Stadt der toten Katzen
Ein paar Dinge die Nikosia, wie ich es kennenlerne, auszeichnen. Vielleicht klingt es negativer, als ich es wirklich empfinde, aber ich hoffe es unterhält.
Das Gefühl des Tages ist heute das Zusammenspiel aus der warmen Luft und dem Fahrtwind Berg runter in die alte Nachbarschaft, in der das Zentrum liegt, die meine Haare angenehm wehen und trocknen lässt, ehe ich bei der Arbeit angekommen bin.
Die Temperaturen, die hier in den letzten Tagen erreicht werden, reichen mir vollkommen aus. Für mich als Norddeutsche ist das mittlerweile schon Sommer und auf die prophezeiten 40°C in demselben kann ich gerne verzichten.
Abgesehen von meinem persönlichen Wohlbefinden bringt dieses warme Wetter allerdings auch noch Unannehmlichkeiten mit sich. Jetzt riecht man die toten Katzen am Straßenrand bevor man sie sieht. Sehr unschön. Die Kombination „viele Autos + viele Katzen“ ist natürlich prädestiniert den Anblick plattgewalzter Kadaver in verschiedensten Fellfarben zu einem alltäglichen zu machen. Wer mich kennt, weiß dass ich Katzen nicht besonders mag, aber das haben sie nicht verdient.
Genauso wie auf diesen Anblick könnte ich derzeit auch gerne auf die Baustelle vor meinem Balkon verzichten. In der aktuellen Bauphase hat sich der Lärm der Maschinen nochmals gesteigert und die Arbeitszeiten der Bauarbeiter, die bei dem schönen Wetter jetzt natürlich allesamt oben ohne am Schaffen sind, was bei den meisten allerdings kein Bild ist, welches meinen Ausblick vom Balkon verschönert. Wie auch immer. Ihre Arbeitszeiten sind jedoch in letzter Zeit höchst abstrus. Normalerweise geht es immer um 6.30 Uhr los und endet so gegen 16 Uhr. Letzten Freitag wurde zum Beispiel jedoch eine Nachtschicht eingelegt. Als ich um 23 Uhr das Badezimmer betrat um Zähne zu putzen, nahm ich erst den für diese Uhrzeit ungewöhnlich hellen Lichtschein wahr, der von draußen durch das Fenster schien. Das anschwellende Gedröhn der Maschinen ließ meine Verwirrung dann in Ungläubigkeit umschlagen. Zum Glück bin ich sehr gut im Schlafen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es mir trotz Scheinwerferlicht in meinem Zimmer, permanentem Gehupe und leicht wackelndem Bett Schlaf zu finden. Am nächsten Morgen konnte meine Mitbewohnerin Natacha berichten, dass auch als sie um 4 Uhr morgens endlich eingeschlafen war immer noch vor unserem Haus gearbeitet wurde.
Die Leute hier sind wirklich verrückt, auf ihre ganz eigene zypriotische Art und Weise. Mehr Autos als Leute in einer Familie ist normal. Irgendwo zu Fuß hinzugehen ist dementsprechend absolut unnormal. Bauarbeiten mitten in der Nacht? Kann man machen. Heizkostenrechnungen in Höhe von 1600€? Kommt vor.
Ja, die Heizkostenrechung... Die wird uns vermutlich noch bin zum Ende des Freiwilligendienstes verfolgen. Wem auch immer wir davon erzählen, wir ernten nur ungläubige Blicke. Wie kann das sein? Was habt ihr gemacht? Wer bezahlt das jetzt? Das sind alles gute Fragen, auf die wir leider auch nicht wirklich Antworten haben. Wir können vermuten, dass die schlechte Isolierung des Hauses und unsere mangelnde Vorsicht bei der Einstellung der Heiztemperatur und natürlich dieser außerordentlich unzypriotische Winter verantwortlich sind. Und wir können hoffen, dass wir einen Weg finden die restlichen 800€ zu bezahlen, ebenso die anfallenden Nebenkosten für Wasser und Strom, die wir nun auch selbst tragen müssen, nachdem unsere Organisation durch Übernahme der Hälfte der Heizkosten ihr Budget für uns Freiwillige mehr als ausgeschöpft hat.
Da kam uns der Wettbewerb hier auf youthreporter.eu zum Thema „EVS – Killed time or filled time?“ denkbar gelegen. Der Plan war, dass wir alle drei einen Beitrag ins Rennen schicken, letztendlich haben wir einen Text von mir und ein Video von Natacha. Also, Leute, falls ihr es noch nicht getan habt, stimmt ab!
Ende letzten Monats standen wir dann das erste Mal vor der Herausforderung die Strom- und Wasserrechnung selbst zu bezahlen. Das hat sich hier als auch nicht so einfach herausgestellt. Die Stromrechnung konnte ich wie die Internetrechnung auch glücklicherweise online über eine dafür ausgelegte Seite bezahlen. Die Wasserwerke bieten diesen Service jedoch nicht an. Nachdem auch die Hotline versagt hat, hat unsere Arbeitskollegin uns dann erklärt, dass es zwei Möglichkeiten gibt: entweder wir gehen zu unserer Bank an den Schalter zum Bezahlen oder wir müssen direkt zu den Wasserwerken selbst gehen und es dort vor Ort abwickeln. Unglaublich aber wahr, man kann Rechnungen hier nicht an Bankautomaten bezahlen. An Bankautomaten kann man nur Geld abheben und Kontoauszüge holen. Wieso machen die Zyprioten es so kompliziert? Wir haben uns dann für die weniger umständliche Variante am Bankschalter entschieden und dafür die Gebühr in Höhe von einem Euro in Kauf genommen.
Letztes Wochenende wurde der Jahrestag des Tages, an dem die Zyprioten sich erstmals gegen die englische Besatzung gewehrt haben, gefeiert. Wir wurden von Elisa, einer anderen Freiwilligen, ins Bergdorf Agros eingeladen, wo zu der Zeit auch gerade andere internationale Leute zur Vorbereitung eines anstehenden Jugendaustausches zu Gast waren.
Ich habe vorhin vergessen die Paradedisziplin der Zyprioten im Verrücktsein zu erwähnen: den Fahrstil. Und ich kann nun behaupten der Meisterin in dieser Disziplin begegnet zu sein. Unglücklicherweise saß ich dabei in ihrem Auto. Es handelt sich um die Mentorin einer neuen Freiwilligen in Nikosia, die sich netterweise bereit erklärt hatte uns nach Agros zu fahren, doch schon nach wenigen Minuten beschlich mich der Gedanke, dass wir im Bus vielleicht besser aufgehoben gewesen wären... Die rechte verbundene (!) Hand am Lenkrad, die linke überall anders im Auto, meistens einen Frappe haltend, ab und zu das Handy. Permanent am Reden, gerne auch mit Blickrichtung auf die Rückbank. Die Lenkbewegungen wurden ruckartig ausgeführt und bewegten uns vor allem in dem letzten Teil der Reise, den Serpentinen des Gebirges, immer mal wieder auf die Gegenfahrbahn. Wir drei Mitfahrer wurden immer stummer, wahrscheinlich, wie ich, alle voller Anspannung hoffend, dass jetzt nur bitte niemand uns entgegen um die nächste Kurve kommt. Als schien sie sich ihrer Fahrweise bewusst, hatte sie uns vor Antritt der Fahrt gefragt, ob jemand eine Tablette gegen Übelkeit möchte; wir hatten lachend abgelehnt, verspürten letztendlich aber doch allesamt ein ungutes Gefühl in der Magengegend, auf dem Beifahrersitz war es fast so weit.
Die Erleichterung nach der Ankunft war auf jeden groß, auch angesichts der Tatsache, dass wir am nächsten Tag eine andere Mitfahrgelegenheit zurück nach Nikosia haben würden. Und so konnten wir den Abend in netter Gesellschaft, mit Fackelmarsch, großem Lagerfeuer und Grillparty mit reichlich Alkohol dann entspannt genießen.
Ansonsten ist hier auf der Insel derzeit alles ganz vergnüglich. Das kalte Wetter scheint endgültig vorbei und die Blumen sprießen überall und in allen möglichen Farben. Die Arbeit ist entspannt und meine Freizeit verbringe ich mit netten Leuten.
Und das Beste: Jetzt stehen erst einmal zwei Wochen Urlaub mit meinen Eltern an, die herkommen, um sich mal anzuschauen, wo und wie ich hier so lebe. Ich werde berichten.
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