Mein portugiesisches Weihnachten
Ein wohl zu ausführlicher Bericht über die Gebräuche Portugals zu Weihnachten und meinen persönlichen Erlebnissen...
Erstmal möchte ich mich entschuldigen, dass es in den letzten Wochen so still um mich war. Aber ich muss sagen, ich bin entweder immer auf Achse oder zu faul :P
Jetzt bin ich schon 3 Monate hier, das ist ein Viertel eines Jahres und rückblickend kommt es mir noch gar nicht so lange vor.
Ich hab schon viele tolle Sachen erlebt: viele Städte bereist (Lissabon, Porto, Braga, Vilagarcía, Fátima, Viana do Castelo...), eine neue Sprache gelernt (verstehen tu ich schon so ziemlich alles und mit dem Sprechen wird es auch immer besser!) und vor allem viele Freundschaften geschlossen!
Der Dezember verging wie im Flug. Im Jugendzentrum gab es den ganzen Monat, Weihnachtsbasteleien und –bäckereien und die Weihnachtsfeier der Organisation zu vorzubereiten. Genau, dann gab es eben unzählige Weihnachtsfeiern. Erst stand die Weihnachtsfeier mit meiner Mannschaft an, bei welcher wir in ein Restaurant zum Essen eingeladen wurden und bei der ich auch meinen ersten „Bolo Rei“ bekommen hab!!! (Bolo Rei ist eine typische Weihnachtsspezialitaet hier, es ist so eine Art Gewürzkuchen). Danach ging es dann noch bis in die Nacht feiern
Am nächsten Tag kam dann gleich die Weihnachtsfeier der Organisation hinterher. Die Organisation hatte eine Riesenhalle gemietet mit Bühne, Hüpfburg, Kicker, Tischtennisplatte, sprich allem was das Kinderherz begehrt.
Die Eltern waren angewiesen jeweils etwas Süßes, etwas Herzhaftes und etwas zu trinken mitzubringen und so war unser Büffet am Ende bombastisch (und wir durften die Hälfte mit nach Pousadinha nehmen am Ende, was uns eine Woche Kuchen beschert hat…).
Unterhalten wurden alle von einem Zauberer (die Kinder waren so was von hin und weg!) und dann von den Kids selbst, die gesungen oder getanzt haben.
Das Einzige, was diesen Tag ein bisschen getrübt hat, war, dass man uns dazu gebracht hat, dämliche Weihnachtsfrauenkostüme anzuziehen, die für uns maßlos zu groß waren und ich dann eher aussah wie der Sack vom Weihnachtsmann!!
Naja, aber die Kinder haben es geschafft, mich das vergessen zu lassen.
Spitze war auch, als Attila den Weihnachtsmann für die Kinder gespielt hat :D
An Weihnachten selbst waren dann nur noch Céline und ich im Lande, da Attila und Lorena nach Hause geflogen sind. Am 24ten waren wir zu den Eltern unserer Mentorin Filipa eingeladen. Schon um 15 Uhr wurden wir bei strahlendem Sonnenschein abgeholt, denn wir sollten ja das ganze portugiesische Weihnachten miterleben!
Es wird sich in Portugal nämlich schon nachmittags mit der ganzen Familie getroffen und danach wird das Festessen gemeinsam zubereitet (naja „gemeinsam“, die Männer unterhalten sich oder schauen ein brasilianisches Weihnachtsprogramm und die Frauen unterhalten sich in der Küche, während sie das Essen zubereiten :P).
Céline und ich haben also unser Bestes gegeben, nützlich zu sein, aber im Endeffekt konnten wir nur bei einem Kuchen helfen, weshalb haben wir uns für eineinhalb Stunden davongestohlen haben, um Skype-Konferenzen mit meiner Mama und meinem Papa durchzuführen. Ich habe nämlich am Donnerstag vor Weihnachten ein überraschendes Weihnachtspaket aus Deutschland bekommen, in welchem selbstgemachte Plätzchen und Lebkuchen, warme Klamotten (jaja, immer diese besorgten Mütter ;) und Geschenke zu finden waren!
Ich konnte mich kaum zusammenreißen, die Geschenke nicht gleich zu öffnen, aber ich wollte sie vor der Kamera auspacken und das hab ich dann auch gemacht. Es war eigentlich fast, als wäre ich nicht weg. Aber auch nur fast.
Als wir dann fertig waren, ging es zum Essen an die riesige Tafel (wir waren 2o Leute mit all den über Portugal verstreuten Cousins, Tanten und Onkel).
Genau, ihr fragt euch nun vielleicht: Was gibt es denn in Portugal traditionell zu Weihnachten?
Erste Antwort: VIEEEEEEL!!!! ZU VIEL für die schlanke Linie ;) :D
Zweite, ausführlichere Antwort: Tradition hat Bacalhau mit Kartoffeln und Kohl oder auch Tintenfisch mit Reis. Und dann gibt es noch die typischen Weihnachtsnachspeisen „rebanadas“ (in Ei eingelegtes und dann in der Pfanne mit Zucker und Zimt frittiertes Brot – Fett triefend, aber klar gut-) und „Bolo Rei“ (über den ich Euch ja schon aufgeklärt habe).
Bei uns gab es Bacalhau (=Stockfisch) mit Kartoffeln und Kohl. Für mich gab es alternativ zum Fisch Sojabällchen, die wirklich toll geschmeckt haben. Bei den Nachspeisen hat man sich nicht nur auf „rebanadas“ und „Bolo Rei“ beschränkt, nein, es gab auch noch „arroz doce“ (eine Art Milchreis), süße Nudeln (wie Milchreis nur in eben Milchnudeln), Ananas-, Nuss- und Plätzchenkuchen, Pudding und meine mitgebrachten Lebkuchen (die zu Anfang eher skeptisch betrachtet wurden :D).
Nach dem Essen – das typischerweise mit viel Wein begleitet wird - konnten Céline und ich einen fast authentisch wirkenden Babybauch vorweisen ;)
Danach wurde sich weiter unterhalten oder eben Fernsehen gesehen (meiner Meinung nach ist der Fernseher hier zu allgegenwärtig).
Aber irgendwie musste die Zeit ja totgeschlagen werden, denn hier ist es Brauch die Geschenke erst um Mitternacht zu öffnen, weil der Weihnachtsmann nun einmal erst um Mitternacht (wenn alle „schlafen“) durch den Schornstein kommt (sehr amerikanisiert hier).
Die Wartezeit war echt witzig. Die –ich schätz mal- ca. 50-jährige Tante meiner Mentorin hat sich aufgeführt wie ein kleines Kind und hat ständig versucht, alle zu überreden, die Geschenke schon früher zu öffnen. Und als es dann endlich so weit war, war sie die erste die zum Baum geflitzt ist und die Geschenke verteilt hat.
Die Bescherung hat dann auch ziemlich lang gedauert und hat Céline und mich in vielfältiger Weise überrascht.
In unserer Organisation verdienen die Mitarbeiter 500, höchstens 600 Euro im Monat, mehr verdient man nur wenn man in der Fabrik arbeitet (dann sind es so 1000 Euro) oder wenn man Lehrer ist.
Aber trotzdem wurden Sachen von Levis, Nespresso, Burberry und Apple verschenkt. Sogar wir als Gäste haben etwas bekommen! Von unserer Mentorin haben wir jeweils eine Kette bekommen und von je einer der zwei Tanten einen Schal und eine selbstgefertigte Schmuckschatulle. Es war echt supernett.
Das verdeutlicht die portugiesische Mentalität ziemlich gut. Hier denkt niemand ans Sparen, weil keiner ans Morgen denkt, sondern nur daran, seinen Mitmenschen eine Freude zu machen. Klar kann das politisch problematisch sein (wie man sieht), aber zwischenmenschlich ist es absolut wertvoll.
Um 2 Uhr sind wir dann letztendlich aufgebrochen, Filipa hat uns heimgefahren. Um halb 3 sind wir dann zufrieden in unser Bett gesunken, in dem Wissen, dass wir am nächsten Tag wieder zum Essen eingeladen waren.
Diesmal ging es zum Haus der Großeltern unserer Koordinatorin zum Mittagessen.
Auch hier war die Verwandtschaft aus dem halben Land gekommen (in diesem Fall Lissabon). Das Essen fiel wieder üppig aus. Es gab Truthahn, Kartoffeln, eine Art Bohnen-Spinat-Maismehl-Paste, grünes Gemüse aus Spinat und Kohl und Reis. Nachspeisen waren mindestens genauso viele wie am Vorabend vertreten und wie am Tag davor waren wir nach dem Mittagessen pappsatt. Als wir uns dann um 17 Uhr verabschieden wollten, um daheim noch zu putzen und Wäsche zu waschen und um einfach mal daheim zu sein, wurde uns gesagt, dass das auf keinen Fall ginge. Warum nicht? Naja, es gibt doch noch Abendessen!
Céline und ich hatten eigentlich geplant, an diesem Tag nichts mehr zu essen, da unsere Mägen das dringend empfohlen hatten, aber der Höflichkeit halber sind wir also um 20 Uhr wieder zurückgekommen.
Es gab „roupa velha“, was übersetzt „alte Kleidung“ bedeutet, in Wirklichkeit aber das traditionelle Essen bezeichnet, das die Verwertung der Reste des Weihnachtsessens vom Vortag darstellt. Bei uns wurden dann Balcalhau, Tintenfisch und Kohl klein geschnitten und mit Zwiebeln und Knoblauch in Öl angebraten. Ich hab mich nochmal mit dem Reis und der Bohnenpaste begnügt.
Zum Leidwesen unserer Mägen gab es noch hervorragenden Käse, Brot und Wein und obwohl wir absolut keinen Hunger mehr hatten, hat uns unser Appetit essen lassen wie die Weltmeister ;)
Nach dem ersten Weihnachtsfeiertag ist hier dann aber Schluss mit den Feierlichkeiten, denn den zweiten Weihnachtsfeiertag gibt es hier gar nicht, da wird schon wieder gearbeitet (wohl weil sonst einige Mägen in den Streik treten würden).
Nun haben mich ein paar Leute aus Deutschland gefragt, ob man bei 15°C und ohne Schnee überhaupt in Weihnachtsstimmung verfallen kann.
Klar kann man! Für mich war es dieses Jahr ein tolles Weihnachten. Das Wichtigste für mich ist, mit netten Leuten zusammen zu sein, gut zu essen, etwas zu verschenken, worüber sich andere freuen und vor allem der Geist von Weihnachten zu spüren, der alle Menschen freundlich und zufrieden sein lässt.
Und das hängt gar nicht von der Klimazone ab!
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