Ma armastan Tallinna
Die Zeit rast dahin, aber für die_katha in Estland ist das nichts schlechtes. Sie hat in ihrem Projekt genug zu tun und genießt ihre Zeit in Tallinn ausgiebig. Allen Grund dazu hat sie, denn es läuft sehr gut!
Was, schon sieben Wochen sind seit meinem letzten Eintrag vergangen? Ich kann es gar nicht glauben, als ich gerade eben mal nachgerechnet habe. Dann sollte ich wohl schleunigst mal wieder etwas zu meiner Situation in Estland schreiben.
Doch die lange youthreporter-Abstinenz kann ja eigentlich nur Positives verheißen - ich habe hier genug zu tun, dass ich gar nicht mehr richtig dazu komme, alles hier aufzuschreiben. Wird jetzt dafür umso schwieriger, ich weiß gerade gar nicht, wo ich anfangen soll (wie man vielleicht merkt, da ich schön ums Thema drumherum rede)… aber versuchen wir’s mal.
Also, mir geht es hier in Tallinn wunderbar! Momentan habe ich eine Woche frei, da Schulferien sind und ich sonst nichts zu tun hätte in der leeren Schule. ;) Aber ansonsten habe ich zu tun, das Ganze hat sich inzwischen recht gut eingependelt. Nicht, dass ich den ganzen Tag im Stress bin, aber ich bin beschäftigt und finde immer was, dass ich tun kann.
Am meisten gefällt mir natürlich die Arbeit mit den Kindern selbst. Letzte Woche zum Beispiel war der "Tag der Vorlesens" (oder so, ich habe gerade nur den englischen Namen im Kopf, wie bei so manchen Sachen^^). Da durfte ich dann eine Stunde lang den Unterricht machen und – wer hätte es gedacht – vorlesen. Und zwar Rotkäppchen, erst auf Deutsch, dann auf Englisch. Die erste Version haben die Kinder zwar nicht verstanden, aber zumindest den Klang konnten sie genießen. Manche fanden’s wohl eher lustig und mussten die ganze Zeit grinsen. :D
Außerdem besuche ich immer mal wieder den Englischunterricht, damit die Dritt- und Viertklässler ihr Gelerntes auch anwenden und üben können. Was erstaunlicherweise super klappt, dafür, dass sie noch nicht allzu lange lernen. Das macht die Kinder dann natürlich total stolz und ich selbst freue mich auch total darüber.
Vielleicht schaffen wir das ja auch bald auf Deutsch – denn Freitag vergangener Woche habe ich mit einem kleinen Deutschkurs begonnen. Drei Schüler hatten selbst die Idee, dass sie doch unbedingt Deutsch lernen müssten, und so hat es jetzt endlich geklappt, unter den eigentlich immer belegten Räumen der Schule doch noch einen zu finden, der zur richtigen Zeit frei ist, und nach den Ferien kann’s dann also so richtig losgehen. Macht total viel Spaß, ich kann eine Stunde der Woche ganz alleine halten, inklusive Unterrichtsvorbereitung, Hausaufgaben geben und so weiter. Da interessiert es auch nicht mehr, dass ich durch die Stunde am Freitagnachmittag, an dem eigentlich schon das Wochenende beginnt, noch etwas länger in der Schule bin.
Aber eigentlich sollte ich ja nicht nur den Schülern Deutsch beibringen, ich sollte vielmehr auch selbst Estnisch lernen. Im Moment gestaltet sich das Ganze noch eher schwierig. Da mein Sprachkurs recht spät begonnen hat, bin ich noch im "Anfangsstadium" und kann nur manche Sätze verstehen oder beantworten. Das Problem ist auch, dass man in der Stadt nirgendwo gezwungen ist, Estnisch zu können, da man überall mit Englisch vorankommt. Und sollte mal die Kassiererin mich nicht verstehen, gibt es immer noch den nächsten Kunden nach mir, der Dolmetscher spielen kann. Macht die Sache im Moment zwar sehr einfach, doch meinem Estnisch hilft das nicht viel weiter. Aber meine ganze Wohnung ist schon mit estnischen Vokabeln auf Post-its vollgeklebt, und ich versuche auch, immer wieder auf Estnisch zu beginnen. Das wird schon, muss irgendwie hinhauen.
Auch dass ich hier so viele Freiwillige treffe, hilft meinem Estnisch nicht weiter. :D Vor allem, weil ein Teil von uns Estnisch und der andere Russisch lernt, sodass wir nicht einmal untereinander üben können. Aber das ist hier wirklich super, ich bin total froh, in der Hauptstadt zu sein und so viele andere Freiwillige um mich zu haben. Da ich alleine wohne, kann ich auch jederzeit alleine sein, aber ich muss nur jemanden anrufen, und schon ist der ganze Tag verplant. ;) Das ist alles ganz multikulti, aber bei den Freiwilligen überwiegen eindeutig die Deutschen. :D Mindestens die Hälfte, was manchmal zu komischen Situationen führt, wenn man es gewohnt ist, jemanden auf Deutsch reden zu hören, aber dann den ganzen Abend nur auf Englisch kommuniziert (auch wenn schon gar niemand anders mehr da ist, der irgendetwas verstehen oder nicht verstehen könnte^^).
Aber wir bleiben nicht nur unter den Freiwilligen, wir haben auch schon junge estnische Leute kennen gelernt und uns angefreundet. Was aber eher ein Zufall war, denn eigentlich freundet man sich ja nicht sofort mit Leuten an, die man nur zufällig auf der Straße mal anspricht. Doch manchmal klappen eben auch solche Sachen.
Und so hatte Katriin, eine der Esten, drei andere Freiwillige und mich ins Haus ihres Vaters auf der größten Insel Saaremaa eingeladen. Das vergangene Wochenende war dementsprechend erlebnisreich, inklusive Trampen von Tallinn aus (man muss ja sparen, wo man kann), Baden im Baltischen Meer bei 2° C Außentemperatur und dem mindestens genauso kalten Wasser (fühlte sich zumindest so an :D). Untergekommen sind wir bei einem Politiker (Katriins Vater), der einen Sitz im Parlament hat und bis 2007 auch Innenminister war. Doch das scheint in Estland keineswegs etwas Besonderes zu sein, hier kennt sowieso jeder jeden, und wir nun also auch.
Doch noch ein Erlebnis zum Thema "Estland ist wirklich klein": Auf der Fähre, die uns vom Festland nach Muhu, der kleineren Insel bei Saaremaa, brachte, traf ich einen Vierklässler meiner Schule. Wenn man bedenkt, dass jede halbe Stunde eine andere Fähre geht, ist es schon ein großer Zufall, sich dort zu treffen…
Ein nicht ganz so erfreuliches Erlebnis war die Tatsache, dass meine Kamera kaputtgegangen ist, weshalb mir jetzt schon wichtige Fotos fehlen und ich euch diesen Eintrag leider nicht viel bunter gestalten kann. :( Vielleicht dann beim nächsten wieder, der hoffentlich etwas früher kommt als wieder erst in sieben Wochen ;) (ich hab’s mir fest vorgenommen!).
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