Mach was draus!
Das EU-Programm "Jugend in Aktion" fördert die Arbeit und die Ideen von Jugendgruppen und gemeinnützigen Vereinen. Eine gute Sache, die leider noch zu wenig genutzt wird, findet Frauqui. Aber woran liegt das?
Wow, was soll man dazu sagen?
So einfach ist es also, die Welt zu verändern. Europa macht's möglich mit dem Programm "Jugend in Aktion". "Mach was draus!" heißt es da. Konkret sollen Jugendliche und junge Erwachsene angesprochen werden, die gute Ideen haben und denen es am nötigen Kleingeld zur Umsetzung mangelt. Laut Broschüre sind der Phantasie dabei keine Grenzen gesetzt. Ob es sich nun um ein regionales Tierschutzprojekt oder ein europaweites Musikfestival zur Unterstützung der Aids-Forschung handelt, die Initiative unterstützt mit reichlich Barem und übernimmt bei internationalen Projekten sogar mehr als die Hälfte der Reisekosten. Bis zu 10.000 Euro sind drin!
Die Voraussetzungen sind dabei überschaubar: Eine Jugendgruppe sollt ihr sein, zwischen 15 und 30, aber mindestens ein Volljähriger als Coach. Bei internationalen Projekten wird mindestens ein ausländischer Partner gebraucht, eine ansässige Firma zum Beispiel. Das fällt dann in die so genannten "Netzwerkprojekte". Grundsätzlich für jedes der Projekte gilt: Planung und Umsetzung liegt in euren Händen. Jugend, hier kommt deine Chance. Hör auf, dich in Anti-Musik und Wandschmierereien über die herrschenden Verhältnisse zu beschweren und tu selbst was gegen alles, was dir nicht passt.
Die kleine Broschüre, die unauffällig im Jugendamt herumliegt, stellt mich plötzlich vor eine riesige Anzahl an Möglichkeiten. Klar habe ich mir schon oft Gedanken gemacht, was man für eine bessere Welt tun könnte. Ich bin Vegetarierin, weil mich Massenviehhaltung anwidert und ich trenne meinen Müll. Die Ambitionen wären also schon mal vorhanden. Mit 10.000 Euro, da könnte ich Hühner aus Legefabriken retten, Kinderprostitution in Thailand stoppen, mich für faire Preise für Milchbauern in Rumänien einsetzen und...
...und da fängt das Problem schon mal an. Konkrete Ideen sind gefragt, die sich auch umsetzen lassen, ohne gleich das Grundgesetz zu ändern. Die unbegrenzten Möglichkeiten müssen erstmal in einen kleinen Rahmen gezwängt werden, bevor sie sich umsetzen lassen. Ist ja auch sinnvoll. Es geht ja gerade darum, im Kleinen etwas Großes zu bewegen. Nur muss man erstmal was Kleines finden.
Die Homepage des Programms (http://www.machwasdraus.de) zeigt ein paar Beispiele von geförderten Aktionen. Gleich der Aufmacher der Seite verspricht Spaß und Abenteuer in den selbst gestalteten Projekten: "Moviemiento", das spanische Wort für Bewegung, ist der Name eines Filmprojektes, dessen Initiatoren Amateur-Dokumentarfilme mit einem Bus in viele Länder Europas transportierten und vorführten. Die beteiligten Studenten haben auf diese Weise interkulturelles Verständnis gefördert und sind gleichzeitig größtenteils auf fremde Kosten durch Europa gereist, haben Menschen aus aller Welt getroffen und auf diese Weise eine großartige Zeit verlebt.
Gerade solche Beispiele machen doch Lust, selbst ein Projekt in die Wege zu leiten. Nicht nur ewige Spendenaufrufe gemeinnütziger Organisationen, denen wir mit unserem mickrigen Taschengeld sowieso nicht großartig helfen können. Nein, diesmal kommt das Budget woanders her, aber wir dürfen entscheiden, wo's hingeht, wir machen die Welt zu einem schöneren Ort, und alles, was wir dazu brauchen, ist Kreativität und ein bisschen Zeit.
Soweit keinerlei Haken. Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend handelt es sich nicht um eine religiöse Sekte, man muss keiner Partei beitreten und auch keine finanziellen Sicherheiten bieten.
Wo ist also das Problem? Warum bilden wir nicht alle Banden und legen sofort los?
Gute Frage, nächste Frage. Ein unschlagbares Angebot und kaum Resonanz. Das hat zumindest meine Nachfrage beim regionalen Jugendamt ergeben. Kaum jemand weiß überhaupt, dass es dieses Projekt gibt, so hat es den Anschein. Dabei läuft es schon seit ein paar Jahren.
Sind wir doch die Generation "erstmal-abwarten"? Auf einem Silbertablett finden wir einen Haufen Geld und damit die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Ist soziales Engagement einfach out geworden und die Jugend von heute in der Individualisierung einen Schritt zu weit in Richtung Egoismus gegangen? Wie kann es sein, dass ein Programm, das so wenig erwartet und so viel bietet, eine so geringe Resonanz findet?
Der Flyer aus dem Jugendamt liegt auf meinem Schreibtisch. Und ich denke immer wieder darüber nach, wie ich meine Ideen umsetzen kann. Aber dann ist da noch die Schule. Und Tennistraining. Und am Wochenende ist man ja sowieso immer beschäftigt. Und irgendwann verschwindet der Flyer unter einem Berg anderen Papierkrams und wird mit ihm zusammen aussortiert. Denn zwischen Idee und Umsetzung liegen nun einmal Welten. Ideale sind schön und gut, aber wenn dann tatsächlich jemand kommt und dir anbietet, deine Vorstellungen umzusetzen, sieht es schon wieder ganz anders aus.
Es wird Zeit, dass wir aus der Idealisierung rauskommen. Die Stammtisch-Weltverbesserer lassen sich offensichtlich nicht so leicht hinter ihrem Kaltgetränk hervor locken. Und dass es eine solche Initiative wie "Jugend für Europa" geben muss, damit sich junge Leute überhaupt einmal an Veränderungen heran trauen, spricht für sich und die Zeit, in der wir leben. "Die traurigen Streber" schauen nicht nach links und rechts. Sie sehen im Spiegel nur sich selbst.
Aber besagte „Streber“ dürfen nicht zum Stereotypen eines deutschen Jugendlichen werden. Wie weit ist es gekommen, dass die Erwachsenen von uns eine Revolution fordern!? Also lassen wir die Karriere-Kängurus doch einfach außen vor. An alle anderen: Macht die Augen auf! Es gibt viel zu tun!
Mach was draus!
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