Noch einen Monat
Die Zeit ist so schnell vergangen - jetzt sind es noch knapp 30 Tage.
Schon seit einiger Zeit habe ich mit Gefühlschaos zu kämpfen. Einerseits erreiche ich den Punkt, wo ich etwas Neues beginnen möchte, zum anderen weiß ich, dass weggehen heißt, die EVS-Zeit für immer hinter sich zu lassen.
Daugavpils ist für mich schon lange nicht mehr nur irgendeine Stadt, und ich fühle mich auch nicht mehr wirklich als Europäische Freiwilligendienstlerin. Ich lebe und arbeite hier, ich habe meine Freundeskreise hier, meine Wohnung. Ich habe meine Stammkneipen, meine Routinen, meinen Arbeitsplatz.
Ich sprache mittlerweile einigermaßen Lettisch, und Russisch verstehe ich schon recht gut, wenn mir das Sprechen auch nach wie vor ziemlich schwer fällt.
Ich habe mich daran gewöhnt, hier zu leben, in der russischten Stadt der EU. An die Mentalität, an die Kultur, an die Menschen.
Ich wundere mich schon gar nicht mehr, wenn ein junger Mann im Tiegerkostüm in der Fußgängerzone Seifenblasen macht.
Wenn in der Nacht Trommeln und Mundharmonikas zu hören sind, sind die Urheber unter Garantie die Fortress-People.
Man kann keine 5 Minuten mehr gehen, ohne irgendwelchen Bekannten über den Weg zu laufen.
Ich wage zu behaupten, ich bin hier besser integriert, ich habe mehr Bekannte und Kontakte als in Deutschland.
Das einzige, was ich hier nicht habe, ist eine Zukunft.
Perspektivlosigkeit ist das Schlagwort - und man spürt sie deutlich.
Leute, die mit einem Master-Degree an der Tankstelle arbeiten. Immer die gleichen Jugendlichen, die man besoffen oder high irgendwo trifft - und das fast täglich.
Seit einiger Zeit hat die Abwanderung angefangen - überall geht es hin, England, Holland, Deutschland. Als Kellner oder Erntehelfer. "To travel and to earn some money".
Und meine Stadt wird immer leerer.