich zu den Schuhen und streifte mir diese über. David, einer der Lehrer, klärte die Sache für mich auf. Es sei eine ungerade Anzahl von Schülern, deshalb müsse ich teilnehmen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich durch fremde Macht an der Faulheit gehindert werde. Immerhin roste ich auf diese Weise nicht ein.
Wir begannen mit einer seltsamen Variation des Mintonette-Spiels. Ohne die Regeln zu kennen, machte ich einfach ein paar verschiedene Aufschläge und Spielzüge. Scheinbar in Ordnung. In Fahrt kommen wollte das Spiel jedoch nie. Die Motivation der Anderen war nicht sonderlich hoch. Nachdem wir hoch gewonnen hatten, machten wir weiter mit einer Art Korbwerfen, jedoch mit vielerlei neuen Regeln, die mir selbstverständlich ebenfalls keiner erklärt hatte. Ich traf jedenfalls ein paar mal und hatte mit meiner Körpergröße immerhin von Grund auf einen Vorteil. Nach dem Spiel machten wir mit der Wurfscheibe weiter.
Darum also das Hotel im Nachbarort. Jarda erklärte die Regeln freundlicherweise auf Englisch. Am Ende verstand dreimal die Hälfte der Kinder nichts, aber immerhin konnte ich diesmal regelkonform spielen. Wir gewannen dieses Spiel acht zu drei. Als letzter Programmpunkt stand dann Tischtennis auf dem Plan. Allerdings eine Abwandlung dessen. Es spielten zwei Mannschaften mit jeweils vier Spielern gegeneinander. Wer einen erfolgreichen Ball gespielt hat, der darf gegen den Uhrzeigersinn rotieren. Bis in die zweite und dritte Runde schaffte ich es, dann war Schluss. Gutes Mittelfeld genügt mir beim Tischtennis. Ich war richtig erleichtert, als ich hörte, dass das Sporttreiben vorbei war, bis Jarda sagte, dass das nur die Pause sei. Gut, dann also wieder rein in die dreckigen Sportschuhe und weiter geht's. Wir durften uns diesmal aussuchen, was wir spielen wollten. Anfangs probierten wir Federball mit zwei jenseits unmotivierten Gegnern, dann wechselten wir jedoch auf das Sandfeld fürs Mintonette-Spiel. Nach einigen Minuten zeigte sich wieder eine Dominanz unsererseits, weshalb wir das Spiel frühzeitig beendeten und lieber zusammen Sprachen lernten. Ich versuchte, den Kindern Deutsch beizubringen, während sie mir irgendwelche tschechischen Wörter an den Kopf warfen, von denen sie die englischen Übersetzungen wussten. Das war aufschlussreich, da die Kinder ein großes Interesse an der fremden Sprache und Person zeigten. Sie hatten auch einige Fragen zu Deutschland an sich. Ein Mädchen fragte, ob ich den Film „Fack ju Göhte!“ kennen würde. Es sei ihr Lieblingsfilm. Es liegt eine tragische Paradoxie, vielleicht aber auch traurige Wahrheit darin, dass Deutschlands Beitrag zur Weltkultur ausgerechnet durch dieses Dekadenzkonzentrat nach außen hin repräsentiert wird. Man ist froh, den anspruchslosen Plebs unterhalten zu können, überreitet ihn jedoch auf hohem Rosse, sollte es nötig sein.
Wenn ich anfing, Deutsch zu sprechen, reagierten sie verdutzt bis amüsiert. Scheinbar klingt unsere Sprache für fremde Ohren seltsam. Die Kinder brachten mir ein paar tschechische Schimpfwörter bei, wie das eigentlich immer ist, wenn man zum ersten Mal mit einer neuen Sprache konfrontiert wird. In jedem Falle war das produktiver als weiterhin Aufschläge am laufenden Band zu machen. Nach einer Weile pfiff die Lehrerin und wir konnten endlich hinein. Wieder waren wir eben fertig, als das Essen hereingetragen wurde. Zuerst gab es eine Nudelsuppe. Schmackhaft sowie gut zum Aufwärmen nach dem Sport in der eiskalt-windigen Außenwelt. Der Hauptgang bestand aus einem Nudelauflauf, Bratkartoffeln, gekochten Wurstscheiben und wieder einmal Salat. Von allem etwas, nur es diesmal nicht übertreiben, denn es gab ja auch noch Nachtisch. Vom Nudelauflauf holte ich mir nochmal einen Teller, dann war die Nachspeise dran. Dessertcreme mit süßem Brot oben drauf. Davon gab es gleich drei Schöpfkellen für mich. Der Geschmack war gut. Eine gerade richtig gekommene Belohnung nach diesem doch recht sportlichen Tag. Nach dem Abendessen kam meine Tschechischlehrerin und gleichzeitig Davids Frau Petra in Begleitung ihrer drei Kinder vorbei. Wir sprachen über meinen ersten Tag in Plhov, frischen Wein, den sie mitgebracht hatte, den ich, wie sie feststellen musste, jedoch nicht trinken werde, und die Fahrradreise. Ob ich denn schon viel Tschechisch gelernt hätte, wollte sie wissen. Bis auf ein paar neue Vokabeln, die zudem zum großen Teil Beleidigungen waren, gab es da tatsächlich kaum etwas. Die Wiederholung der Fragen nach der eigenen Person durch ihre achtjährige Tochter war jedenfalls ganz gut als Auffrischung. Jetzt konnte ich immerhin wieder sagen, wie ich heiße, wie alt ich bin und woher ich komme.
Direkt ans Abendessen angeschlossen war ein Spieleabend. Wer mich kennt, weiß, dass ich Gesellschaftsspiele verabscheue. Bereits als Kind nicht imstande, eine Partie fertigzuspielen, bin ich es jetzt mit achtzehn Jahren immer noch oder erst recht nicht. Wir spielten ein Spiel, bei dem man fünf Symbole in einer Reihe haben musste. Wie Vier Gewinnt, nur in der Horizontalen und mit fünf. An den Regeln scheiterte es nicht. Stattdessen scheint es meine lebenslange Spieleabstinenz in Verbindung mit Langeweile und mangelnder Konzentration gewesen zu sein, die zu diesem katastrophalen Ergebnis geführt haben. Ein Spiel von sieben konnte ich für mich entscheiden. Die restlichen Partien habe ich verloren. Selten bin ich mir dümmer vorgekommen. Ich, mit meinem Zettel in der Hand, auf dem Abitur steht, und auf der anderen Seite die Kinder, die nicht einmal eine Fremdsprache sprechen, mich aber durch die Reihe abziehen.
Bloß, um am Ende dieser totalen Blamage zu erliegen. Dass der Tag so enden muss, ist schade. Erst in vielen Stunden werde ich wieder einer Beschäftigung nachgehen können, in welcher ich nicht in so hohem Maße versage wie bei dieser Denksportaufgabe. Am Abend war dann die lang ersehnte Dusche das erlösende Ritual nach diesem sportlich einwandfreien, geistig jedoch fraglich-miserablen Tag.