Macht der (Fremd-)Sprache
Was uns als Menschen besonders macht: Wir können Sprachen erlernen. Wir sind nicht nur in der Lage, uns Wörter zu merken, wir können sie auch nach kniffligen Regeln miteinander kombinieren. Dadurch ist es möglich, unsere komplexe Welt international miteinander zu verbinden. Eine Sprache reicht dabei jedoch schon lange nicht mehr aus. Das ist mittlerweile selbstverständlich - sollte man denken.
Der erste Blick auf Ungarn: Eine Gruppe von tuschelnden Mädchen zieht an einem gut aussehenden jungen Mann vorbei, der gerade von einer freundlich lächelnden Verkäuferin eine Fahrkarte kauft, während hinter ihm eine Mutter versucht, ihre Kinder zu beruhigen. Ein ganz normales Bild, wie man es von überallher kennt, nur auf Ungarisch. Und dann passiert das Interessante: Ich selber werde zu der Fahrkartenkäuferin und die Freundlichkeit verschwindet.
Dass ich kein Ungarisch spreche, wurde schon am Flughafen von Budapest ein großes Problem. Zumindest für mich. Die Fahrkartenverkäuferin redete weiter mit unbekannten Wörtern auf mich ein, wobei sie längst gemerkt hatte, dass ich ihr nicht folgen konnte. Die Konsequenz, die sie daraus gezogen hatte, war wohl nur, dass sie mir so unbemerkt unfreundliche Wörter an den Kopf werfen konnte. Frustrierend. Sie machte keinen Anschein, auf mich einzugehen. Ihr fehlten sogar die einfachsten Grundkenntnisse im Englischen. Und das an einem Flughafen!
Bald schon wurde das für mich zu einer alltäglichen Situation, die mich nach Wochenendreisen immer sofort daran erinnerte, dass ich nun zurück in Ungarn war. Wenn man sich die Statistiken anschaut, ist das kein Wunder. In Ungarn sind nur 35% der Bevölkerung in der Lage, sich in einer Fremdsprache zu verständigen! Damit liegt Ungarn im EU-Durchschnitt auf dem letzten Platz. Fremdsprachenunterricht steht hier nicht im Mittelpunkt, sondern es wird sich gerne davor gedrückt. Das Problem: Eine andere Sprache gehört hier nicht zum alltäglichen Leben, nicht mal in den Ferien! Es fahren immer weniger Ungarn ins Ausland, ergab eine Umfrage des Forschungsinstitutes für Wirtschaft- und Gesellschaftsstrategie Ecostat. Und auch in der Politik vertritt Viktor Orban eher eine isolierte Haltung gegenüber den anderen Staaten. Wir wollen lieber unter uns bleiben! Klar, dass der Sprachunterricht da kaum gefördert wird.
Dabei ist es besonders für Jugendliche in der heutigen Welt wichtig, die Englisch zu beherrschen, um Kontakte über Grenzen hinweg aufbauen zu können, mehr zu lernen, offener zu sein und erhöhte Chancen zu haben. In Ungarn sehen viele junge Menschen dafür schwarz. Deshalb würden sie gerne im Ausland arbeiten oder studieren, um ein besseres Leben zu führen, nur auch das ist kaum möglich ohne Englischkenntnisse.
Denn Sprache verbindet die Welt. Sie ist der Schlüssel zum guten Zusammenleben. Mit ihr kommunizieren wir, drücken uns aus und versuchen Konflikte zu lösen. Und das ist nicht nur national, sondern auch international so! Jugendliche, die nur über ein geringes Sprachvermögen verfügen, sind so eingeschränkt und kommen kaum aus der Umgebung ihrer Kindheit heraus.
In Ungarn gibt es also sehr viel nachzuholen! Zusammen mit einem anderen Freiwilligen habe ich auch deshalb im Januar einen Deutschclub gestartet und die Macht der Sprache miterlebt. Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern kamen zusammen und kommen sich verständigen und austauschen. Sie hatten einen Ort gefunden, an dem sie Leute trafen, die wie sie die deutsche Sprache vertiefen wollten. Dadurch entstanden Verbindungen und wahre Freundschaften. Viel zu wenige Ungarn sind allerdings in der Lage, an solch einem Kurs überhaupt teilzunehmen, da es schon an Grundkenntnissen scheitert. Im Englischen noch mehr als im Deutschen. Da muss sich dringend etwas in der Schulpolitik tun! Denn Fremdsprachenkenntnisse sind unersetzlich, wenn man in der heutigen Welt mitmischen will!
Quellen:
https://www.ripleybelieves.com/english-speaking-countries-in-europe-2654; https://www.balaton-zeitung.info/; https://www.mpg.de/9966424/sprachentwicklung-kinder-ueberblick; http://www.sinnpholl.de/go/werkstatt/72-warum-sprache-so-wichtig-ist.html