Meine ersten zwei Monate in der Schule – Resümee
Gleich vorweg hierzu eine kleine Anmerkung: Eigentlich ist es mir (fast) unmöglich alle Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke meiner bisherigen Arbeit in den beiden Schulen in Nagyvázsony und Balatonfüred in einem Blogeintrag zusammenzufassen. Dennoch wollte ich es gern versuchen (– auch, um bestimmten Leuten zu zeigen, dass ich nicht, wie bisher angenommen, nur reise, sondern tatsächlich auch manchmal arbeite ;)).
Ich arbeite jetzt seit fast drei Monaten in der Kinizsi Pál Grundschule in Nagyvázsony und in der Református Általános Iskola in Balatonfüred, eine calvinistisch geprägte Schule, und bin sehr froh über diese Arbeit, da mich die Arbeit im Jugendzentrum oftmals nicht genug gefordert hat (zumal uns in diesem Jahr auch mehr oder weniger die Kinder ausbleiben…).
Meine Arbeit in der Schule gefällt mir besonders gut, da sie sehr abwechslungsreich ist. Erstens, weil die Grundschule in Ungarn acht anstatt wie in Deutschland vier Jahre beträgt. Dadurch habe ich die Möglichkeit mit vielen, verschiedenen Altersklassen zu arbeiten. Zweitens, weil Melinda die eigentliche Koordinatorin der Freiwilligen vonseiten der Schule, diesen Sommer von der Grundschule in Nagyvázsony an die Grundschule in Balatonfüred gewechselt ist. Das heißt, vorher haben die deutschen Freiwilligen soweit ich weiß ausschließlich mit ihr und ausschließlich in der Schule in Nagyvázsony gearbeitet. Ich bin die erste deutsche Freiwillige, die nun in zwei verschiedenen Schulen arbeitet. Das bedeutet zwar einerseits auch, dass ich montags und freitags bereits sehr früh aufstehen muss, um pünktlich in Balatonfüred zu sein und außerdem sehr viel Busfahrerei am Nachmittag, da ich immer über Veszprém fahren muss, was eigentlich ein Umweg ist. Dafür darf ich andererseits allerdings auch im Deutsch- und Englischunterricht aushelfen. Ich arbeite mit vier Deutschlehrerinnen/ern in Nagyvázsony und mit zwei Deutschlehrerinnen und einer Englischlehrerin in Balatonfüred zusammen und habe dadurch viel mehr Abwechslung. Und letztlich komme ich so ab und an auch mal aus Nagyvázsony, das zwar ein wunderschönes Dorf ist, aber manchmal auch etwas einengend sein kann, raus.
Die Arbeit in den Schulen macht mir großen Spaß, da ich mich in Form von Präsentationen (z.B. über Berlin, St. Martin, ein Schullandheim, in dem ich schon war, etc.), Überprüfen der Hausaufgaben, Einzelarbeit mit entweder schwächeren oder besonders guten, das heißt im Allgemeinen mit zu fördernden Schülern und beispielsweise durch das Erklären von Wörtern auf Deutsch sehr gut einbringen kann.
Allerdings war es anfangs für manche Lehrerinnen und Lehrer wohl auch etwas ungewohnt, eine Muttersprachlerin im Unterricht zu haben, da sie sich kontrolliert fühlten, bzw. Angst hatten, vor mir Fehler zu machen und sich in irgendeiner Form zu blamieren. Das ist eine Erfahrung, die man laut meiner Sprachlehrerin, die selbst in Frankreich schon als Lehrerassistentin gearbeitet hat, überall machen kann. Für manche Lehrer war es auch schwer, sich umzustellen, bzw. mich in ihren eigenen Unterricht miteinzubinden, da sie jahrelang ohne fremde Hilfe unterrichtet hatten und vielleicht nicht genau wussten, wie sie mich in ihrem Unterricht einsetzen sollten. Daher wurde ich oft einfach neben schwächere Schüler gesetzt, um ihnen zu helfen, was mir dann aber irgendwie das Gefühl gab, wieder eine Schülerin zu sein und keine Lehrerassistentin… Daraus gelernt habe ich eine wichtige Sache, die wohl jeder während seines EVS lernt: Es ist wichtig, für seine eigenen Wünsche, Vorschläge und Ideen einzustehen. Manchmal kostet das eventuell auch etwas Überzeugungsarbeit und manchmal kann es auch schwer sein, wenn man die Landessprache nicht wirklich beherrscht… Allerdings hat es sich in meinem Fall sehr gelohnt, die betreffenden Lehrpersonen anzusprechen und zu erklären, dass ich bei anderen Lehrern auch herumgehe und z.B. die Hausaufgaben kontrolliere. Die meisten waren dann erfreut über die Eigeninitiative.
Meine beiden Highlights waren die beiden Fahrten nach Budapest und Graz, die ich mit der Schule in Balatonfüred unternommen habe und der Nationalitätentag in Nagyvázsony. (Zu Graz wird wahrscheinlich noch ein kleiner Beitrag folgen… Am Nationalitätentag saßen Melinda, Nicolas und ich in der Jury für die Gedichte, die die Kinder auf Deutsch vortrugen und anschließend arbeiteten wir in verschiedenen Sportstationen eines großen Parcours, den sie zu absolvieren hatten.)
Zum Schluss noch ein paar Besonderheiten des ungarischen Unterrichts:
Lehrerinnen und Lehrer werden meist mit dem Vornamen angesprochen, z.B. „Melinda Néni“, also „Frau Melinda“ oder „Józsi Bácsi“, also „Herr Józsi“.
Besonders den Kleinen werden viele Dinge sehr spielerisch beigebracht. Ich habe auch generell das Gefühl, dass man hier weniger mit Tabellen und Tafelanschriften, sondern vielmehr anhand von Beispielen und interaktiv lernt.
An der Nationalitätenschule haben die Erstklässler bereits fünf (!) Stunden Deutschunterricht pro Woche.
Die ungarischen Schüler, mit denen ich gearbeitet habe, haben pro Woche fünf Sportstunden (ich hatte gerade mal zwei und das hat mir schon gereicht;) ).
Und als Letztes: Ein Überbleibsel aus sozialistischen Zeiten ist das sogenannte Melden. Hierbei müssen zu Beginn der Stunde ein oder zwei Schüler melden, dass die Klasse zum Unterricht bereit ist und wer fehlt. Für mich ist das noch immer etwas seltsam, wenn Sechsjährige wie beim Militär vortreten müssen, um zu melden…
Okay, ich denke, das ist so ziemlich alles. Liebe Grüße,
Sophie