Sprache – wichtig, oft selbstverständlich, aber manchmal auch Barriere
Wie wichtig unsere Sprache ist und was man bemerkt, wenn man in einem Land plötzlich diejenige ist, die die Sprache nicht spricht
Für jeden ist absolut klar, was das ist: Sprache. Und doch fällt es wahnsinnig schwer, das Wort Sprache zu definieren. Die Sprache ist irgendwie immer auch etwas Abstraktes, etwas Bewegliches – Sprache lebt. Sie ist formbar, sie verändert sich, sie geht mit der Zeit, sie passt sich an. Sie hat viele Facetten, sie definiert die Person, die sie benutzt. Vor allem aber ist sie das Hilfsmittel, um unsere Gedanken und Gefühle auszudrücken, Sprache verbindet, sie ist die Grundlage menschlicher Kommunikation, die Grundlage jeglicher Diskussion und Konversation.
Die eigene Sprache ist etwas, was einem „in die Wiege gelegt wird“, etwas, dass man von klein auf lernt, etwas das immer da ist. Allein deshalb ist sie für uns alle so selbstverständlich. Es ist keine Herausforderung, sie zu benutzen, Sprache ist alltäglich. Wie wichtig die Sprache tatsächlich ist, lernt man erst, wenn sie einem nichts mehr nützt. Wenn man an dem Punkt ankommt, wo die Brücke zur unüberwindbaren Mauer wird.
Es ist schwer, ein solches Gefühl zu erklären, aber in dem Moment, in dem man in einem Land ist, in dem man die Sprache nicht oder nur kaum beherrscht, werden selbst alltägliche Situationen anstrengend und wert, sie zu umgehen. Der Sprachverlust ist dann besonders unangenehm, wenn man in der zu erlernenden Sprache auch nach wochen- und monate- eventuell sogar nach jahrelangen Sprachkursen und Sprachgebrauch kaum über ein gewisses Grundniveau hinauskommt. Wenn man sich immer nur mit einfachen Ausdrücken wie „Szia!“ (Hallo!), „Köszönöm“ (Danke), „Bocsánat nem ertem“ (Entschuldigung, aber ich verstehe Sie / das nicht), „Német önkéntes vagyok. Csak egy kicsit magyarul beszélek“ (Ich bin eine deutsche Freiwillige. Ich spreche nur ein kleines bisschen Ungarisch.) etc. über Wasser hält, obwohl man vielleicht zwei, drei andere Sprachen fließend spricht.
Aber in dem Moment, in dem man in der Apotheke von der Verkäuferin gefragt wird, ob man denn die Medizin für Kinder oder Erwachsene braucht und man nicht einmal eine so einfache Frage versteht, realisiert man, wie verloren man ohne diese eine Sprache ist.
Die Sprachbarriere ist der Punkt, an dem man nichts versteht und auch von anderen nicht verstanden wird. Sie hat zur Folge, dass man sich nicht verteidigen kann. Egal, ob man während des Einkaufens die Milch vergessen hat und dann wieder rein muss und am Schluss dazu verpflichtet ist, die Cornflakes doppelt zu bezahlen, weil sich die Verkäuferin anscheinend nicht erinnert, dass man genau diese Packung Cornflakes vor zwei Minuten erst bei ihr bezahlt hat. Und dann druckst man herum und wirkt eventuell unfreundlich, weil man augenscheinlich nicht versteht, dass man die Cornflakes, die man gerade kauft, auch bezahlen muss, obwohl das für die Verkäuferin selbstverständlich ist… Und eigentlich wäre es so einfach zu sagen: „Ohje, ich habe die Milch vergessen, kann ich die Cornflakes kurz hier abstellen und nochmal reingehen? Ich bin in einer Minute wieder hier an der Kasse.“ … Zumindest in der eigenen Sprache.
Natürlich ist das ein witziges Beispiel und außerdem kommt man auch mit Händen und Füßen meist relativ weit. Allerdings bleibt man als Freiwillige dann meist auch im Kreis der eigenen Organisation und der anderen Freiwilligen im Land. Der Kontakt zu den restlichen Dorfbewohnern oder zu jungen Leuten ist ohne Übersetzer meist schwierig. Gerade deshalb ist es in Ungarn auch so kompliziert, die Meinungen mancher Menschen zu ändern. Wenn man die Sprache gut beherrschen würde und in der Lege wäre, sich mit ihnen auf demselben Niveau zu unterhalten, dann würde das die Situation sehr stark vereinfachen und positiv beeinflussen.
Demnach hat die Sprache eine unfassbare Macht. Sie verbindet, schafft aber auch Distanz und grenzt ab. Wie hilflos und unverstanden man sich manchmal fühlt, wenn man die Sprache des Landes und fast aller um einen herum nicht versteht, kann man nur nachvollziehen, wenn man selbst in dieser Situation war. Jedoch ist es ein Perspektivwechsel, der offener macht für Fremde im eigenen Land. Man lernt, dass es falsch ist, jemanden auf das Nichtkönnen zu reduzieren, sondern vielmehr, dass es wichtig ist, jemandem „aus dem Nichtkönnen heraus zu helfen“ und ihm eine bessere Startposition zu verschaffen, ihm die ersten Grundlagen beizubringen, gemäß dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe. Die Alternative ist schlichtweg Isolation.