Mein vierter Blog- Herbst in den Niederlanden!
Es ist schon wieder eine ganze Weile vergangen, seitdem ich das letzte Mal einen Blog geschrieben habe. Es wird wieder höchste Zeit! Und da die Tageshöchsttemperatur von sieben Grad inklusive Nieselregen mir sowieso jegliche Motivation genommen haben, mich gerade draußen aufzuhalten, sitze ich lieber drinnen mit einer Tasse Tee und berichte euch von meinem Herbst in den Niederlanden!
Ihr lieben Leute!
Es war ein goldener, warmer Herbst, was mich sehr gefreut hat! Wettermäßig habe ich wirklich Glück. Der Sommer war unfassbar heiß und sonnig und auch der Herbst war überwiegend trocken. Die Sonne hat so manchen Tag die Bäume vor meinem Fenster in ein goldenes Licht getaucht. Dies war auch eine perfekte Voraussetzung, um viel Besuch zu empfangen. Anfang September sind meine Eltern für ein Wochenende hergekommen und haben so einiges für mich mitgebracht. Vieles konnte ich mir zuvor von netten Leuten in meinem Haus leihen, aber ich sage euch, ich dachte nicht, dass es sich so gut anfühlt einen Toaster zu haben! Zu meiner großen Freude haben sie auch eine wunderbare Hängematte mitgenommen, die zu meinem Lieblingsplatz in meinem Zimmer geworden ist. So manche Stunden habe ich damit verbracht, in der Hängematte zu liegen und durch meine riesigen Fenster die Wolken oder, je nach Tageszeit, die Sterne zu beobachten.
Der September war sowieso der „Familienbesuchsmonat“. Nicht nur meine Eltern statteten mir einen Besuch ab, sondern auch meine Großeltern. Durch einige Komplikationen mit dem Navigationssystem, sie hatten leider keine Landkarte der Niederlande eingespeichert, kamen sie, wenn auch ein wenig gestresst, doch wohl behalten in Den Bosch an und wir haben den Tag mit Kaffeetrinken und Stadtanschauen verbracht. Ende September kam dann noch mein liebes Bruderherz mit zwei seiner Kinder zu Besuch. Wir hatten ein großartiges Wochenende zusammen und haben das volle Holland Program abgezogen. Mit Hagelslag, Vla, Chocomel und typischen Snacks, die man so in einer niederländischen "Cafetaria" bekommt. Ein Ort, an dem man eigentlich nur frittierte Lebensmittel erwerben kann. Typischerweise niederländische Kroketten, im Gegensatz zu deutschen Kroketten aus Fleisch gemacht, Bitterballen, Frikandellen oder auch Kaassoufflés. Mein Bruder, der in seinen jüngeren Jahren in den Niederlanden studiert hat, freute sich sehr über all das ungesunde Zeug und die schönen Erinnerungen, die es bei ihm hervor rief. Da wir auch an dem Wochenende mit strahlendem Sonnenschein verwöhnt wurden, konnten wir einen langen Spaziergang im naheliegenden Naturschutzgebiet machen, welches parallel zur Stadt verläuft und schlussendlich mit einer Seilfähre zurück zur Stadtseite über setzen. Außerdem war meine Nichte von den Ziegen in unserem Garten begeistert, die sich streicheln lassen wie Hunde.
Da es nachts schon an die null Grad kalt wurde und meine Heizung noch nicht funktionierte, habe ich irgendwann doch sehr gefroren. Teilweise habe ich nur noch mit Decke in meinem Zimmer gesessen. Mittlerweile funktioniert die Heizung zum Glück und mein Zimmer ist sehr gemütlich und warm. Also Oma- mach dir keine Sorgen! ;)
Ich bekam außerdem Besuch von einer Freundin aus Münster, die ich bei meinem Vorbereitungsseminar letzten Dezember in Deutschland kennengelernt habe. Sie hat ihren Freiwilligendienst in Dänemark absolviert. Es war toll, sich über Erfahrungen austauschen zu können und es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie einen eine gemeinsame Rahmensituation zusammenschweißen kann. Darüber habe ich auch viel mit meinen internationalen Freunden geredet, die ihren Freiwilligendienst in der niederländischen Hafenstadt Den Helder geleistet haben. Ich habe sie häufiger besucht und wir haben uns bei unseren gemeinsamen Seminaren gesehen. Allerdings kennen wir uns ja erst verhältnismäßig kurz und so regelmäßig waren unsere Treffen dann auch nicht. Natürlich ist ein Freiwilligendienst für jeden Menschen eine ganz individuelle und eigene Erfahrung, aber trotzdem hatten wir, bedingt durch dieselbe Grundsituation, das Gefühl, uns schon viel länger als ein paar Monate zu kennen. Man vertraut sich so schnell, dass sich doch echte Freundschaften daraus entwickelt haben. Ich habe meine Freunde Mitte September noch mal besucht und habe das kombiniert, um mit meiner Freundin aus Estland, die ihren Freiwilligendienst in Amsterdam macht, auf die Nordseeinsel Texel zu fahren. Wir haben uns Fahrräder geliehen und sind einen Tag lang über die Insel geradelt, der man nachsagt, dass mehr Schafe als Menschen auf ihr leben. Ich habe keine präzisen Zählungen durchgeführt, aber grob überschlagen würde ich sagen, dass das durchaus stimmen könnte. Leider war der Tag eine der wenigen Tage im September, an dem es fast den ganzen Nachmittag über geregnet hat. Ab einem gewissen Punkt beschlossen wir, dass uns das einfach egal ist und radelten lachend durch den Regen, gingen Tee trinken und freuten uns darüber, dass durch den Sturm der Schaum der Wellen über den ganzen Strand gepustet wurde.
Meine Den Helder-Gang kam dann auch zu Besuch in Den Bosch. Ein Septembertag, an dem es tatsächlich noch mal 27 Grad wurden. Leider war das auch der Tag, an dem wir Abschied von einander nehmen mussten, weil ihr Projekt dem Ende zu ging. Es war ein komisches Gefühl, sie in den Zug steigen zu sehen, nicht wissend, wann oder ob man sie noch mal wieder sieht. Schließlich wohnen sie in Polen, Lettland, Spanien und Griechenland.
Ein weiteres Highlight im September war definitiv mein Ausflug nach Rotterdam. Früh morgens machte ich mich auf den Weg und ich glaube wirklich, dass ich 2017 das letzte Mal so früh aufgestanden bin. Voller Überraschung stellte ich fest, dass die Stadt morgens den Vögeln gehört. Wo sich tagsüber Menschen herumtreiben und Fahrräder und Roller entlang rasen, halten sich früh morgens Scharen von Möwen, Tauben und Krähen auf. Aber nur, bis das Treiben auf den Straßen wieder beginnt. Der Grund für meinen Ausflug war die Tatsache, dass ich noch ziemlich kurzfristig eine Karte für eine Rede des Dalai Lamas erstanden habe, der zu Besuch in den Niederlanden war. Ich war unfassbar gespannt und voller Vorfreude. Der Dalai Lama-ein Mann, von dem man häufiger mal ein weises Zitat gelesen hatte oder einen Beitrag im Fernsehen sieht. Wie würde es sein, ihm zuzuhören? Die Sicherheitschecks waren fast so gründlich wie am Flughafen, weshalb sich das ganze Unterfangen ein wenig verzögerte, aber endlich saß ich in der riesigen, abgedunkelten Halle und starrte wie gebannt auf die in gelblichen Farbtönen beleuchtete Bühne. Als er dann endlich die Bühne betrat, konnte ich einfach nicht mehr. Ich brach in Tränen aus. Ich kann schwer zusammenfassen, was in dem Moment in mir vorging. Ich war einfach so überwältigt davon, ihn wirklich zu sehen. Überwältigt von seiner Ausstrahlung und von der Ruhe, mit der er sich zu allen Seiten drehte, um die Menschen mit einer Verbeugung zu grüßen. Überglücklich, dass ich genau zur rechten Zeit am rechten Ort war. Außerdem dachte ich, dass ich ihn vielleicht nie wieder sehe. Er ist ja mittlerweile auch schon 83 Jahre alt und unternimmt viel weniger Reisen als früher. Er redete an dem Morgen darüber, wie wichtig Empathie und Mitgefühl gerade in Zeiten wie diesen sind, in denen man sich von Populismus und Gewalt schnell zu unüberlegten Handlungen und Hass treiben lasse. Definitiv ein Tag, den ich nicht so schnell vergessen werde!
Vor ein paar Tagen ist ein Klient, der jeden Tag zur Tagespflege kam, nach einer Operation ins Koma gefallen. Es war sehr traurig zu sehen, wie seine körperliche Verfassung immer schlechter wurde. Er hatte sich bei einem Sturz erst den Arm gebrochen, dann bei einem weiteren Sturz ein paar Wochen später den Kopf heftig angeschlagen und bei seinem letzten Sturz die Hüfte gebrochen, weshalb er operiert wurde. Er war mein Freund. Wir haben immer Witze zusammen gemacht und er hatte fast immer eine humorvolle Bemerkung zu meinen Aussagen. Außerdem begann er meistens, wenn er mich sah, ein Lied von Jaques Brel zu singen, welches den Namen „Marieke“ trägt. Es war für mich sehr schockierend, dass er plötzlich nicht mehr zur Tagespflege kam. Ich hatte ihm am Freitag noch „Tot volgende week“ zugerufen. Da habe ich nicht geahnt, dass ich ihn vielleicht nie wieder sehe.
(Nachtrag: er ist mittlerweile verstorben).
Von der Traurigkeit, mit der man oft konfrontiert wird, wenn man mit an Demenz erkrankten Menschen arbeitet, mal abgesehen, läuft es bei der Arbeit gut. Wie die Menschen zu mir sind, berührt mich häufig sehr. Es vergeht kein Donnerstag, an dem ich nach dem Gottesdienst im Pflegezentrum kein Kompliment für mein Klavier spielen bekomme und die Leute fangen jetzt schon an mir zu sagen, dass sie mich sehr vermissen werden. Eine Dame war überglücklich, weil ich mit ihr spazieren gegangen bin und wir zusammen bunte Herbstblätter gesammelt haben. Ein anderer Herr sagte zu mir: "Immer, wenn ich dich sehe, ist es ein guter Tag". So etwas lässt einem das Herz aufgehen.
Die Vorstellung, dass mein Jahr hier schon fast vorüber ist, ist mehr als seltsam. Die Zeit vom Januar bis jetzt ging unfassbar schnell rum und vieles wirkt schon so weit weg und gleichzeitig so, als wäre es gestern erst passiert. Ich kann noch nicht realisieren, dass ich bald all die Menschen, die ich so gut kennengelernt und so lieb gewonnen habe, einfach hinter mir lasse und zurück nach Deutschland gehe.
Im Oktober hatte ich acht Tage lang Urlaub und bin mit meinem Freund in Belgien gewesen. Wir haben uns mehrere belgische Städte angeschaut und die traumhaften belgischen Waffeln, sowie das geniale Wetter sehr genossen! Es hat gut getan, ihn endlich wieder zu sehen.
Ich hoffe, dass es euch gut geht und ich bedanke mich, wenn ihr tatsächlich bis hier hin gelesen habt!
Groetjes en tot kijk!
Eure Marieke