November Rain (lluvia de noviembre)
Spanische Vornamen sind eine ganz eigene Kategorie, wie Nathalie herausfand. Ob männlich oder weiblich, bedeutungsschwer sind sie alle – von der unbefleckten Empfängnis bis zur Übelkeit.
Hallo Ihr Lieben!
So, da sitze ich nun wieder in meiner geliebten Abstellkammer und versuche, Euch meinen zweiten Monat näher zu bringen… Zusammenfassend kann ich sagen, dass der November weniger wechselhaft ausgefallen ist als mein erster EFD-Monat, es auf der Achterbahn allerdings eher stetig ein wenig bergab ging. Nun gut, aber der Reihe nach.
Formación a la llegada
Das On-Arrival-Training (formación a la llegada) war nicht so entspannend wie erhofft (sondern eher ziemlich stressig), aber insgesamt doch höchst interessant und auch irgendwie ergiebig. Wir waren ja nur die Madrileñer Freiwilligen, also alle Europäischen Freiwilligen, die ihren Dienst in der Comunidad Madrid ableisten, d.h. ungefähr so 25 junge Menschen hauptsächlich aus Italien (5), Deutschland (5) und Frankreich (3) sowie aus Österreich, Ungarn, Dänemark, Schweden, Litauen, der Tschechischen Republik und ähm… muss ich mal nachgucken, will ja auch nicht lügen, hihi.
Das Programm bestand aus Präsentationen über die Europäische Union (wilder Streit: wie viel Ökonomie gehört in so eine Präsentation…), über die spanische Kultur und Madrid, sowie aus Diskussionen über Themen wie “sentirse europe@”, einem Konfliktmanaging-Workshop und natürlich einem Sprachkurs. Ganz zu Beginn wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt, je nach Sprachvermögen, was allerdings eher mäßig erfolgreich war. Die Spanne zwischen nichts können und fließend sprechen ist eben doch etwas größer. Auffallend war auf jeden Fall der große Sprechanteil der Italiener. Man hatte ein bisschen das Gefühl, dass sie spontan einen spanisch-italienischen Kulturaustausch aus dem Seminar machen wollten. Ständig hatte ein Italiener eine lustige Anekdote aus seinem schönen Arkadien auf den Lippen und auch Zeugen eines kleinen Bürgerkriegs zwischen den Nordlern und Südlern aus dem Stiefelland durften wir werden. Nun gut, immerhin haben sie uns an einem Abend mit Carbonara verwöhnt. Apropos Essen: Das gab es reichlich (morgens Buffet und mittags und abends ein 3-Gänge-Menu. Ich dachte, ich muss platzen und fragte mich insgeheim, warum uns ein solcher Luxus zuteil wurde – Die Badezimmer hättet Ihr auch mal sehen sollen! Gut, was ich mitgenommen habe, ist jedenfalls das Gefühl, durchaus Glück mit meinen Mitfreiwilligen und im Grunde auch mit meinem Projekt an sich zu haben und natürlich habe ich auch wieder nette Menschen getroffen, mit denen man auch danach noch gerne was zu tun haben will, hehe. (Grüße an Gabi aus Ungarn, Linda aus Schweden und Christine aus Dänemark!) Ganz vergessen Euch zu erzählen habe ich von meinem Ausflug zum Valle de los Caídos und nach El Escorial am Wochenende vor dem Seminar und deshalb lautet mein nächster Punkt nun: Exkursionen
Also, bei strahlendem Sonnenschein machte ich mich am Sonntag, dem 29.10., mit Sandra, Agi und ihrer charmantern Mitbewohnerin Ana in deren Auto auf nach El Escorial. Und wo wir schon so gemütlich kutschiert wurden, ließen wir es uns natürlich nicht nehmen, auch das auf dem Weg liegende Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen, im Grunde die Gruft, die sich Franco selbst zu seiner Beerdigung geschenkt hat) zu besichtigen. Ekelig, kann ich nur sagen. Die typische kalte, faschistische Architektur gepaart mit Heroen und Ikonen (Engel mit Maschinengewehren…). Gruselig auch die Messe, die über Francos Grab stattfand und der die schnieke, herausgeputze Spanier beiwohnten. Nun denn, am 19.11., dem Sonntag vor dem 31. Todestag Francos am 20.11., begegnete ich auch einem fahnen schwenkenden Pijo vorm Palacio Real, der mir erklärte, Franco sei nicht wie Hitler gewesen, er sei in Wirklichkeit ein “santo”, also ein Heiliger. El Escorial fand ich auch interessant, vor allem die sich dort befinden Gemälde und die Särge der Könige waren… beeindruckend. Vielleicht ein bisschen zu viel Tote für einen so schönen sonnigen Tag.
Am Wochenende nach dem On-Arrival beschlossen dann Agi, Sandra, Catherine, Gabi und ich, gemeinsam nach Aranjuez zu fahren und uns dort die königlichen Gärten und Gemächer zu Gemüte zu führen, hehe. Und wie um uns eine Freude zu machen, hat auch das Wetter herrlich mitgespielt: 25ºC und strahlender Sonnenschein an einem 11.11. – das hat der Nathalie natürlich sehr gefallen! Vom historistischen Prunk des Königspalastes allerdings wie erschlagen, fühlte ich mich mit meiner einsetzenden Migräne in den wunderschönen Gärten etwas besser aufgehoben. Seltsam erschienen und erscheinen mir aber wirklich die spanischen Kinder… Erstmal gibt es davon sehr viele, sodass ich immer ganz (angenehm) überrascht bin vom Anblick der Unmengen an Kinderspielplätzen und Kinder(-bekleidungs-/-spielzeug-) Läden. Das Komische nun ist, dass, sobald Spanier Eltern von mehr als einem Sprössling sind, sie ihre Kinder immer dazu nötigen, im Partnerlook rumzulaufen – sehr hübsch anzusehen vor allem die fünf kleinen Prinzesschen in Aranjuez.
Außerdem geben Spanier ihren Kindern die (für deutsche Verhältnisse) unmöglichsten Namen. Einerseits tendieren sie da sehr katholisch zu den traditionellen “Concepción” (Empfängnis), “Trinidad” (Dreifaltigkeit), “Imaculada” (Unbefleckte Empfängnis) und natürlich Jesús, Maria y Jose (Jesus, Maria und Joseph, wobei es bestimmt Männer gibt, die alle drei Namen tragen, also “Jesús Maria Jose”, hehe). Und andererseits gibt es da die Namen der großen Worte… Beispielsweise ist Sandra auf die Idee gekommen, dass, wenn man die deutsche Nationalhymne übersetzt, das eine Aneinanderreihung von spanischen weiblichen Vornamen sein könnte (ist): “Unidad y Justicia y Libertad”… so gibt es eben auch “Paz” (Frieden), “Luz” (Licht), “Mar” (Meer), “Esperanza” (Hoffnung), “Candela” (Kerze), aber eben auch “Soledad” (Einsamkeit) oder “Angustia” (Angst / Übelkeit) – warum nicht?
Ach ja, keine richtige Exkursion, aber trotzdem passend, ist noch mein Besuch im Centro de Arte Reina Sofia. Es hat mir wieder sehr gefallen – War ja vor einem Jahr mit der Nina schon mal da. Geld loswerden
So, und bevor das ganze hier zu einem Roman ausartet, versuche ich mich lieber kurz zu fassen!
Nach unserer Wiederkehr nach Madrid sind wir am Samstag mal zu dem großen Einkaufszentrum bei uns in Sanse (San Sebastian de los Reyes) gefahren, dem Plaza Norte. Und wenn ich sage zu dem “großen”, dann meine ich wirklich riesig. In Berlin gibt es sowas nicht (ist auch besser so), das sind schon amerikanische Ausmaße. Gut, trotzdem war ich (und noch seeeehhhr viele andere Menschen) dort und habe mir auch was gekauft. Als ich dann zwei Wochen später genau das gleiche in Madrid getan habe, wurde ich – irgendwann, und wenn nicht hier, wo denn dann?, musste das ja mal passieren – bestohlen. In der Metro zwischen Gran Via und Atocha, die Standardstelle, möff. Gut, in meiner Brieftasche waren nur so 25 Euro, aber eben auch meine spanische Geldkarte und mein Perso und überhaupt. Also ich nach Hause gehechtet, meine Geldkarte gesperrt, und dann am nächsten Montag zur Policia. Da war dann der Computer kaputt, also musste klein Nathalie die Anzeige telefonisch auf Spanisch machen – also, es wäre auch auf Deutsch gegangen, aber ein bisschen Reststolz habe ich schon noch!
Was gibt es sonst noch? Ach ja, es leben die Nächte…
Marcha
Irgendwann im letzten Monat habe ich mit Sandra “Los fantasmas de Goya” im Kino gesehen – kann ich im Grunde nur empfehlen, vor allem natürlich wegen meinem lieben Javier Medem und auch wegen der Epochendarstellung, aber ab und zu war der Film auch ungewollt… lustig - wahrscheinlich wegen der hässlich gemachten Natalie Portman. Dann war ich eines Abends mit der Agi und drei riesigen Ungarinnen in einem coolen Jazzclub in La Latina. Einen anderen Abend hat Catherine für uns, ihre feministische WG, ihre kolumbianischen Freunde und eine französische Freiwillige aus Castilla-La Mancha gekocht und danach waren wir Salsa tanzen. Dann habe ich mich an einem anderen Abend mit Sandra von einer riesigen Freiwilligengruppe geflüchtet, um so eine gemütliche Nacht am Tirso de Molina und danach in einer “chilligen” Schwulenbar in Chueca zu haben – sehr nett. Und irgendwann in diesem Monat war ich auch noch mit Sandra und Agi in einer Bierbar hier in Alcobendas – ich habe ein belgisches Kirschbier getrunken. Und an ganz vielen Abenden waren wir wieder in der Sidrería, oder haben DVD’s geguckt oder eben was man so macht. Nämlich z.B. Italiener für sich kochen lassen…
Das tat nämlich der Freund von der Valentina, Marco, für uns. Sooo leckeres Risotto mit grünem Spargel und… ich kriege Hunger! Aber Valentina war nicht die einzige, die in diesem Monat besuch hatte – eigentlich nämlich alle, außer mir. Dafür kommen dann im Januar aber meine Mama und die Sarah – da freu ich mich schon riesig!
Geburtstag
Ja, am 29.11. hatte ich dann ja auch Geburtstag und nachdem ich eine ganz schreckliche Woche davor hatte, fand ich es um so schöner, dass mir alle meine Freunde hier so nette Geschenke gemacht haben und natürlich noch toller, dass alle meine anderen Freunde an mich gedacht haben – hab Euch lieb.
So, eigentlich wollte ich noch erzählen, was ich so bekommen habe, aber das lasse ich nun lieber – einfach keine Zeit mehr!
Rest
Ich habe gerade riesigen Stress bei der Arbeit und so auch mit Agi – unangenehm. Sonst habe ich auch ein bisschen das Gefühl, das hier alles ein den Bach runter geht, aber trotzdem geht’s mir ganz gut. Komisch. Es wird sich eben einiges ändern im neuen Jahr. Aber das erzähl’ ich Euch dann in meiner nächsten Nachricht nach der Puente in Salamanca. Ich habe Euch lieb und grüße unsere “Línea Uno”-Stadt von meinem lieben ehemaligen Spanischkurs.