Mein zweiter Blog- Frühling in den Niederlanden!
In meinem zweiten Blogeintrag erzähle ich euch von meinem Frühling in den Niederlanden, meinem "on-arrival training" und meinen Erlebnissen bei der Arbeit.
Hallo lieverds!
Wie schön, dass ihr euch für meinen zweiten Blog und meine Erlebnisse in den Niederlanden interessiert!
Wie ich ja in meinem letzten Blogeintrag erwähnt hatte, stand für uns in der zweiten Aprilhälfte unser erstes Seminar an, welches als „on-arrival Training“ bezeichnet wird. Am 18. April machte ich mich also mit zwei meiner Mitfreiwilligen auf den Weg nach Arnhem, wo unser Seminar stattfinden sollte. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartet und hofften einfach nur, nette Leute kennenzulernen und ein paar schöne Tage außerhalb unseres Wohnzentrums verbringen zu können. Wir hatten unglaubliches Glück, denn wir wurden die ganzen fünf Tage des Seminars mit Sonnenschein und 27 Grad verwöhnt, weshalb wir mit den anderen Freiwilligen, zu denen wir schnell Kontakt knüpfen konnten, viel Zeit draußen verbringen konnten und auch der Großteil unseres Seminarprogramms draußen stattfinden konnte. Wir verbrachten die Tage damit, uns über unsere Projekte und Erfahrungen auszutauschen und uns gegenseitig Tipps für Probleme zu geben, die innerhalb eines Freiwilligendienstes aufkommen können. Außerdem durften wir in Kleingruppen Projekte zu einem selbst gewählten Thema erarbeiten. Die einzige Bedingung war, das man das Thema mit unserem Freiwilligendiest verknüpfen kann. Meine Gruppe beschäftigte sich mit der Sozialpolitik der Niederlande und so verbrachten wir einen ganzen Tag damit, in der Innenstadt von Arnhem Leute aller Generationen zu bestimmten Fragen zu interviewen. Es ergaben sich zum Teil sehr interessante Gespräche, zum Teil aber auch sehr seltsame. So sprachen wir mit mehreren Menschen, die eher sehr konservativ und patriotisch eingestellt waren, die Beschreibung ist allerdings noch ziemlich beschönigt, und deren Hauptforderung es war, dass alle Ausländer aus den Niederlanden verschwinden sollen. Da sie aber von einer Gruppe interviewt wurden, die nur aus Ausländern bestand, war das schon eine seltsame Situation. Allerdings hatte ich so die Gelegenheit, meine ersten politischen Debatten auf Niederländisch zu führen. Generell waren es tolle Tage und auch, wenn wir nur zehn Seminarteilnehmer waren, im Winter beginnen nicht so viele mit einem Freiwilligendienst, kamen wir doch auf acht verschiedene Nationalitäten und konnten uns gegenseitig viel über unsere Sprachen und Kulturen beibringen. So durfte ich zum Beispiel ein typisch spanisches Kartenspiel lernen, einen estländischen und einen griechischen Volkstanz anschauen und italienische Rockmusik hören. Außerdem kann ich mich jetzt auf Estnisch vorstellen ;) Im Gegenzug habe ich für die anderen Texte von „Rammstein“ übersetzt, da man scheinbar von Lettland bis Spanien diese Band kennt.
Am Freitag, den 27. April, wurde dann der Geburtstag des niederländischen Königs Willem-Alexander gefeiert. Dies nahmen meine Mitfreiwilligen und ich zum Anlass, über das lange Wochenende, der Tag ist nämlich offizieller Feiertag, nach Amsterdam zu fahren. Es war ein Wochenende voller Parties, orangener Kleidung und Schminke und Menschen, die ausgelassen feierten. Im Prinzip war die ganze Stadt eine riesige Party und der einzige Bezug, der sich noch zum ursprünglichen Anlass herstellen ließ, waren die orangenen Girlanden und Klamotten. Es war aber auch nicht alles schön. Da viele Leute, die nach Amsterdam kommen offensichtlich denken, hier sei alles erlaubt, sah man, je später es wurde, immer mehr Menschen, die es mit dem Drogenkonsum leider übertrieben haben. Außerdem war es erschreckend zu sehen, wie viel Müll an diesem Tag auf der Straße gelandet ist. Abgesehen davon hatten wir aber ein sehr schönes Wochenende, was uns alle irgendwie näher zusammen gebracht hat.
In der Woche danach folgte dann gleich der nächste Feiertag. Am fünften Mai ist in den Niederlanden „Bevrijdingsdag“. Mit vielen Konzerten, Festivals und Lesungen wird die Befreiung vom Faschismus und das Ende des 2.Weltkrieges gefeiert. Ich bin mit einem Freund, den ich bei der Arbeit kennengelernt habe, auch zu einem Festival in Den Bosch gegangen. Es hat mich wirklich beeindruckt, wie alle Generationen zusammen diesen Tag verbracht haben und feierten, dass man hier heute in Frieden leben kann, aber auf der anderen Seite auch denen gedachten, die das damals nicht konnten und heute immer noch nicht können. Trotzdem habe ich mich komisch gefühlt, wenn über riesige Leinwände Szenen vorgespielt wurden, die Deutsche Besatzer beim Einzug in die Niederlande gezeigt haben. Auch wenn ich weiß, dass damals eine ganz andere Generation an den Kriegsverbrechen beteiligt war, war es ein seltsames Gefühl. Aber der Fokus lag an dem Tag auch ganz stark bei der traurigen Tatsache, das Freiheit eben nicht so selbstverständlich ist. Und so wurde das Festival aktiv von Initiativen wie Amnesty International und Unicef mitgestaltet, um darauf aufmerksam zu machen, dass es noch so viele Menschen auf der Welt gibt, die nicht in Freiheit leben.
Generell kam bei mir im Mai keine Langeweile auf. Ich habe den „Keukenhof“ in der Provinz Südholland besichtigt. Der zählt zu den größten Blumengärten der Welt und ist wirklich wunderschön! Jährlich werden dort bis zu sieben Millionen Blumenzwiebeln eingepflanzt. Und er ist von diesen riesigen Tulpenfeldern umgeben, die ihr bestimmt schon mal auf „typisch niederländischen“ Fotos gesehen habt. Außerdem hatte ich viele Chorproben, weil wir demnächst drei Auftritte haben, unter anderem auf einer Hochzeit, worauf ich mich schon sehr freue. Ich bin immer fleißig zu meinen Tanzstunden gegangen und hatte viele Freunde zu Besuch. Über Pfingsten waren es sogar fünf Freunde aus Deutschland, die sich spontan dazu entschlossen hatten, mich besuchen zu kommen. Und so gingen wir ganz kurzfristig ein paar Tage auf einem Campingplatz in Amsterdam zelten. Allerdings waren wir nicht die einzigen deutschen Jugendlichen mit der Idee und man hat sich manchmal schon gefühlt wie auf einem Musikfestival... Danach waren wir dann noch einen Tag in meiner Stadt, die ja nur eine Stunde von Amsterdam entfernt ist.
Auch bei der Arbeit habe ich viel erlebt. Zum Teil wirklich schöne Dinge, die mich sehr glücklich gemacht haben. Ein 96 jähriger Herr, der taub ist, seitdem er Mitte 40 war, hat mir zum Beispiel lachend erklärt, dass er es toll findet, mit mir auf dem Tisch rum zu trommeln, weil er, auch, wenn er nichts hört, ein ganzes Orchester in seinem Kopf hätte! Außerdem habe ich 20 Damen auf niederländisch bei der Aquagymanstik angeleitet und mich wirklich gefreut, dass das geklappt hat. Allerdings erlebe ich auch Dinge, die mich ziemlich mitnehmen. Ich musste feststellen, was es heißt, wenn einige ältere Menschen ihre Körperausscheidungen nicht mehr unter Kontrolle haben und habe das erste Mal mit einer Person geredet, die im Sterben lag. Und je besser ich die Bewohner und Senioren kennenlerne, mit denen ich arbeite, desto mehr kann ich auch sehen, dass es mit den meisten stetig bergab geht. Ich versuche trotzdem jeden Tag, ihnen viel Aufmerksam und Lebensfreude zu schenken, um ihnen noch viele schöne Momente zu bereiten, bevor sie uns verlassen.
Geniet lekker van de zon!
Tot kijk, eure Marieke