Schaatsen op de grachten
Winter in den Niederlanden, oder: Schlittschuhe auspacken!
Die letzten Wochen hier in Amsterdam sind sehr schnell vergangen. Auch wenn noch kein genaues Ende des Lockdowns in Sicht ist und das Verzetsmuseum leider immer noch geschlossen bleiben muss, wird mir nicht so schnell langweilig. Im Homeoffice gibt es genug zu tun und wenn ich nicht arbeite, ist es von Nutzen, dass ich in einer WG mit zehn Menschen lebe, denn in der Küche wird meistens fleißig gekocht und gequatscht – irgendjemand ist immer da. Zudem erlaubt es das Wetter gerade oft mit anderen Freiwilligen und Freunden spazieren zu gehen oder hin und wieder einen coffee to go zu kaufen.
Arbeiten im Homeoffice
Gerade sitze ich zwar häufig allein vor meinem Laptop, aber einsam werde ich dabei nicht. Das Team im Museum steht ständig in Kontakt, es wird laufend telefoniert oder es werden sogar „Büro-Situationen“ über Videoanruf oder Zoom nachgeahmt. Diese Art von Kommunikation macht das Arbeiten angenehmer und produktiver, denn man kann spontan Fragen stellen oder Probleme lösen, als würde man eben wirklich zusammen im Büro sitzen. Meine Aufgaben sind vielfältig – hauptsächlich waren (und sind) wir mit dem Aufbau, dem Füllen und dem Optimieren der neuen Website beschäftigt. Diese Woche ist sie endlich online gegangen! Die Seite in verschiedene Sprachen übersetzen, Artikel mit Informationen zu den inhaltlichen Themen füllen und passende Bilder oder Videos einfügen, checken, ob alle Verlinkungen funktionieren, sicherstellen, dass das Design schön aussieht – die Arbeit an der Website hat unser Team gut beschäftigt. Schaut gerne mal rein, wenn ihr Lust auf interessante Informationen und Bilder über die Geschichte der Niederlande im Zweiten Weltkrieg und einen kleinen Einblick in die Ausstellungen des Verzetsmuseums habt: https://www.verzetsmuseum.org/.
Für die neue Ausstellung „Wees moedig!“ (= Sei mutig!), die eigentlich am 16.02.2021 hätte eröffnet werden sollen, muss natürlich auch viel vorbereitet werden. Es ist sehr schade, dass die Eröffnung nun zeitlich verschoben wurde, allerdings gibt es auch einen Vorteil: Mehr Zeit, um allem den letzten Schliff zu verpassen. Ich bin jedes Mal fasziniert, wie viel in einem Museum passieren muss, dass es am Ende so läuft, wie es sollte – und wie viele Menschen involviert sind, die ihre ganze Energie dafür verwenden! Im Homeoffice war es zum Beispiel meine Aufgabe, die richtigen Codes für jede „Station“ in der Ausstellung ins Programm einzuführen, damit die Menschen an der richtigen Stelle auch die richtigen Informationen zu hören bekommen. Eine scheinbar kleine, aber ziemlich wichtige Aufgabe. Was mich ebenfalls sehr inspiriert ist, dass das Museum aktive Schritte unternimmt, um inklusiver für seh- und hörbeeinträchtigte Menschen zu werden. Das Juniormuseum ist bereits mit speziellen Touren ausgestattet – die Eröffnung war im Oktober 2020. Wir organisieren Workshops in naher Zukunft für motivierte Mitarbeiter*innen, um eine einfachere Kommunikation mit hör- und sehbeeinträchtigen Menschen, die das Museum besuchen möchten, zu ermöglichen. Nun wird auch die neue temporäre Ausstellung zugänglich gemacht, als „Test“ für die Erneuerung der Hauptausstellung, die ab Dezember 2021 umgebaut werden soll. Es gibt sogar Objekte zum Fühlen, die unser technischer Dienst teilweise selbst gebaut hat, um sehbeeinträchtigen Menschen einen detaillierteren Einblick in die Geschichten und Ereignisse zu geben – und auch zur Orientierung. Das klare Highlight meiner Woche: Am Dienstag durfte ich ins Museum, da unser Team die weißen Linien und Noppen für das Bodenleitsystem für blinde Menschen anbringen mussten. Die Route durch die Ausstellung wurde schon davor geplant, der Prozess des Anbringens dauerte allerdings eine ganze Weile. Zuerst müssen die Schablonen sehr ordentlich auf dem Boden angebracht werden, dann werden die Stellen mit Ethylalkohol gereinigt (ganz toller Geruch – nicht), Sticker aufgeklebt (damit sich die Linien später einfacher lösen lassen, ohne den Boden zu beschädigen) und letztendlich die eigentlichen Kunststoffteile. Etwa sechs Stunden hat das gedauert, mit einem Team von etwa fünf Leuten. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie schön es war endlich alle wieder zu sehen und wieder im Museum zu sein. Obwohl ich in der Zwischenzeit in Deutschland war, ging es den anderen Mitarbeiter*innen ähnlich, die Stimmung war eine Mischung aus Produktivität, Motivation und Ausgelassenheit. Zudem konnte ich einen ersten Blick auf die neue Ausstellung werfen und kann es gar nicht erwarten, dass Menschen sie endlich besichtigen können und ich endlich Führungen geben darf!
Kleine Anekdoten aus dem Alltag einer ESC-Freiwilligen
Wenn man viel im Homeoffice arbeitet kann es schon mal passieren, dass sich das Internet verabschiedet oder der Computer nicht mehr mitmacht. Was ich dabei (mal wieder) festgestellt habe: Viele Ausdrücke lassen sich nicht wortwörtlich aus dem Deutschen übersetzen. Als ich meine Chefin also eines Tages etwas entnervt anrief und ihr mitteilte, dass ich etwas warten müsse, bevor ich weiterarbeiten könne, da sich mein Computer aufgehängt hatte, war die Verwirrung groß. Ich erklärte das Problem und wie wir das auf Deutsch nennen. Daraufhin begann Sie unheimlich zu lachen und meinte, sie sähe das Problem jetzt sehr bildlich vor sich. Nächstes Mal sage ich besser „De website is vastgelopen“.
Ein ähnlich amüsanter Sprachwitz ereignete sich bei einem unserer WG-Dinner: Wir sprachen darüber, wie hellhörig die Zimmer und vor allem der Flur ist und was wir dagegen tun könnten (Mein Vorschlag: Keine Türen zuknallen!). Dabei fiel das niederländische Wort für „hellhörig“, dass ich natürlich sofort mit dem deutschen verglich. Die anderen fragten mich, was das Wort auf Deutsch wäre und eine Mitbewohnerin meinte: „Yeah, ‚hellhörig‘ makes sense – because it is HELL!“. Diesen Satz werde ich vermutlich nie wieder vergessen, er macht einfach zu viel Sinn.
Der Winter hat in den letzten zwei Wochen auch in den Niederlanden Einzug gehalten und es hat einige Tage heftig geschneit. Zudem wurde es so kalt, dass die Grachten und Seen zum Teil einige Zentimeter zugefroren sind. Als ich noch in Deutschland war, gab es auch bei uns unheimlich viel Schnee – dagegen war das hier für mich wenig beeindruckend. Nicht aber für meine Mitbewohner*innen, die am ersten Tag extrem aufgeregt waren und mich fragten, ob ich mich auch so freue (ging so, der Schnee draußen war durch die Autos und Fahrräder eher matschig-braun, also nur wenig ästhetisch).
In den Niederlanden sind die Fahrradwege bei Schneefall bereits um halb sechs morgens geräumt – die Fußgängerwege über Tage hinweg aber leider tendenziell wenig bis gar nicht, weshalb man sehr aufpassen muss sich auf dem hügeligen, leicht angedrückten Schnee nicht den Knöchel zu vertreten (ist mir glücklicherweise nicht passiert).
Die Dicke des Eises auf den Seen und Grachten ist in den Niederlanden wortwörtlich ein Wettkampf – Radiosender berichten, wo das Eis wie dick ist und ob es sicher ist, darauf Schlittschuhlaufen zu gehen, denn Niederländer*innen lieben Schlittschuhlaufen. Als ich vergangenes Wochenende im Vondelpark spazieren war, war ich fast schon schockiert, wie viele Menschen sich dort aufhielten. Sowohl auf dem Eis als auch auf den zugeschneiten Wiesen – und das in einer Pandemie?! Die Polizei war dauerhaft anwesend, die ganze Situation war ziemlich befremdlich für aktuelle Umstände.
Leider besitze ich keine Schlittschuhe und habe auch keine ausgeliehen. Ich habe mich allerdings auch so auf einen kleinen zugefrorenen See im Vondelpark getraut – zwar uneleganter als mit Schlittschuhen, aber besser als gar nicht.
Inzwischen kann ich es aber kaum erwarten, dass es endlich Frühling wird! Wärmere Luft, mehr Sonnenschein und sprießende Bäume und Blumen. Hoffentlich vergeht die Zeit bis dahin so schnell, wie die letzten Wochen.