Mein Leben als Mensch - Teil 4: Von Fernsehen und Schuhen
Wir tragen Schuhe, um unsere Füße vor Verletzungen und vor Kälte zu schützen. Aber was tun wir in Zeiten, in denen wir uns vor der Realität schützen wollen? Zoom geht dieser Frage nach.
Einmal mehr verhalf mir ein abendlicher Spaziergang mit meinem lieben kleinen Hund (namentlich übrigens Mona) zu Inspiration für ein neues Thema. Mona war schon vorgerannt, doch ich stampfte und schlurfte noch hinterher, fasziniert auf meine neuen Winterschuhe blickend. Dann überkam mich einmal mehr das Gefühl, nicht bewusst genug zu leben.
Vielleicht kennt ihr das Gefühl, alles wie in einem Film zu erleben. Du bist da, und doch nicht da. Du spürst zwar die Kälte des Windes in deinem Gesicht, doch den Rest um dich herum spürst du nicht. Genauso gut könntest du an jedem anderen Ort der Welt sein, einen Unterschied machen würde es nicht. Denn was deine Augen sehen, könnte genauso gut vorgegaukelt sein. Du hast keinen Bezug mehr zur Umwelt, zur Realität. Ich verspüre in solchen Momenten immer Sehnsucht nach dem Gefühl von Gras in meiner Hand, von Sonne auf meiner Haut oder von Steinen unter meinen Füßen. Ich will SPÜREN, dass ich lebe, ich will es mitbekommen und ich will es fühlen. Und genau dieses Gefühl überkam mich auch an jenem Abend wieder. Ich überlege, wie ich meine Umwelt bewusster wahrnehmen kann und bin zu einer echt komischen Überlegung gekommen, an der ich euch gerne teilhaben lassen möchte.
Warum Fernsehen das Gleiche ist wie Schuhe
Um uns vor Kälte zu schützen, tragen wir Klamotten. Logisch. Um unsere Füße zu schützen, tragen wir Schuhe. Auch nachvollziehbar. Aber genau das ist das Problem für mich: ich will vielleicht gar nicht, dass eine zwei cm dicke Schicht aus Gummi und Stoff zwischen meinen Sohlen und der Natur ist, ich will mitbekommen, wo ich langlaufe, will den Sand oder das Gras oder das Holz oder die Erde unter meinen Füßen spüren.
Was ich durch die Schuhe spüre, das ist nicht echt. Es ist abgedämpft, es ist verfälscht. Ich nehme nicht wirklich wahr, obwohl ich doch der Realität, dem Erdboden so nahe bin. Und das gleiche gilt fürs Fernsehen. Sicherlich, das Fernsehen wurde schon genug kritisiert in letzter Zeit, aber ich möchte gerne auch noch etwas dazu sagen. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen, wie Leute sich jeden Tag stundenlang vor die Glotze knallen und nichts anderes tun können. Angeblich bekommt man ja so viel mit, wenn man fern sieht, man lernt etwas Neues. Es werden viele schöne Plätze auf der Welt gezeigt, die zu bereisen es sich lohnt, es wird die Zubereitung von Essen in Kochshows gesendet und die Leute gucken sich das tatsächlich an. Und das kann ich absolut nicht nachvollziehen!
Wie kann man sich nur Natur im Fernsehen angucken? Anstatt einfach aufzustehen und sich echt Natur anzugucken, die direkt vor dem Haus ist. Nur zwei Meter entfernt. Wie kann man sich Reportagen über andere Länder angucken? Dadurch erscheint das eigene Land wieder fade und langweilig, dabei gäbe es doch so viel zu entdecken, würden die Leute nur aufstehen. Anstatt selbst zu kochen und Freude zu empfinden, gucken sie sich lieber "Kocharena" oder "Das perfekte Dinner" an und ärgern sich, dass es so etwas nie bei ihnen zu essen gibt. Der Punkt ist, der Mensch heute lässt sich lieber von Fast-Food-Infos berieseln anstatt selbst Freude zu entdecken und rauszugehen in eine Welt voller kulinarischer Spezialitäten.
Fernsehen bietet nicht das echte Leben, genau wie Schuhe, und deshalb der Titel. Doch wie alles in der Welt gibt es auch hier wieder eine andere Seite der Medaille. Gerade heute Abend war ich wieder mit Mona draußen und als ich von meinen Schuhen aufschaute sah ich den Himmel und die Sterne. Eine frische Brise umwehte mich und ich wurde von einem neuen Gefühl erfasst: der Euphorie. Ich fühlte mich von der einen auf die andere Sekunde prächtig und voller Tatendrang, meinte bis zu den Sternen springen zu können. So als wäre alles im Leben möglich, wenn man nur fest daran glaubt. Und ich habe geglaubt. Ich dachte ich könnte bis hoch zu den Sternen springen. Und ich sprang… Doch jetzt muss ich euch enttäuschen - es hat nicht geklappt. Höher als 20 cm kam ich nicht, auch nachdem ich es noch zwei Mal probierte. Ich schaffte es nicht. Und ich fiel hin, auf den harten kalten Boden der Realität.
Mir wird nicht selten unterstellt, kindisch zu sein. Da ich schon 16 bin, könnte das als Beleidigung aufgefasst werden, denn aus dem kindlichen Alter sollte ich inzwischen raus sein. Also schämen? Ich sage: NEIN! Ich werde als kindlich eingestuft, weil ich mich für Sachen begeistern kann, die andere nicht interessieren, weil meine Gedanken noch wissen, wie man sich um sich selbst dreht. Weil ich noch etwas in mir habe, was ich Fantasie nenne (falls ich das von mir selbst behaupten darf).
Und gerade diese kindliche Unbeschwertheit macht mein Leben oft schöner und sorgloser. Sorgloser - Heißt das, dass es viele Sorgen gibt? Das widerspräche ja aber meiner oben genannten These, das Leben in seiner reinsten Form sei lebenswert. Und das ist der Punkt - Leben ist nicht immer Zuckerschlecken. Es gibt für jeden Situationen, die ihn bedrücken und herunterziehen, Zeiten, die nicht anders beschrieben werden können als "schwer". Zeiten, in denen der Boden unter den Schuhen nicht aus grünem, sanftem Gras besteht, sondern im Gegenteil aus spitzen, harten und kalten Steinen, oder glühend heißen Kohlen. Boden, an dem man sich die Füße aufreißt und sich verletzt.
In solchen Zeiten bietet Fernsehen, eine nicht reale, aber bessere Welt, Ablenkung und Zuflucht. In solchen Zeiten brauchen wir vielleicht die Schuhe, die wir sonst achtlos in den Mülleimer geschmissen hätten auf einmal wieder. Denn eine nicht reale, perfekte Welt ist manchmal angenehmer, als eine echt, harte. Dann helfen die Filme, in denen aus kleinen gebeutelten Durchschnittsbürgern Helden werden. Dann wird Fiktion zur Ersatzrealität und dann blendet man nur zu gerne auch mal aus, wie sinnlos alles ist, was gezeigt wird. Denn dann braucht man den Glauben an etwas Bedeutungsvolles im eigenen Leben und das kann einem die Realität meist nicht geben.
Damit komme ich zum Ende meiner Ausführungen. Ein Fazit ist dieses Mal nicht so leicht zu formulieren, doch eine Sache, die mir persönlich am Herzen liegt, ist dass die Fantasie und der Glaube an Unmögliches trotz der Unmöglichkeit nicht verloren geht. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass ich diesem Fall die Ignoranz das Leben ein ganzes Stück schöner und lebenswerter macht. Und das ist jetzt der letzte Satz meiner opti-pessimistischen Einstellung zum Leben.
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