Schöne Weihnachten!
Estnische Konzertsitten, die östlichste Stadt der EU, neue Arbeitszeiten – bei dielene hat sich in den letzten Wochen allerlei zugetragen.
Auweia, ich bin gerade richtig erschrocken, als ich sah, wann ich das letzte Mal was geschrieben habe! Ist ja ewig her! Und in der Zwischenzeit hat sich doch einiges ereignet; zwar nichts Weltbewegendes, aber es war doch eine schöne Zeit, die superschnell vergangen ist!
Unter der Woche in Sillamäe ist es zwar noch immer nicht besonders spannend, aber da jetzt wenigstens am Wochenende immer was los ist, ist das gar nicht so schlimm. Und ich würde sagen, dass ich mich mittlerweile richtig wohl fühle hier.
Ich weiß nicht, was ich den ganzen lieben langen Tag lang mache, aber irgendwie gehen die Tage immer viel schneller zu Ende, als ich das gerne hätte!
Also, was hab ich denn in den letzten Wochen so alles gemacht? Da war (Mann, ist das lange her!) die ziemlich geniale Freiwilligenfete in Imastu, zu der fast alle Freiwilligen, die gerade in Estland sind, kamen; außerdem noch ein paar Erasmusstudenten und es waren, glaube ich, so ziemlich alle europäischen Länder vertreten.
Dann habe ich meinen ersten Besuch aus Deutschland empfangen: Mein Freund Simon hat mich zehn Tage besucht und wir haben eine sehr schöne Zeit zusammen verbracht. Wir waren in Tallinn, Tartu, Narva und anderen orten; haben jeden Tag groß gekocht (für mich alleine lohnt sich das nicht, dabei mach ich das so gerne!). Schätzungsweise waren mindestens zwei Drittel seines Kofferinhalts für mich und so hab ich jetzt neuen Lesestoff, Filme, einen Adventskalender, eine Gitarre, einen Schlafsack, und weiß Gott was noch alles. Super! Leider ging sein Flug schon bald wieder zurück nach Deutschland und schon wieder stand ein schrecklicher Abschied am Flughafen bevor.
Andere Freiwillige haben in der Zwischenzeit auch den Weg nach Sillamäe gefunden, die sich bei dieser Gelegenheit dann gleich Narva und die östliche EU-Außengrenze angeschaut haben. Narva ist, soweit ich weiß, die östlichste Stadt der EU. Ich glaube, nach der Zeit hier in Estland könnte ich professioneller Fremdenführer in Narva werden, so vielen Leuten werde ich bis dahin die Stadt gezeigt haben.
Mein "Dreimonatiges" haben wir vor zwei Wochen mit ein bisschen Wein "begossen" und letztes Wochenende war ich auf einem Rock-, oder besser, Metal-Festival in Rakvere. Ich glaube, das "Green Christmas Festival" ist das Einzige dieser Art in ganz Estland und trotzdem war nicht besonders viel los! Von den Bands, die dort gespielt haben, habe ich keine einzige gekannt, obwohl sogar zwei deutsche Gruppen da waren. Headliner waren Anathema (UK) und Die Krupps (Vielleicht kennt sie ja jemand?), die anscheinend nicht ganz unbekannt sein sollen. Zumindest haben die ganzen Esten um mich rum die deutschen Texte mitgesungen! Doch es waren ein paar recht gute Sachen dabei und life ist ja sowieso fast alles ein Erlebnis! Leider war die Musik superschlecht abgemischt und, wie immer auf solchen Veranstaltungen, war es natürlich auch entsprechend laut und ich hatte noch zwei Tage später ein Rauschen im Ohr. Was mich außerdem gewundert hat: Die Esten pogen nicht (!), sondern stehen einfach nur brav und diszipliniert in der Menge, "wackeln" vielleicht ein bisschen mit dem Kopf, und gleich am Eingang der Halle gab es einen Luftballonstand, von dem seltsamerweise auch noch gekauft wurde! Ist schon komisch, wenn um dich rum nur langhaarige schwarze Gestalten ihre Haare schütteln, die Musik so düster ist, wies nur geht, und dann über dir der mit Gas gefüllte Spongebob-Schwammkopf mitwippt! Na ja, Esten halt! Wir waren fünf Freiwillige und konnten glücklicherweise in der engen Einzimmerwohnung einer Estin schlafen, die keinen einzigen von uns kannte und uns trotzdem ihre Wohnung überlassen hat! Enorm!
Mein Tutor Ilja ist auch irgendwann wieder aufgetaucht; er hat seine Odyssee durch Finnland, Malta, Deutschland, Frankreich, Russland und wo er sich sonst so in den letzten eineinhalb Monaten rumgetrieben hat, beendet und so konnten wir endlich das längst überfällige Gespräch bezüglich unserer Arbeit führen: Auch wenn wir die Kinder mittlerweile richtig lieb gewonnen haben, gibt es für uns im Waisenhaus nicht besonders viel zu tun und Peggy und ich verstehen nicht ganz, warum wir hier sind. Da die Kinder den ganzen Tag in Schule und Kindergarten sind und, wenn sie dann abends heimkommen, wenigstens die Stunde vor dem zu Bett gehen ein bisschen Freizeit brauchen, können wir außer beim Putzen kaum helfen! Wir haben vorübergehend auch kurz mit den behinderten Kindern gearbeitet, die tagsüber in einem Teil des Waisenhauses sind, aber da gab es auch nicht viel zu tun. Deswegen hätten wir gerne eine andere Institution gesucht, in der wir zusätzlich arbeiten können. Jetzt haben wir unsere Arbeitszeiten zum x-ten Mal geändert, so dass wir jetzt zum Beispiel sonntags arbeiten (da sind dann wenigstens die Kinder da) und wenn es klappt, werden wir noch ein paar Stunden die Woche im Kindergarten und im Jugendhaus verbringen; ist allerdings noch nicht ganz sicher.
Meine Mitfreiwillige Peggy war die letzten zehn Tage irgendwo in Tschechien. Sie hatte irgendwann einen Anruf bekommen, ob sie nicht am nächsten Tag auf ein Seminar nach Prag wollte und musste dann ganz überstürzt ihre Sachen packen, mit dem nächsten Bus nach Tallinn fahren, damit sie früh um 6.00 Uhr am nächsten Morgen am Flughafen sein konnte, ohne zu wissen, wohin die Reise genau geht und was sie auf diesem Seminar eigentlich soll. Aber klar, so eine Möglichkeit mal kurz und ganz spontan nach Prag zu gehen, bekommt man so schnell nicht wieder. Heute müsste sie eigentlich zurückkommen und ich bin mal gespannt was sie erzählt!
Wenn Peggy wieder da ist, werd ich mich wohl wieder ein bisschen zusammenreißen müssen: Ich hab es echt genossen, meine Sachen einfach in der Wohnung herumliegen lassen zu können und nicht immer gleich abspülen zu müssen, weil sonst das Geschirr knapp wird... Außerdem konnte ich so lange und so laut ich wollte auf der Gitarre herumlärmen ohne irgendjemanden damit zu stören (ich kann’s nämlich nicht so gut ;-).
Jetzt hocke ich also gerade im Wohnzimmer am Computer, höre meinen deutschen Lieblingsradiosender im Webradio, habe den schokoladigen Inhalt meines Adventskalenders vernascht, Plätzchenduft erfüllt die Zimmer, der Wind pfeift um die Häuser und draußen liegt gaaanz viel Schnee! Als ich letztens vom Einkaufen am Strand entlang heimgestapft bin, reichte mir der Schnee in den Verwehungen schon bis zu den Knien und ich bin echt gespannt, wie viel da diesen Winter noch fallen wird. Sieht einfach wunderschön aus! Und ein verschneiter Strand bietet an sich schon einen ganz besonderen Anblick, da ich bisher das Meer nur in Verbindung mit Sonne, brauner Haut, Beachvolleyball und dem Geruch nach Sonnencreme kannte...
Gestern war mit nur sechs Stunden der kürzeste Tag des Jahres (Juhuu, ab heute wird’s wieder heller!); um 9.00 Uhr geht die Sonne auf und als ich gestern um 3.00 Uhr nachmittags zur Arbeit gegangen bin, konnte ich einen atemberaubend schönen Sonnenuntergang bestaunen!
Um die winterliche Gemütlichkeit noch zu toppen, würden eigentlich nur noch ein paar Tannenzweige fehlen! Mal schauen, ob ich mich noch irgendwann mit dem Küchenmesser in den Wald aufmache.
Noch so eine Eigenart der Esten: obwohl es hier so viel Wald gibt, hab ich noch nie richtige Weihnachtsbäume zum Verkauf gesehen; nur Plastik! Und mit den Adventskränzen ist es das Gleiche!
Jetzt bin ich auch beim Thema Weihnachten angekommen: Ich habe beschlossen, Weihnachten nicht heimzufahren und so werde ich dieses Jahr meine ersten Weihnachten weg von zu Hause verbringen. Wahrscheinlich werde ich nach Tallinn fahren und mit Katharina, einer ganz lieben anderen deutschen Freiwilligen, die auch zu den wenigen gehört, die hier bleiben, feiern. Bin schon gespannt wie es wird. In Sillamäe wird am 24. und 25. Dezember nichts Besonderes sein, da ja nur Russen hier wohnen, die entweder orthodox sind und später feiern oder gar nicht religiös sind. Neujahr wird dafür ganz groß gefeiert und im Waisenhaus gibt es da dann auch die Geschenke. Karneval feiert man bei dieser Gelegenheit an Silvester auch gleich mit (bis vor kurzem wusste ich das nicht und hatte mich gewundert, warum im Supermarkt so viele Faschingskostüme hängen).
Ich wünsche Euch allen wunderschöne, geruhsame Feiertage und möglichst stressfreie Vorweihnachtstage! Und natürlich einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Macht’s gut!