Săpânţa – der lustige Friedhof (cimitirul vesel)
Lustig und Friedhof… Wie passen ausgerechnet diese Worte zusammen? Eine Antwort darauf haben wohl nur die Rumänen in der Region Maramureş. Ihr ganzes Leben ist von Sitten und Bräuchen geprägt, welche immer auch mit dem rumänisch-orthodoxen Glauben und so manchem Aberglauben verknüpft sind. Hinzu kommt ein außergewöhnliches Potential an Ironie, welches wohl letztendlich ausschlaggebend für die künstlerische Evolution und deren nachfolgende Akzeptanz sein mag.
Die Gemeinde Săpânţa befindet sich im Nordwesten Rumäniens in der Region Maramureş, direkt an der Grenze zur Ukraine. Der Ort ist weltweit für seinen „Lustigen Friedhof“ bekannt.
Der Erfinder dieses Friedhofs, Stan Ioan Pătraș, wurde am 25. Juni 1908 geboren und ist 1977 gestorben. Im Jahr 1935 hat sich der junge Stan Ioan dazu verpflichtet, ein günstiges Holzkreuz für einen verstorbenen, armen Menschen zu schaffen. Das Kreuz war eine Überraschung, weil es mit der Tradition brach. Der begabte Mann hatte nämlich ein Holzkreuz geschaffen, das bunt bemalt war und auf dem geschnitzte Bilder und naive Verse das Leben des Verstorbenen auf komische Weise beschrieben. Und da man in dem rumänischen Dorf Săpânţa dem Tod mit Humor begegnet, waren die Dorfbewohner begeistert und bestellten von dem Moment an alle Kreuze für die Verstorbenen bei Stan Ioan Pătraș. Ob Anspielungen auf den verstorbenen Alkoholiker oder die böse Schwiegermutter: Auf dem „fröhlichen Friedhof“ steht auf jedem Grabkreuz ein heiteres und ironisches Gedicht. Somit entstand in ein paar Jahren ein ungewöhnlicher Friedhof im Kirchenhof, der mit jedem Toten größer wurde. Inspiriert wurde der Künstler von dem literaturbegeisterten Priester Grigore Ritiu, der Rumänisch und Latein an der Dorfschule unterrichtet hatte.
1977 ist der Friedhof um ein prominentes Kreuz reicher geworden. Sein eigenes Kreuz hatte Stan Ioan Pătraș noch vor seinem Tod angefertigt und seit 1977 erzählt es den Besuchern vom Erfinder des „Lustigen Friedhofs“. Auf seinem Kreuz berichtet er, dass ihn bis zu seinem Tode Besucher aus 62 Ländern besucht haben. Trotz des Todes des Erfinders und Schaffers wächst der Friedhof weiter, denn Pătraș hatte sich zu Lebzeiten um künstlerische Nachkommen gekümmert. Dumitru Pop hat von ihm gelernt und setzt heute sein Lebenswerk fort. Inzwischen sehen auf dem Friedhofe etwa 700 Holzkreuze um die orthodoxe Kirche herum. Alle sind im besonderen Blau von Săpânţa gehalten und unter jedem Kreuz-Spitzdacht ist eine typische Szene aus dem Leben des Verstorbenen geschnitzt und bunt ausgemalt. Der Friedhof erzählt also in kurzen Worten die Geschichte der Toten und somit einen Teil der Dorfgeschichte.
100 bis 200 Euro kostet ein einfaches handgeschnitztes Holzkreuz und Dumitru Pop braucht etwa drei Tage für einen Auftrag. Mittlerweile beauftragen ihn auch Prominenten und Ausländer, allerdings dürfen sie sich bei der Textauswahl nicht einmischen, egal wie viel sie zahlen.
Selbst wenn man kein Rumänisch kann, sind allein die Bilder und künstlerischen Verzierungen bewundernswert, aber natürlich ist es ideal mit jemandem hier zu sein, der den einen oder anderen Text übersetzen kann. Ich hatte das Glück, dass meine Mentorin mit zu dem Friedhof gekommen ist, der etwa 1,5 Stunden von Baia Mare entfernt ist.
Hier ist noch ein berühmtes Gedicht von einem Holzkreuz:
“Sub aceasta cruce grea zace biata soacra mea
Tri zile de mai traia zaceam eu si citea ea
Voi care treceti pa aici incercati sa no treziti
Ca acasa daca vine iara cu gura pa mine
Dar asa eu moi purta ca-napoi nu a inturna.”
Übersetzung:
„Unter diesem schweren Kreuz liegt meine selige Schwiegermutter,
Wenn Sie noch drei weitere Tage gelebt hätte,
wäre ich jetzt da drunter und Sie hätte das hier gelesen
Sie die hierher vorbeiziehen,
passen Sie auf um sie nicht aufzuwecken,
Denn wenn sie wieder nach Hause kommt wird sie wieder mich beschimpfen,
Aber ich werde mich so verhalten, dass sie nicht zurück kommt.“
Commentaren