Mein Abschlussbericht
Resumee nach 12 Monaten Freiwilligendienst.
Meine deutsche Entsendeorganisation fordert von ihren Freiwilligen, dass sie einen Abschlussbericht schreiben.Hier kommt also meiner:
Mein Abschied
Die letzten zwei Monate meines Freiwilligendienstes, Juli und August, habe ich sehr genossen. Seit Mitte Juni waren Schulferien, sodass ich in den letzten Wochen nur noch nachmittags im Jugendzentrum gearbeitet habe. Aber auch hier waren weniger Kinder, da manche in den Urlaub gefahren sind oder gearbeitet haben. Aufgrund der Tourismus Hochsaison gab es nun viele Veranstaltungen in Nagyvázsony und Umgebung, wie zum Beispiel Dorftage in Dörfern der Region, bei denen ich mit dem Orchester Konzerte gespielt habe, das Straßenmusikfestival in Veszprém, das berühmte „Tal der Künste“-Festival in Kapolcs und ein Pferdegespann-Wettbewerb, die wir zusammen mit den Mitarbeitern von Fekete Sereg besucht haben.
Während ich von Mai bis Ende Juni zusammen mit zwei portugiesischen, zwei estnischen, einem finnischen und einer italienischen Freiwilligen zusammen gewohnt habe, sind im Juli noch einmal vier neue Freiwillige gekommen, mit denen ich mir sehr gut verstanden habe und es herrschte eine sehr freundschaftliche Atmosphäre in der Wohnung.
Wegen des engen Verhältnisses innerhalb meiner letzten WG-Gruppe, war es nicht leicht, Abschied von meinen Mitfreiwilligen zu nehmen. Auch mich von den Lehrer*innen, den Mitarbeitern von Fekete Sereg, meiner Mentorin und den Jugendlichen aus dem Chor und Orchester zu verabschieden ist mir nicht leichtgefallen doch gleichzeitig habe ich mich auch auf zu Hause gefreut. Traditionell wurden wir Freiwilligen mit einem See-you-soon Abendessen verabschiedet, zu dem auch die Lehrerinnen und meine Mentorin eingeladen waren. In den letzten Tagen habe ich mich dann noch ein letztes Mal mit zwei Lehrerinnen, unserer Nachbarin und Freunden getroffen, um mich zu verabschieden, bevor mich meine Mentorin am Abreisetag zum Bahnhof gebracht hat.
Land und Leute
Ich habe mich sehr wohl in Ungarn und in Nagyvázsony gefühlt. Ich habe keinen „Kulturschock“ erlebt, da sich meiner Meinung nach die alltäglichen Gewohnheiten in Ungarn nicht stark von den deutschen unterscheiden. Natürlich gibt es einige kulturelle Unterschiede zum Beispiel in welchem Ausmaß alte Traditionen und Bräuche gepflegt werden denn in Ungarn wird dies ganz groß geschrieben. Für mich war es sehr spannend und interessant an all den Nationalfeiertagen und traditionsgeladenen
Ereignissen teilzunehmen, da solch eine intensive Pflege der Tradition aus Norddeutschland nicht kenne.
Etwas, was ich nicht so leicht akzeptieren konnte, war der Fleischkonsum bzw. die Mentalität dahinter. Als Vegetarierin habe ich zwar kein Problem, wenn jemand gerne Fleisch isst, doch in Ungarn war ich darüber entsetzt, wie wenig die Ungarn über die Fleischproduktion und die damit verbundenen Bedingungen und Folgen wissen. Ich finde, der Grund dafür ist die mangelnde Fähigkeit der Ungarn, zu hinterfragen und zu kritisieren. Beispielswiese lernen die Schüler*innen in der Schule in keinem Schulfach, wie man sich eine eigene Meinung bildet und dadurch haben sie auch meistens keine eigene Meinung. Das hat mich als diskussionsfreudige Person oft gestört und ich fand es schwierig, diese Meinungslosigkeit zu akzeptieren.
Allerdings bin ich zufrieden, mich für ein Projekt in Ungarn entschieden zu haben. Meiner Meinung nach hat es mehr Wert, in einem eher unpopulären Land zu leben, da man dort viel mehr Neues lernt und Vorurteile sowie Stereotypen abbauen kann. Hat man einmal die Sprachbarriere ein wenig überwunden, sind die Ungarn unglaublich gastfreundlich und herzlich; etwas, was ich in Deutschland ein wenig vermisse.
Wie erwähnt ist dabei die Sprache ein wichtiger Teil. Ich habe anfangs nicht geglaubt, dass ich am Ende meines EFDs Ungarisch sprechen kann, doch durch die Unterstützung meiner Aufnahmeorganisation und meine Teilnahme am Orchester, Chor und Ukulelen-Klub konnte ich viel üben und, noch viel wichtiger: ich konnte viel Kontakt zu Ungarn knüpfen. Entgegen Erfahrungsberichte anderer Freiwilliger hatte ich sehr viel Kontakt zu den Einheimischen und habe mich auch mit einigen ungarischen Jugendlichen angefreundet.
Meine Einsatzstelle
Mein Projekt hat mir gut gefallen und besonders die Abwechslung zwischen Jugendzentrum und den zwei Schulen mochte ich sehr, da ich dadurch ganz verschiedene Aufgaben hatte. Zudem habe ich besonders die große Flexibilität meiner Chefin sowie der Lehrer*innen in der Schule geschätzt. Ich hatte nie Probleme, Urlaubstage zu nehmen, selbst wenn ich es nur kurzfristig angekündet habe.
Ich denke, dass meine Arbeit in den Schulen sinnvoll war und die Lehrer*innen sowie Schüler*innen davon profitiert haben. Einige Schüler*innen haben die Möglichkeit, eine deutsche Muttersprachlerin kennen zu lernen gut genutzt und ich hoffe, dass sie dadurch weiter motiviert sind, deutsch zu lernen. Allerdings gab es auch Lehrer*innen, die mich eher weniger in den Unterricht mit einbezogen haben, sodass die Schüler*innen nicht von meiner Anwesenheit profitieren konnten.
Im Jugendzentrum konnte ich viel bei Veranstaltungen und Empfangen von Gästen helfen wie zum Beispiel bei den Adventssonntagen im Gemeindehaus oder beim Besuch der Roma-Organisation aus Ostungarn. Außerdem konnte ich bei Organisatorischem helfen wie beispielweise Poster und Infopacks erstellen oder bei administrativen Aufgaben, was ich interessant und nützlich fand, da ich dadurch einen Einblick in die Arbeit einer NGO erhalten habe.
Für die nächsten Jahre in meinem Projekt wäre es schön, wenn die Kommunikation zwischen Fekete Sereg und den Lehrer*innen der Schulen besser ist. Oft musste ich erklären, was genau ich im Jugendzentrum oder in den Schulen mache, wobei ich nicht immer das Gefühl hatte, verstanden zu werden. Für die kommenden Freiwilligen ist es einfacher, wenn die Lehrer*innen sowie die Mitarbeiter von Fekete Sereg sich schon im Vorfeld darüber klar sind, was meine Aufgaben in dem jeweils anderen Ort sind.
Weiterhin war der Infozettel über das Projekt nicht aktuell, sondern ein wenig veraltet. Zum Beispiel wurde als Teil der Freiwilligenarbeit Sprachklubs oder die Arbeit in Veszprém aufgeführt, das allerdings nicht der Realität entsprach. Außerdem wurde ich Vorfeld nicht darüber informiert, dass die Freiwilligen das WLAN sowie das Gas für den Backofen bezahlen müssen. Ich habe damit kein Problem, es wäre nur schön, wenn die zukünftigen Freiwilligen vor dem Beginn des EFDs darüber informiert werden.
Im Jugendzentrum war es aufgrund der Sprachbarriere schwierig, mit den Kindern und Jugendlichen zu kommunizieren. Zudem bin ich mit einer anderen Erwartung an das Jugendzentrum nach Ungarn gekommen. Während ich in Deutschland unter einem Kinder. und Jugendzentrum eher einen Ort verstanden habe, in dem verschiedene Aktivitäten und Ausflüge für Kinder und Jugendliche angeboten werden, war das bei Fekete Sereg nicht so. Zum einen sind nicht viele Jugendliche in das Zentrum gekommen und wenn, dann hauptsächlich nur um die Computer und das WLAN zu nutzen. Zum anderen gab es während meines EVSs gab es keine Veranstaltungen für die Kinder und Jugendlichen im Jugendzentrum, sondern meistens nur Erwachsene wie zum Beispiel der MY EARTH Studienbesuch aus Südamerika. Es wurde als eine Aufgabe der Freiwilligen betrachtet, etwas im Jugendzentrum für de Jugendlichen zu organisieren und wir hatten auch Ideen und Pläne, die allerdings aufgrund der mangelnden Motivation der ungarischen Jugendlichen gescheitert sind. Die Jugendlichen, die fast ausschließlich Jungen sind, waren uns gegenüber zwar nett und offen, aber gerade als Mädchen war es sehr schwierig, sie zu erreichen.
Wichtig ist es mir zu betonen, dass ich die verbesserungswürdigen Dinge aufführe, nicht weil ich negativ über mein Projekt schreiben möchte, sondern damit sie in Zukunft geändert werden und die nächsten Freiwillige eine Sorge weniger haben. ;-)
Wie es weitergeht
Neben meiner persönlichen Entwicklung hat mir mein EFD und insbesondere meine Teilnahme am „Kick-off meeting der Europäischen Solidaritätskorps“ in Brüssel, wo ich das European Solidiarity Network mitgegründet habe, hat mir sehr bei der Entscheidung für einen Studiengang geholfen. Ich möchte mich weiterhin mit europäischer Themen sowie Kultur und Politik beschäftigen und werde deshalb ab Oktober „European Studies Major“ an der Universität Passau studieren. Doch zuvor werde ich Ende September am Training Course der EuroPeers teilnehmen, da ich der Überzeugung bin, dass noch viel zu wenig junge Leute über die Möglichkeiten eines EFD Bescheid wissen und ich das gerne ein Schritt weit verbessern möchte.
Die Erfahrungen, im Ausland zu leben, eine unbekannte Kultur kennen zu lernen, eine neue Sprache zu lernen, zum ersten Mal außerhalb des Elternhauses zu leben, ein Jahr als Lehrerin zu arbeiten, Menschen aus ganz Europa kennen zu lernen und Freunde zu werden, an einem europaweiten Netzwerk zu arbeiten, in einer internationalen WG zu leben, im Jugendzentrum zu arbeiten, kurz gesagt die Erfahrungen meines EFDs waren sehr bereichernd. Ich habe viel gelernt, was einem die Schule und Universität nicht lehren kann und ich habe meinen Horizont erweitert. Außerdem habe ich gelernt, gesellschaftliche, politische und kulturelle Situationen aus einem weiträumigen Winkel zu betrachten und gerade deswegen würde ich einen EFD unbedingt weiterempfehlen.