Regentage
Seit Tagen prasselt Regen auf Nikosia hinunter. Und passend zu dieser tristen Wetterlage, kam es zum großen Showdown zum Thema Unterkunft.
Nun mag der Ein oder Andere sich vielleicht fragen, wo denn plötzliches dieses Showdown würdige Thema Unterkunft herkommt, habe ich doch nie auch nur erwähnt habe, dass es da scheinbar Konfliktpotential gibt. Die Wahrheit ist, dass ich selbst nicht geahnt habe, dass sich das Alles so entwickeln würde.
Doch nun von Anfang an. Zuerst muss man wissen, dass ich bis vor kurzem in dem Gebäude gewohnt habe, das die Organisation, in der ich meinen Freiwilligendienst mache, beherbergt. Es ist ein Kulturzentrum, welches verschiedene Workshops anbietet. Meine Mitfreiwilligen und ich haben dort ein Zimmer bewohnt. Das Zimmer ist ziemlich lang, aber sehr schmal und im hinteren Teil wurde mit einer nachträglich hinzugefügten dünnen Wand geteilt um dort auch noch ein kleines Bad unterzubringen. Eigentlich ein sehr schöner Raum mit vier Fenstern, hoher Decke, frisch renoviert und fast ausschließlich mit Ikea Produkten eingerichtet. Für eine Person wäre es perfekt, aber da wir nun mal zu dritt sind, war das Bewohnen von Anfang an nicht einfach. Zu den kleinen Dingen, die so anfallen, wenn man in einer WG lebt, kam dann allerdings auch noch die Schwierigkeit neben dem Betrieb des Zentrums ein Gefühl von Zuhause-sein aufzubauen, unter anderem weil die Besucher möglichst nicht sehen sollten, dass dort jemand wohnt. Für mich persönlich war die Wohnsituation zwar nicht ideal, aber auch nicht unerträglich und ich hatte kein Problem die restlichen 8 Monate so weiterzuleben. Als eben diese Wohnsituation auf dem On-Arrival-Training dann plötzlich mit der ganzen Gruppe diskutiert wurde, ist mir erst wirklich klar geworden, dass meine Mitbewohnerinnen eine etwas andere Sichtweise haben und dass es auf jeden Fall zu irgendwelchen Veränderungen kommen würde.
Nach dem On-Arrival-Training haben wir das Thema dann viel diskutiert, zu dritt und auch mit Panayiotis, seiner Frau und unserer Mentorin. Obwohl alle Beteiligten sich bereits vor der Aussprache darüber im Klaren waren, dass nicht alles perfekt läuft, war die Stimmung währenddessen und hinterher eher mittelmäßig.
Entschieden wurde dann letztendlich, dass wir aus dem Zentrum ausziehen und eine eigene Wohnung bekommen, sogar eine mit 3 Zimmern, was zuerst klar ausgeschlossen wurde.
Letzten Mittwoch war es dann so weit, wir haben unsere Bleibe für die restlichen Monate das erste Mal gesehen und unser Hab und Gut, was die 23 kg + 8 kg vom Hinflug mittlerweile deutlich übersteigt, in zwei Autoladungen hertransportiert. In dem Zweistöckigen Wohngebäude fanden wir dann eine große Wohnung mit riesigem Wohnbereich, großer Küche, Gäste-WC, Bad, Abstellkammer, 3 Schlafzimmern und 3 Balkons. Alles möbliert, ein bisschen abgenutzt und versifft, aber nichts Bedrohliches. Besonders auffällig ist die offensichtliche Vorliebe für Grau der vorherigen Mieter. Sämtliche Schrankwände, die zahlreichen Beistelltischchen überall, die Esszimmergarnitur sowie die Haustür sind in dem selben freundlichen hellgrau gestrichen. Die Zimmerauslosung ergab, dass ich das eindeutig als ehemaliges Mädchenzimmer erkennbare Zimmer mit Balkon und riesengroßem Schreibtisch zugeteilt bekam, welches aufgrund des vielen Tageslichts und dem großen Arbeitsplatz zuvor schon von allen favorisiert wurde.
Die nächsten Tage wurde dann natürlich daran gearbeitet, das neue Territorium einigermaßen wohnlich herzurichten, allem voran wurden die Hotspots wie Badezimmer und Küche noch einmal grundgereinigt.
Ich habe die Herrichtung meines eigenen Reiches fürs Erste abgeschlossen, nachdem ich gestern einen selbstgebauten Baum installiert, einen kleinen Teppich (die ganze Wohnung ist gefliest) platziert und eine indische Papierlampen-Tuch-Kreation aufgehängt habe. Wenn heute dann auch noch tatsächlich, wie versprochen, die Firma kommt, die meine Metallrolläden vor meinem Balkonfenster wieder hochziehbar macht, kann ich mich dort schon einigermaßen wohl fühlen.
Der Umzug hat also natürlich auch wieder ein paar neue Probleme, oder sagen wir lieber Unannehmlichkeiten aufgeworfen. Das warme Wasser lässt, vor allem morgens, vergeblich auf sich warten. Obwohl uns gesagt wurde, dass die Küche mit allem nötigen Equipment ausgestattet ist, müssen wir versuchen unser Teewasser in der Mikrowelle zum Kochen zu bringen und jegliche Nahrung mit Gabeln zu uns nehmen. Wir haben folglich weder Messer, noch Töpfe, geschweige denn einen Wasserkocher und teilen uns zu dritt zwei Schüsseln und einen Löffel. Es besteht jedoch die Aussicht, dass wir das fehlende Geschirr etc. bald zur Verfügung gestellt bekommen. Des Weiteren müssen wir uns zur Zeit noch zwei Fahrräder teilen. Ich weiß, wir können uns glücklich schätzen, dass wir überhaupt Fahrräder haben, aber jetzt muss halt immer eine von uns zu Fuß zur Arbeit gehen, was dann mal eben 20 min statt 10 min dauert. Aber auch in dieser Angelegenheit besteht die Aussicht ab nächster Woche mit einem dritten Fahrrad Besserung. Aber ob mit oder ohne Fahrrad, seit dem Umzug haben natürlich auch mit der Pünktlichkeit und dem Wetter zu kämpfen. Vorher war es uns ja fast unmöglich zu spät zu kommen, da wir nur einen Schritt vor unsere Zimmertür setzen mussten um am Arbeitsplatz zu sein. Vor allem in der letzten verregneten Woche habe ich Bekanntschaft mit den Wasser undurchlässigen Straßen Nikosias gemacht, die beim Fahrradfahren unweigerlich einen nassen Po herbeiführen; das war zumindest der Körperteil, an dem ich die Nässe die längste Zeit spürte, da ich den ganzen Vormittag auf demselbigen saß.
Internet haben wir hier übrigens noch nicht. Zum Blogposten muss ich jetzt grad die Internetverbindung auf der Arbeit benutzen. Normalerweise soll es wohl 30 Tage dauern bis die Verbindung hergestellt ist (warum auch immer?!), aber wenn wir Glück haben, passiert es für uns ein bisschen schneller, weil unser Vermieter sich in dem Bereich auskennt. Er hat beruflich irgendwas mit Satelliten-Fernsehen zu tun. Das heißt zum Beispiel auch wir bis wir endlich unsere Internetverbindung haben bei Langeweile auf jeden Fall genug Unterhaltung durch unseren Fernseher mit Hunderten von Fernsehprogrammen aus aller Welt haben. Ich kann jetzt wann immer ich will ARD, ZDF, Schweizer RTL und RTL2 gucken. Gestern wurde also endlich mal wieder „Bauer sucht Frau“ geguckt!
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