Sziasztok!
Mit viel Vorfreude und großer Neugier ging es für mich im November nach Veszprém, Ungarn. Ich bin dankbar, dass ich hier einen 12-monatigen Aufenthalt genießen darf. Eine äußerst komplexe Sprache, ein neues Arbeitsfeld und der Anfang von bedeutsamen Freundschaften - das alles erwartete mich schon in den ersten Tagen.
Nach knapp 8 Wochen finde ich erstmals die Zeit, um euch ein paar Zeilen hier aus meinem Leben in Veszprém mitzuteilen. Für mich eine sehr gute Gelegenheit die letzten Wochen nochmals Revue passieren zu lassen, da die Zeit so schnell vorüberging.
Nach meinem recht spontanen Entschluss, einen europäischen Freiwilligendienst absolvieren zu wollen, hatte ich das Projekt "Change your mind" glücklicherweise schnell gefunden. Wenige Tage später wurde der Flug gebucht. Zum Abschied hielten meine Freunde eine Überraschungsfeier für mich bereit – danke nochmal dafür!
Plötzlich stand ich dann auch schon mit einem Koffer bepackt in Budapest, dort wechselten meine Gefühle schlagartig von Gelassenheit zu hoher Nervosität, ausgelöst von der Frage, was mich wohl gleich erwartet, in welcher Stadt und in welcher Gruppe ich die nächsten 12 Monate verbringen werde.
Die Fahrt von Budapest nach Veszprém verlief für meine Verhältnisse erstaunlich organisiert und ohne Komplikationen. Zweieinhalb Stunden saß ich neugierig in einem Fernbus, der mich von Ungarns Hauptstadt nach Veszprém fuhr, ich konnte es kaum erwarten. Auch in Veszprém erwartete man mich schon – mit offenen Armen und großer Herzlichkeit wurde ich von Emese, meinem Supervisor, und Adi, einem anderen Freiwilligen in Empfang genommen. Ich fühlte mich direkt wohl und hatte das Gefühl angekommen zu sein. Danke.
Weiter ging es dann letztendlich zu einem kleinen Häusschen, in dem ich mit zwei anderen Mädels, Franzi und Nele, wohne, lebe, lache, schlafe und esse (das Wichtigste kommt stets zum Schluss). Nele und Franzi sind auch Freiwillige aus der gleichen Organisation, wie ich. Wir haben uns direkt super verstanden. Auch wurde mir schon gesagt, dass unsere Beziehung symbiotisch sei. Symbiose hin oder her, ich bin jedenfalls froh, dass es die zwei gibt.
Zurück zum Haus. Es ist wunderschön (und) alt. Zudem ist es für ungarische Verhältnisse auch sehr gut ausgestattet. Es ist zwar etwas klein, aber dafür sehr gemütlich, auch wenn den alten hölzernen Türen und Fenstern so manche Isolierung fehlt und die ein oder andere Gasheizung mal ausfällt. Da steigt die Freude auf die wärmeren Monate, vor allem auch, weil wir einen sehr schönen großen Garten haben und sogar eine gemütliche Hängematte auf der Terrasse. Unmittelbar hinter unserem Grundstück befindet sich ein sehr idyllischer Park und ein kleiner Berg, welche zu mancher sportlichen Aktivität einladen. Also mit der Lage hier hätte es nicht besser sein können, direkt am Stadtrand, sehr ruhig – perfekt um sich nach einem anstrengenden Arbeitstag ein wenig zurückziehen zu können.
Die Arbeit
Zuvor hätte ich mir niemals vorstellen können in einem Kindergarten zu arbeiten. Kinder weinen, meistens ohne Grund, sie sind trotzig, schreien, sind laut – eine sehr reizende Beschäftigung. Nun kann ich sagen, dass jeder Tag in meiner Gruppe im Kindergarten ein Geschenk ist. Kinder sind ehrlich, sind neugierig, auch auf die kleinen Dinge, die uns Erwachsenen nicht auffallen würden, sie begeistern sich für vieles, lachen von Herzen, haben keine Vorurteile, genießen das jetzt. Wir Erwachsene dagegen weinen auch mal grundlos, sind trotzig und können anstrengend sein – aber wer kann schon von sich behaupten, stets ehrlich und vorurteilslos zu sein, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen und zufrieden zu sein, mit dem was man hat. Es ist erstaunlich, wie viel man von diesen kleinen Wundern lernen kann.
Abgesehen davon tut es auch mal gut seinen Kopf auszuschalten und wieder ein Kind zu sein, dass in einer Spielküche etliche Gerichte zubereitet (ohne danach spülen zu müssen), bei „Halligalli“ einfach mal alle Regeln vergessen darf und Fantasiebilder malt. Aber nicht nur ein Spielkamerad stell ich für die Kinder dar, ich habe auch die Aufgabe, den Kindern die deutsche Sprache etwas näher zu bringen. Meine Gruppe ist nämlich eine deutsch-ungarische, d.h. dass die Eltern der Kinder zum Teil deutsche Wurzeln haben oder selbst aus Deutschland kommen. Das Vokabular der Kinder umfasst lediglich nur ein paar Basics wie „ja“, „nein“ und die Zahlen von 1-10, ein paar ältere Kinder (6 Jahre) verstehen auch einige Sätze und können kurze Antworten geben. Ihr könnt euch vorstellen, dass die Kommunikation dementsprechend recht schwierig ist. Aber so wie die Kinder von mir deutsch lernen, lerne ich von ihnen ungarisch. Allerdings spielt Sprache beim Spielen und Spaß haben keine große Rolle, wie ich tagtäglich erleben darf.
Aber Ungarisch zu lernen macht mir meistens Spaß, auch wenn sie zu den komplexesten Sprachen Europas gehört. Dazu bekommen wir sogar einmal in der Woche einen eineinhalb stündigen Privatunterricht mit vielen Hausaufgaben für danach. Die Grammatik ist recht schwer und die Aussprache der ungewohnt. Gewöhnen muss ich mich noch sehr an die ungarischen Namen wie „Balázs“(wörtlich: Bolasch – das „a“ ohne Akzent wird im ungarischen wie ein „a“ in „what“ im englischen ausgesprochen), „Zsuszi“(wörtlich: Schuschi) oder „Tamás“(wörtlich:Tomasch). Meine Erzieherinnen aus meiner Gruppe, Katalin (Kati) und Györgyi können sehr gut deutsch sprechen, das ist „jó“ (ung. für „gut“), denn so können sie mir die Gespräche der Kinder übersetzen, wenn ich mal nicht verstehe, was sie mir sagen wollen. Grundsätzlich hätte ich nicht gedacht, dass ich hier so viel Deutsch sprechen werde. Anstatt dass ich mein Englisch weiter ausbaue, perfektioniere ich allmählich meine Muttersprache, da meine Erzieherinnen sehr lernbegeistert sind, was die deutsche Sprache betrifft. Bei den Kindern ist das nicht immer der Fall.
Interessant ist vor allem, wie die Kinder darauf reagieren, dass ich nicht ungarisch spreche. Manche vergessen es gerne und unterhalten mich dann teilweise minutenlang auf ungarisch, Andere versuchen mir Sachgegenstände durch einfache Wörter und Zeichensprache näher zu bringen. Leider gibt es auch eine, die sich fürchtet, wenn sie etwas hört, was nicht ungarisch ist und sie demnach nicht versteht. Aber das wird auch allmählich besser. Sehr beeindruckend finde ich die vielen Aktivitäten, die den Kindern im Kindergarten wöchentlich angeboten werden, wie z.B. Eislaufen, Schwimmen gehen, Turnen, Fussball, und und und. Es macht viel Spaß, den Kindern dabei zuzusehen und teilweise selbst mitzumachen.
Nach diesen auspowernden Tagesprogrammen wird dann zu Mittag gegessen. Das Essen hier ist teilweise sehr anders als in Deutschland. Während in Deutschland wohl „Spaghetti Napoli“ das Lieblingsgericht der Kinder ist, wird hier „Couscous mit Johannisbeerensoße und Trockenfleisch“ von den Kleinen gerne gegessen (das Trockenfleisch erinnert optisch an Fischfutter oder an Instant-Eistee). Allgemein Pasta gibt es im Kindergarten aber auch häufig, nur dann werden die Spaghetti mit Mohn und Zucker serviert oder einfach nur mit Sauerrahm. Vor jeder Hauptspeise wird allerdings zuerst eine Suppe gegessen (mein absoluter „Favorit“: Fruchtsuppe, eine warme lilabraune Beerensuppe mit vielen Stückchen). Franzi und Nele hingegen „lieben“ das Sauerampfer-Gemüse.
Zum selbst Kochen kommen wir allerdings nur am Wochenende, da uns unter der Woche die nötige Zeit und Motivation fehlt. Die Lebensmittel sind hier durchaus billiger als in Deutschland, bezahlt wird in Forint (~310ft=1€). Für einen halben Liter Bier bezahlt man gerade mal 199ft.
Auch die Reisekosten sind sehr gering, demnach können wir recht oft nach Budapest fahren, um uns dort die beeindruckenden Sehenswürdigkeiten und die schöne Stadt anzusehen. Die Hauptstadt bietet sich auch als guter Treffpunkt an, sich mit anderen Freiwilligen zu verabreden. Abends kann man dort zusammen auch ganz gut feiern, wie wir schon feststellen durften. Gute Schlafmöglichkeiten sind Hostels, die genau wie Reise- oder Lebensmittelkosten immens billig sind. Auch eine gute Möglichkeit neue Leute kennenzulernen. Eine Sache von vielen, die mir hier so unendlich viel Spaß macht. Oft neue inspirierende Menschen kennenzulernen, die das Leben lieben.
In den 61 Tagen, seit ich hier bin, könnte ich euch 61 verschiedene Erlebnisse erzählen, denn jeder Tag hier ist anders. Man erlebt viel, macht ständig neue Erfahrungen. Einfach unbezahlbar.
Aber ich denke, das reicht fürs erste…
Dann bis Bald, euer Ei
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