Solidarität
Solidarität im Sinne einer Gruppe gegenüber und einem selbst.
Solidarität – ein Begriff, so oft zitiert und genannt und doch so selten gelebt. Warum eigentlich? Vielleicht aus dem einfachen Grund, weil eine Handlung im Namen der Solidarität Konsequenzen nach sich ziehen wird. Und das leider natürlich nicht immer angenehme, sonst würden doch viel mehr solidarisch sein. Oder?
Solidarität setzt sich für mich daraus zusammen, sich jemandem zugehörig zu fühlen aufgrund irgendeiner Gemeinsamkeit, sei sie noch so gering und auch bereit sein dies zu zeigen. Denn bloßes Gefühl hilft wenig in solchen Momenten. Aber wie kann man seine Solidarität bekunden in irgendeinem Moment? Wir nehmen ein ganz banales Beispiel. Eine Klasse, bestehend aus 30 Schülern und Schülerinnen – ein heißes Thema wird diskutiert, bei dem eigentlich kein Richtig und kein Falsch herrscht. Nehmen wir als Thema „Das Werk ‚Der Steppenwolf‘ von Hermann Hesse ist das am schwersten verständliche Buch in der Oberstufe.“ Jetzt sagen 10 Schüler, diese Aussage stimmt – ihre eigene Meinung und somit in Ordnung. Zehn weitere passen sich dieser Aussage an aus Bequemlichkeit – nun, gut. Es ist ihre Entscheidung. Und die restlichen zehn? Eigentlich finden viele davon, dass diese Aussage nicht stimmt. Aber sich gegen 20 aus der Klasse stellen?
Am Ende stehen 28 auf der einen und 2 auf der anderen Seite. Doch was, wenn einer davon dafür schikaniert wird, dass er sagt diese Aussage stimmt nicht? Die 28 Schüler verdrehen die Augen, schütteln lachend den Kopf und beginnen ihn zu beschimpfen, dass doch so ein Streber und Hobbyloser sowieso nichts Besseres zu tun hätte als solche Bücher zu lesen und zu verstehen? Die Spannung steigt im Raum als die zweite Person aufsteht. „Ich sehe das genauso wie er.“ Nun herrscht verdutzte Stille und man hebt vereinzelt die Augenbrauen. „Und? Wollt ihr jetzt ebenfalls über mich herfallen?“, fährt die Person fort und zuckt mit den Achseln. „Ich weiß, vielen von euch ging es ähnlich, aber ihr seid zu feige dazu zu stehen.“ Stille, man wirft sich fragende Blicke zu, die Lehrerin unterdrückt die Diskussion und löst auf, bevor es zum Eklat kommen kann.
Doch Solidarität ist noch so viel mehr als bloßes Zusammenhalten zwischen Menschen. Ich empfinde Solidarität, wenn ich zu dem stehen kann und auch stehe was mich eigentlich ausmacht. Ich muss Eigensolidarität empfinden können bevor ich anderen gegenüber solidarisch sein kann. Ich bringe niemandem irgendwas, wenn ich meine eigenen Werte, Meinungen und anderes über Bord werfe aber dann mich vor jemanden stelle und sage: „Das ist so.“ Und Eigensolidarität wird nicht in der Außenwelt geboren, im Gegenteil – es ist etwas, das von innen heraus kommen muss sonst wird das nichts. Woher weiß ich sonst, woran ich festhalten soll und was eigentlich nichtig ist? Woher weiß ich, dass meine Solidarität ihm zu bekunden ist aber nicht jemand anderem?
Solidarität ist nichts, was einfach so mal eben erscheint, es entsteht aus einem Prozess heraus, der in unserem Inneren beginnen sollte idealerweise und dann nach außen hin verlagert wird. Genauso wenig ist es etwas, was einmalig ist und dann wieder verschwindet. Im Optimalfall sollte das beibehalten werden – nur so kann die Verbreitung von Hass und Hetze und Ähnlichem verhindert werden.
Warum schreibe ich von Eigensolidarität als Grundlage von Solidarität? Weil ich weiß, wie es ist, wenn niemand solidarisch zu einem steht, sondern sich lieber von etwas anderem überzeugen lässt, um bloß nicht ausgegrenzt zu werden oder Schlimmeres. Darum habe ich auch die Eier dazu, für jemanden einzustehen. Auch wenn er niemals für mich einstand oder einstehen wird. Solidarität ist wie eine Einbahnstraße, wenn man Pech hat. Man fährt und fährt und irgendwann merkt man: Mir kommt niemand entgegen. Und wir sollten eigentlich versuchen viel bewusster damit umzugehen, um daraus eine mehrspurige Straße zu machen. Und vielleicht ist der erste Schritt dafür, erst einmal die Einbahnstraße zu befahren, um überhaupt zu erkennen können wo man die zweite Spur ausbauen könnte und anderen klar zu machen, dass da noch was zu machen ist.