Schmunzeln, grinsen, mitlachen
Bereits zwei Tage war ich nun bereits in meinem Projekt - einer Stiftung innerhalb der Universidad Autónoma de Madrid, die Menschen mit Behinderung einen akademischen Abschluss ermöglicht. Da passieren jede Menge verrückte Sachen - und immer wieder darf man schmunzeln, grinsen und mitlachen.
Wenn man in der Schule sitzt und vom Unterricht kein einziges Wort versteht, dann ist das erstmal einschüchternd - das weiß ich inzwischen nur zu gut. Noch ist es eher meine Aufgabe, im Unterricht zuzuschauen und nachzuhelfen, wo Hilfe benötigt wird, aber dank meiner fehlenden Spanischkenntnisse bleibt es eher beim Zuschauen. Anfangs fand ich es daher eher langweilig, inzwischen gehen die Schüler mehr und mehr auf mich zu und ich fühle mich im Unterricht immer wohler. Obwohl ich täglich nur vier bis fünf Stunden in der Schule bin, empfinde ich es dennoch als extrem anstrengend: Spätestens in den letzten beiden Stunden fällt es mir extrem schwierig, mit voller Konzentration der fremden Sprache zuzuhören. Die Schüler hier stört es nicht, dass ich von dem, was sie erzählen, kaum etwas verstehe: Sie reden und reden einfach und ich lerne so immer wieder ein neues Wort hinzu.
Die Atmosphäre im Unterricht ist eher locker, die Lehrer werden geduzt und mit Vornamen angesprochen, nicht immer wird aufgezeigt, es herrscht eher ein reges Unterrichtsgespräch. Als wir heute Morgen etwas einsam mitten in der Universität standen und nicht wussten, wo der Sportunterricht denn nun stattfindet, wurden wir prompt von einigen Schülern aufgegabelt, die uns mitgenommen und dabei fleißig erzählt haben. Worum es genau ging, hab ich nicht immer ganz verstehen, aber ich hab sie direkt ins Herz geschlossen. Am Sportplatz angekommen stellte sich ein weiterer Junge direkt mit Name und Küsschen auf beide Wangen plus Umarmung vor. Wir haben ihn spontan für den Lehrer gehalten, nur um hinterher herauszufinden, dass er einer der Schüler ist - auf jeden Fall aber ein wirklich netter Schüler.
Die Unterrichtsstunden sind hier ganz anders als in einer normalen Schule - statt Deutsch, Englisch und Mathe stehen Themen wie "Wie kontrolliere ich meine Gefühle", "Wie gehe ich bei der Arbeit mit meinem Kollegen um" und "Wie sortiere ich Dokumente". Am besten gefällt mir im Moment noch der Gefühle-Unterricht: Es ist einfach super zu sehen, wie die Schüler über sich reden, und ich kann hier die meisten nützlichen Wörter aufschnappen. Heute hat beispielsweise jeder ein Wort gesagt, das beschreibt, wie er sich gerade fühlt (glücklicherweise hatte ich ein Wörterbuch dabei) und wir haben außerdem unserem Sitznachbar gesagt, was wir an ihm am meisten mögen. Das macht nicht nur Spaß, sondern es ist auch wirklich super, dass die Lehrerin uns Freiwillige einfach mitmachen lässt, als wären wir auch Schüler. Heute hat sie eine der Schülerinnen gefragt, was man denn dagegen machen kann, wenn man gerade unglücklich ist, und das Mädchen hat toternst mit zwei Wörtern geantwortet, die sowohl ich als auch die Lehrerin nicht kannten - bis die anderen Schüler uns aufgeklärt haben, dass es sich wohl um eine spanische TV-Serie handelt. Auch der Sportunterricht macht super Spaß, gerade weil man hier viel eher mit Körpersprache kommunizieren kann als im Klassenzimmer, was es für mich meist um einiges einfacher macht.
Interessant ist jedoch auch, wie praxisnah der Unterricht ist. Viele Dinge, die für uns zuerst einmal ganz selbstverständlich erscheinen, werden hier geklärt, um die Schüler auf den Arbeitsalltag vorzubereiten: wen muss ich auf der Arbeit siezen und ab wann darf ich einen Kollegen duzen, wie muss ich mich anziehen, wenn ich zur Arbeit gehe & Co. Heute sollte mit der Lehrerin ein Telefongespräch mit dem Chef simulieren und wurde von einem Schüler eiskalt gefragt, ob sie ihm nicht auch einfach auf What'sApp schreiben kann. "Con tu jefe no hablas con What'sApp", hat die Lehrerin da geantwortet - Mit deinem Chef kannst du dich nicht über What'sApp unterhalten.
Mir gefällt total gut, wie lebensnah der Unterricht damit hier ist - gerade weil es so viel einfacher für mich ist, brauchbare Wörter aufzuschnappen.