Murphys Gesetz und die Maysche Umkehrung
Darauf, das Positive im Leben zu sehen, konzentriert sich May in Griechenland. Nach einem missglückten Wochenende und einem verpassten Filmfestival, machte sie es sich zuhause gemütlich.
"Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es schief." Das ist die Murphysche Hauptregel, gerade noch einmal nachgelesen. Gut, Ihr fragt Euch jetzt vielleicht, wie denn so viel in meinem entspannten griechischen Leben schief gehen kann, dass MIR solche Gesetze einfallen. Tja...
Angefangen hat alles letztes Wochenende, als ich mich nach langem Zögern doch noch entschlossen hatte mit Anne, Greta und Maili die Volunteersparty in der Nähe von Athen zu besuchen. Das Trampen im Regen war zwar wirklich ungemütlich, aber andererseits auch sehr lustig. Schade, dass wir kein Foto von uns klatschnassen Gestalten, unter der Autobahnbrücke stehend, gemacht haben...
Als wir dann in Athen noch in die Massendemo (es war der Tag, an dem vor X Jahren die griechische Diktatur abgeschafft wurde) reingeplatzt sind und anschließend, nach einem Kaffee auf dem Hügel vor der Akropolis, vier Schweizer (drei davon betrunken) auf Wochenendetrip getroffen haben, war der Abend schon fast wieder gerettet.
Wieder halbwegs gut gelaunt, haben wir uns also gegen zehn auf den Weg zu den Freiwilligen gemacht, die in einem Zentrum für behinderte Kinder etwas außerhalb von Athen arbeiten. Da es schon wieder in Strömen regnete, wurden wir mitleidig, aber dafür umso herzlicher empfangen. Die Party war auch wirklich toll organisiert: Französische Musik (zu der man wirklich gut tanzen kann!), Getränke, Buffet und letztlich fünfzig Gäste, die trotz des Wetters auftauchten und bis in den Morgen feierten – wie mir erzählt wurde...
Denn ich habe leider nicht an der Party teilgenommen. Schon auf der Akropolis hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, das sich dann im Laufe der Nacht als Magen-Darm-Grippe herausstellte. Jetzt weiß ich wenigstens, wovon die armen Leute, die so etwas öfter haben, reden... Dank der lieben Anne, der ich um drei in der Nacht in die Arme gesunken bin, hab ich die Nacht mehr oder weniger gut überstanden.
Für den Besuch des Weihnachtsbazars am nächsten Tag hatte ich dann allerdings keine Kraft mehr und hab mich in den Zug gesetzt, um Richtung Heimat zu fahren. Der Virus, den ich übrigens im Kindergarten aufgeschnappt habe, hat sich natürlich noch die ganze Woche hingezogen. Immer wenn ich dachte, es sei vorbei und angefangen habe, normal zu essen, ging es wieder los...
Somit konnte ich am Donnerstag auch nicht mit Anne und Greta nach Thessaloniki zum internationalen Filmfestival fahren. Eine achtstündige Fahrt im Nachtzug hätte der Magen gestern vermutlich nicht mitgemacht. Ich habe also beschlossen, heute (Freitag) erst einmal zur Arbeit zu gehen, da ich dringend gebeten wurde, dort zu sein. Die neue Kindergärtnerin war nämlich heute mit den 25 Kleinen allein.
Danach wollte ich den Zug nach Thessaloniki nehmen. Ich hätte aber ahnen sollen, dass mich etwas daran hindern würde, denn mittlerweile war mir schon unser Badezimmerregal mir Nichts dir Nichts auf den Kopf gekracht. Dem war dann auch so. Denn natürlich hielt heute Morgen zum ersten Mal, seit ich hier in Vasiliko wohne, KEIN Auto an, um mich mit nach Kiato zu nehmen. Somit habe ich den Neun-Uhr-Bus verpasst, weil ich die Strecke laufen musste.
Da ich sowieso schon um viertel vor neun im Kindergarten hätte sein sollen, beschloss ich dann kurzerhand mit bisschen schlechtem Gewissen, gleich zum Bahnhof zu laufen. So. Jetzt kam der Maysche Orientierungssinn zum Einsatz, der kläglich versagte. Denn da wir denselben Weg erst letzte Woche gelaufen waren, dachte sich die liebe May, dass es kein Problem sei, den Bahnhof zu finden. Mir kamen die Häuser, Läden und Straßen auch wirklich sehr bekannt vor. Ich weiß leider nur nicht wieso. Denn nach 45-minütigem Marsch war ich am Ortsende angelangt und mir wurde klar, dass ich in die völlig falsche Richtung gelaufen war.
Nachdem ich die ungefähre Richtung zum Bahnhof von einer hilflosen Passantin erfragt hatte, wanderte ich also weiter. Nach 15 Minuten fand ich mich dann zwar an einem Bahnübergang wieder: ein Bahnhofsgebäude war jedoch immer noch nicht in Sicht. Aber, intelligent wie man sein muss, wenn man keinen Orientierungssinn hat, entschied ich mich dafür, an den Gleisen entlang zugehen. Das war dann mal eine wirklich gute Idee. Denn heute hatten wir 15 Grad, Sonnenschein und somit schönstes Herbst- und Wanderwetter. Und der Weg an der Bahnstrecke entlang war traumhaft! Ich habe es so genossen dort zu laufen, dass ich meine Misserfolge schon wieder vergessen hatte. Letztlich habe ich dann auch den Bahnhof gefunden.
Etwas erschöpft von meiner mittlerweile zweieinhalbstündigen Wanderung wollte ich also, froh am Ziel zu sein, ein Ticket kaufen. Doch, wie hätte es anders kommen können: Die Tickets waren ausverkauft. Die "freundliche" Dame hinterm Schalter teilte mir mit, ich könnte höchstens nach Athen fahren und hoffen, dass jemand sein Ticket zurückgeben oder verkaufen wolle. Ich war inzwischen aber nicht mehr wirklich motiviert genug, um das in Angriff zu nehmen und entschied mich für ein Relaxwochenende. Etwas anderes blieb mir allerdings auch nicht übrig, denn meine Mitbewohnerinnen befinden sich in Athen auf einem Seminar, Selim ist in Österreich und die Anderen eben in Thessaloniki.
Obwohl ich erst schon sehr enttäuscht war, dass ich wohl keine Gelegenheit haben sollte Filme zu sehen (Ihr wisst ja, wie ich das LIEBE), hab ich mich mittlerweile mit dem Gedanken, ein Wochenende für mich zu haben, angefreundet. Zunächst einmal habe ich Weihnachtseinkäufe erledigt (jaja... im November) und bin dann, stolz über die erstandenen Geschenke, nach Vasiliko zurückgewandert, weil das Wetter immer noch perfekt dazu war. Dann hab ich gemütlich gekocht und mich aufs Sofa gekuschelt. Nachdem ich dann noch Laufen war und endlich wieder ein bisschen Ballett gemacht habe, habe ich dann das Wochenende geplant, das ich wohl mit ausgiebigen Spaziergängen, Kochen, Serien schauen, Weihnachtsdeko basteln und ein bisschen Aufräumen verbringen werde. Auch wenn sich das langweilig anhört – nachdem ich JEDES Wochenende unterwegs war und auch noch ständig erkältet oder sonst irgendwie angeschlagen war, freu ich mich mittlerweile fast schon darauf.
Jaja, alles hat Vor- und Nachteile. Man muss eben nur die Vorteile sehen (hab ich beschlossen). Ich hoff jetzt einfach mal, dass es im Kindergarten nicht zu viel Ärger gibt, weil ich nicht da war und dass meine Mitfreiwilligen nicht enttäusch sind, dass ich nicht gekommen bin.
Vielen Dank übrigens mal für die lieben E-Mails von daheim! Ein Monat noch, dann seh’ ich Euch alle wieder. Darauf freu ich mich wirklich schon, aber genauso traurig bin ich, wenn ich daran denke, das Leben hier hinter mir lassen zu müssen und mich von den Personen, mit denen ich jetzt teilweise sechs Monate zusammen gelebt habe, verabschieden zu müssen. Aber das ist ein anderes Thema, mit dem ich mich dieses Wochenende nicht beschäftigen werde. Grüße von eurer gut gelaunten May.