Retrospektive prt. I
Meine ersten Eindrücke in Sarajevo, BIH
Hallo, oder wie ich inzwischen fast immer sage: Čao!
Jetzt, nach drei Tagen, dachte ich, wäre ein guter Zeitpunkt, euch alle mal wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Also beginnen wir den kleinen Rückblick über alles, was nach dem 01.09. um 10:30 passierte:
01/09/ + 02/09/
Ich hatte ja das Glück von einem kleinen privaten Taxi nach München gebracht zu werden, sodass mein Abschied zuhause noch etwas länger ausfallen konnte. Im Bus wurden dann direkt meine Hoffnungen auf einen Doppel- und Fensterplatz schlagartig enttäuscht, der Bus war brechend voll. Ausgeglichen wurde das jedoch direkt wieder von den Fahrern, die über die Bildschirme "Step Up - 1. Teil" auf Englisch mit bosnischen Untertiteln abspielten, sehr zu meiner Belustigung. Die Fahrt verlief also gut, auch wenn mein verschlafenes Gehirn meist erst viel zu spät verstand, wann es auszusteigen hieß, um an der Grenze den Pass vor zu zeigen.
Mit 2h Verspätung kam ich dann schließlich in der Stadt an, die nun für ein Jahr mein Zuhause werden sollte. Ich muss sagen: ich war skeptisch... Alles schien so alt und dreckig, richtiger Post-Sozialismus-Charme, was irgendwie nicht zu dem "Jerusalem Europas" passen wollte, von dem man mir erzählt hatte. Im Gegensatz dazu steht das Jugendzentrum "Ivan Pavao II", von außen unscheinbar, aber von innen höchst modern. Hier werde ich das Jahr über arbeiten und hier bekomme ich auch pro Tag eine warme Mahlzeit, die zwar immer viel Fleisch enthält, mich jedoch bis jetzt noch nie enttäuscht hat. Mein Wohnhaus hingegen, eine Querstraße vom Centar entfernt, passt sich hervorragend in die Umgebung ein. Dass ich bereits nach fünf Minuten eine meiner Schranktüren in der Hand hielt, die wieder angeschraubt werden wollte, spricht hier für sich. Ich werde mir wohl eine Lampe kaufen und einen Teppich, der das Zimmer erst so richtig gemütlich macht. Man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles und ich nehme es mit Humor. Dabei helfen mit auch meine 6 Hausmitbewohner (4 Italiener, 1 serbischer Student und 1 Deutsche). Und natürlich unser 3 Monate alter Welpe Poppie, die die Italiener spontan von einem Seminar mitgebracht haben und die nun wohl zu unserem Freiwilligen-Hund wird. So genau weiß keiner, ob das überhaupt legitim ist, aber solang sie uns keiner wegnimmt wird sie bleiben.
03/09/
Hier meine zwei Geschichten des Tages:
Ich wollte auf dem Markt Zwiebeln kaufen und mich dabei mal nicht auf mein Englisch verlassen. Das Fazit war dabei, dass ich wohl so genuschelt habe, dass ich statt 5 fast 50 Zwiebeln hätte kaufen müssen. Ich sah schon kurz Wochen voll Zwiebelkuchen oder herzhafter Nachtimbisse (nh Benni & Hannes?) vor mir, konnte das Missverständnis jedoch noch rechtzeitig aufklären.
Irma scheint ein recht verbreiteter bosnischer Name zu sein, auch wenn er hier etwas klarer artikuliert wird. Zumindest waren alle in dem Waisenhaus, das ich mit den Italienern für ein Theaterprojekt besuchte, entrüstet, als ich zwar Irma hieß, jedoch kein bosnisch sprach. Das lies mich nicht los, deshalb hier eine kurze Etymologie meines Namens:
Irma - althochdeutscher weiblicher Vorname von irmin = groß, allumfassend
Kurzform von Vornamen beginnend mit Irm-
Jetzt wissen wirs, die Aussprache mit gerolltem R werde ich mir wohl trotzdem angewöhnen.
04/09/
Mir scheint der Herbst ist eingebrochen. Während es am Anreisetag noch warm war, hat es sich nun merklich abgekühlt, die Berge sind fast immer von Nebel verhüllt und es regnet. Es ist als hätte man einen Schalter umgelegt oder dem Wetter gesagt, es sollte sich doch mal an den begonnenen September anpassen.
Diese Woche arbeite ich noch nicht, da der Jahresplan noch erstellt wird, aber ich konnte mich beim Übersetzen des Skripts für das Theaterprojekt mit den Waisen ins Englische nützlich machen. Nach ihrem Arbeitsschluss holte mich Susi (die andere Deutsche) im Centar ab und wir beide fuhren zum ersten Mal ins Stadtzentrum von Sarajevo. Dass die uralten Straßenbahnen hier WLAN haben, sagt wohl viel über den Stand der Digitalisierung in Deutschland aus... Ich muss sagen, ich beginne langsam die Stadt zu mögen, vor allem bei Nacht hat sie es mir angetan, mit ihren vielen Kneipen und Cafés, die alle nur darauf warten, entdeckt zu werden. Abends verändert sich die ganze Atmosphäre.
Das Zentrum besteht aus einem österreichisch-ungarischen und einem muslimischen Teil, an deren Schnittpunkt zwei völlig verschiedene Welten aufeinander treffen. Man bewegt sich quasi von Wien mit seinen hohen verzierten Gebäuden in ein Viertel, das ich am ehesten mit Akko beschreiben kann, wenn auch noch kleiner. Hinter dem Zentrum zieht sich die Stadt die Berge hinauf, die Sarajevo umschließen. Susi, die schon zwei Tage länger hier ist, nahm mich mit zu einer Plattform, von der aus man über die nächtliche Stadt blicken konnte. Dort leisteten uns zwei zutrauliche Katzen Gesellschaft, die mir, ewig in meinem Schoß liegend, ein Gefühl von Geborgenheit oder Angekommensein gaben. So über die Stadt blickend, entwickelten wir den Plan bei besserem Wetter mit Essen, einem hladno pivo und meiner Musikbox mit "hladno pivo" mit der Seilbahn auf den Berg hinauf zu fahren, um von dort den Sonnenuntergang anzusehen. Weitere Pläne für Bowle in armlangen Melonen und Aufstrich in Ermangelung ebenjenes für unser trockenes "dunkles" Brot existieren.
Soweit erstmal der Stand. Ich freue mich von euch zu hören, ihr lest von mir. :)
Ciao, Irma
PS: Solang ich hier noch kein SD-Kartenlesegerät kaufen konnte, müsst ihr euch mit den Bildern von meiner und Susis Handykamera begnügen. ;)
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