London Calling
Nach einer vierstündigen Zugfahrt kommt Sanne nach London zum Einreiseseminar. Neben den täglichen Seminarsitzungen erkundete sie natürlich auch die verschiedenen Fleckchen der Stadt.
Fast drei Wochen ist es jetzt schon her, wo London nach mir gerufen hat. Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht! Zusammen mit meinem deutschen Besuch stand ich am 14. Mai am Bahnhof in Edinburgh und wartete auf meinen Zug, der mich in die Stadt der Städte bringen sollte, zu meinem Einreiseseminar.
Die Zugfahrt
Der Zug kam. Pünktlich. (Ja, liebe deutsche Bahn. So was geht!) Und dann hieß es auch schon Abschied nehmen, was merkwürdig war, da man doch nur so wenige Tage zusammen verbracht hatte! Dann suchte ich meinen Platz im Zug und war gespannt darauf, London unsicher zu machen, während Sylvia und Uwe das Gleiche mit Edinburgh und Glasgow machen würden. Interessanter Weise war an diesem Tag gerade ein Fußballspiel in Manchester, wodurch die Bahnhöfe und Züge mit Sportfanatikern gefüllt waren. Zu meiner durchaus positiven Überraschung durfte ich feststellen, dass die Fußballfans, denen ich begegnete, nicht völlig trunken randalierten sondern friedlich, fröhlich eine gute Stimmung verbreiteten und voller Enthusiasmus ihre Dudelsäcke spielten! :) Das war durchaus schön anzusehen. Das heißt natürlich nicht, dass es hier keine in Bier getränkten, rumpöbelnden Hooligans gibt. Ich hab an diesem Tag nur glücklicher Weise auch mal eine friedliche Variante kennengelernt, sein Lieblingsteam zu unterstützen! Sein Gutes tat wohl auch dazu, dass in den Regionalzügen an diesem Tag keine alkoholischen Getränke erlaubt waren. Dadurch wurden unnötiger Biergestank und Glasscherben schon mal vermieden! Sollte man bei uns für Fußballspiel-Tage auch einführen, denn das macht es dem Bahnpersonal wesentlich einfacher! Neben dem Beobachten von Dudelsack spielenden Sportfans, vertrieb ich mir meine Fünf-Stunden-Fahrt noch mit essen und einem super Buch von meinem Lieblingsautor Dirk Bernemann, das mir meine lieben Freunde aus Deutschland mitgebracht haben! „Satt, sauber, sicher“ heißt das wundervolle Werk und hat mich sehr gut unterhalten! Je näher ich allerdings meinem Ziel London kam umso weniger konnte ich mich aufs Lesen konzentrieren. Meine Gedanken sprangen Trampolin und meine Gefühle fuhren Karussell. Neben absoluter Vorfreude auf die kommenden Tage, war auch immer die Unsicherheit, wie ich von Kings Cross zum EVS-Office komme. Und zwischendurch kam immer noch ein Hauch Wehmut, weil ich meine Freunde in Schottland gelassen hatte!
Die Ankunft
Gegen 16 Uhr kam ich dann in London an (Wetter: sonnig und verdammt warm!) und hatte keine Zeit für meinen Gedankensalat. Da hieß es Karte raus und richtige underground-tube suchen. Das war überraschender Weise nicht so problematisch wie gedacht, da alles unglaublich gut ausgeschildert war. Nach einer viertel Stunde unterhalb den Straßen von London musste ich nur noch das Büro suchen und schon hatte ich es geschafft. Im zweiten Stock angekommen wurde ich von einer lächelnden Isla begrüßt, die unser Einreiseseminar leitete. Nach Kaffe, Tee, Keksen und dem noch etwas schüchternen gegenseitigen Beschnuppern, ging es auch schon los. Es gab die übliche Vorstellungsrunde, wo jeder etwas über sich und sein Projekt erzählt und wie er oder sie von EVS erfahren hat. Wir waren ein toller, bunter Haufen. Spanier, Franzosen (unter anderem mit Wurzeln in Marokko), Italiener, Leute aus Montenegro und Litauen, Österreicher, Deutsche. Es war toll so viele unterschiedliche Nationen an einem Tisch zu sehen! Zu meinem Bedauern muss ich sagen, dass die meisten Freiwilligen in England arbeiten und nur drei weitere Leute in Schottland ihren Freiwilligendienst absolvieren. Diese drei sind allerdings in der Nähe von Edinburgh, was wiederum sehr günstig ist! Nach der Vorstellungsrunde machten wir uns auf zu unserem Hostel um alle Sachen abzuladen und dann flitzen wir auch schon zu einem schicken, türkischen Restaurant um unsere leeren Mägen zu füllen und uns besser kennen zu lernen. Und wo kann man das besser, als vor einem gut gefüllten Teller!? Nachdem sich Isla verabschiedet hatte, beschlossen wir noch ein bisschen um die Häuser zu ziehen und suchten uns einen Pub, der unsere finanzielle Lage nicht völlig sprengte. Wir waren erfolgreich und machten uns einen schönen Abend bei ein paar Gläschen Bier. Es war fantastisch, wie schnell man miteinander ins Gespräch kam, zusammen diskutierte und die ersten Insiderwitze machte. Im Pub trafen wir dann auf ein paar schon sehr heitere Geschäftsmänner, die ihrem harten Arbeitstag alkoholisch ein Ende setzten und dadurch singend und tanzend Barkeeper als auch Freiwillige aller Nationen unterhielten. Sie waren trotz relativ hohem Alkoholpegel noch zu durchaus interessanten Gesprächen in der Lage und so unterhielten wir uns eine Weile mit ihnen, versuchten ein paar gute Ausgeh-Tipps für die kommenden Nächte zu ergattern und etwas über das Leben in London herauszufinden. Im Gegenzug erzählten wir ihnen etwas über den EFD, machten ein bisschen Werbung! :) Kurz bevor der Pub zu machte, begaben wir uns auf den Weg zurück zum Hostel um neue Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln.
Das Seminar
Am Donnerstagmorgen standen wir alle frisch und munter gegen zehn Uhr im Office, wo unsere Seminarleiter schon auf uns warteten. An diesem Tag war es an uns etwas mehr über unsere Heimatländer zu erzählen. Oli, ein anderer Freiwilliger aus Deutschland, und ich hatten ein paar Probleme mit den typisch deutschen Dingen und so konzentrierten wir und auf Sachen, da wir beide aus nahezu der selben Gegend kommen. (Nicht, dass wir besonders viele typisch sächsische Ideen gehabt hätten, aber dennoch schien uns das etwas einfacher). Ich fand unsere Präsentation nicht sonderlich atemberaubend und jetzt im Nachhinein fallen mir noch ein paar Dinge ein, die man hätte machen können. Dafür war es sehr interessant kurz gefasst ein paar Informationen über die anderen Länder zu bekommen. Neben den Ländervorstellungen bekamen wir während dem ganzen Seminar grundlegende Informationen zum EFD, machten uns Gedanken darüber, was wir während unserem Freiwilligendienst lernen und erreichen wollen, sowohl persönlich als auch beruflich, spielten verschiedene Rollenspiele und wurden beraten, was zu tun ist, wenn es Probleme in unserem Projekt gibt, etc. Teilweise wurden Dinge erzählt, die ich schon im Ausreiseseminar gehört habe, doch da leider nicht jeder so ein Seminar hatte, war es gut, dass bestimmte Informationen noch mal erwähnt wurden.
Ein kleines Highlight war am Freitagnachmittag „English Tea“ mit Teacakes, was im Prinzip so was ist wie Schokoküsse nur mit Keks am Boden, statt Waffel und leckeren Scones mit Cream und Marmelade. Unglaublich süß, unglaublich ungesund und unglaublich lecker!!! :)
Sightseeing
Am Donnerstag Nachmittag und am Abend beschlossen wir ein bisschen Sightseeing zu machen und so ging es über die London Bridge Richtung Sehenswürdigkeiten, vorbei an der St. Pauls Cathedral zum Trafalgar Square und von da zu Big Ben und „Houses of Parliament“, zur anderen Flussseite und vorbei am „London Eye“. Wir waren relativ lang unterwegs und ich hatte Zeit für ein paar schöne und interessante Unterhaltungen.
Zurück beim Hostel beschlossen wir schnell in den Supermarkt zu flitzen, ein paar Getränke zu holen, den Abend gemütlich im Hostel ausklingen zu lassen und unsere müden Füße auszuruhen. Bei ein paar Bierchen schwatzten wir ein bisschen und tauschten bewusst und unbewusst kulturelle Unterschiede aus. Freitag Nachmittag fuhren wir zum Camton Market, von dem ich absolut begeistert war. Da waren Geschäfte und Stände aneinander gereiht mit wahnsinnig verrückten, hässlichen und schönen Sachen, mit Schuhen, Hüten, Gürteln und Schnickschnack überall! Nachdem manche doch recht erfolgreich den Markt verließen – ich hab mich mal wieder nur unterhalten – traten wir zusammen den Rückweg zum Hostel an, wo wir nach einer kleinen Pause an die Bar und in den Club gesellten. Am Ende unterhielten Oli und ich uns bis vier Uhr morgens über alles und nichts, bis wir beschlossen uns doch ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.
Am Samstag...
... hatten wir kein Training mehr, sondern erneut Zeit um London zu erkunden. Leider mussten wir uns vor unserer Tour schon von den ersten zwei Freiwilligen verabschieden. Zusammen gingen wir übriggebliebenen ins „Tate Modern“ um uns ein bisschen moderne Kunst zu Gemüte zu führen, die teilweise recht hübsch und interessant war, teilweise aber auch einfach nur skurril und idiotisch. Noch viel idiotischer hingegen waren die Herrschaften, die zehn Minuten vor einer blauen Wand standen und über das „Bild“ philosophierten. Zugegeben, ich habe keinen Schimmer von Kunst, aber das war wirklich verrückt. Da lass ich mich lieber als Kunstbanausen beschimpfen, anstatt Ewigkeiten vor einem einfarbigen Rechteck zu stehen und irgendeine Bedeutung darin zu suchen. „Was wollte der Künstler uns damit sagen?“ Wahrscheinlich, dass ihm alle anderen Farben aus gegangen sind. Nach dieser kulturellen Bereicherung war es dann auch leider schon Zeit für den nächsten Abschied, sodass am Ende nur noch fünf von uns übrig blieben. Für mich stand ja von vornherein fest, dass ich zwei Tage länger in London bleibe und erst am Montag zurück fahre und so hatten sich Jan, der Österreicher, Emilie, die Franzosin und Miriam, die Spanierin spontan dazu entschlossen auch noch bis Sonntag zu bleiben. Davide „Italy“, unser verrückter Italiener, wohnt ohnehin in London und leistete uns noch etwas Gesellschaft. Nach einer kleinen Stärkung im Hostel begaben wir uns wieder in den Regen (ja, leider hatten wir bloß am Tag unsere Ankunft schönes Wetter!) und erkundeten noch etwas die Stadt. Also liefen und fuhren wir zu Westminster Abbey, von da ging’s zum Piccadilly Circus und zur Megashopping-Meile Oxford Street. Da das Wetter nicht so berauschend war, flüchteten wir uns in die „National galery“, wo ich mir hauptsächlich Bilder des Impressionismus anschaute, da mich der Rest nicht sonderlich interessierte, doch scheinbar sah ich aus, als würde ich mich mit Kunst auskennen, denn auf dem Weg hinaus wurde ich von einem jungen Mann angesprochen, von dem ich erst nur eine plumpe Anmache erwartete, dann allerdings ein kurzes, aber nettes Gespräch über moderne Kunst mit ihm führte. Danach ging es zurück zum Hostel, wo wir unsere Sachen einsammelten, Miriam einsammelten, die allein durch London gezogen war und ebenso auf eine Nachricht von Pietro warteten. Pietro ist ein Freiwilliger aus Italien, der am Mittwoch von Isla eingeladen wurde, da er schon seit einem halben Jahr in England in der Nähe von London arbeitet und somit eine gute Informations- und Erfahrungsquelle war. Davon mal abgesehen war er uns gegenüber sehr aufgeschlossen und passte von Anfang an in unsere Gruppe.
Am Mittwochabend erzählte ich Pietro, dass ich zwei Nächte länger in London bleibe und noch keine Ahnung hätte, wo ich schlafen könnte. Ursprünglich wollte ich Couchsurfing ausprobieren, was ein Projekt in der ganzen Welt ist, wo andere Leute Reisenden ihr Sofa umsonst für ein paar Nächte anbieten. Kontakt knüpft man über die Couchsurfer-Homepage, wo jeder ein Profil anlegt und andere Leute kommentieren können, wie die jeweilige Person als Host oder Gast ist. Leider hab ich erst etwas spät von Couchsurfing erfahren, sodass ich über diesen Weg keinen Schlafplatz ergattern konnte, also machte ich mir eine Liste mit Adressen von Hostels in London für den Notfall. Glücklicher Weise kannte Pietro ein paar andere Freiwillige in London, die am Samstag eine Abschiedsparty für einen schwedischen Volontär gaben und die er fragen wollte, ob ich dort schlafen könnte. Also warteten wir im Hostel auf eine Nachricht von Pietro, wo wir ihn treffen sollen um zu seinen Freunden zu kommen. Als diese dann ankam, machten wir uns auf den Weg zur Liverpool Station, an deren Eingang wir uns treffen wollten. Nachdem wir einige Male um die Haltestelle geirrt sind (denn Liverpool Station hat dummer Weise drei verschiedne Eingänge), fanden wir Pietro endlich, diesen großen, warmherzigen Italiener mit den wahnsinnig langen Dreadlocks. Und so machten wir uns auf den Weg zur Abschiedsfeier von wildfremden Leuten. Dort angekommen wurden wir herzlich aufgenommen. Nach und nach füllte sich die Wohnung mit Unmengen von Menschen, erneut aus den verschiedensten Ländern. Schweden, Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien, Irland... Auf der Party hatte ich zwei Begegnung der besonderen Art. Ich glaube jeder hatte schon mal Momente, wo man einer Person begegnete und glaubt sie zu kennen, obwohl das völlig absurd ist. So eine Begegnung hatte ich gleich zwei Mal. Das Merkwürdige war nur, dass es den beiden ebenso ging. Beide kamen ebenfalls aus Deutschland und einer aus einer Gegend, wo ich jeden Sommer war. Doch die andere Person kam aus einer völlig anderen Ecke als ich und da wir es uns einfach nicht erklären konnten, einigten wir uns im Scherz auf ein früheres Leben, aus dem wir uns kennen. Gegen vier Uhr landeten wir dann auf Sofa und Matratze um ein paar Stunden schlaf zu sammeln.
Allein in London
Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen von Pietro und (nachdem ich das Sofa bei den Spanierinnen auch für eine weitere Nacht ergattern konnte) zusammen mit Jan und Emilie machte ich mich auf zum Portobello Market in Notting Hill, einem wirklich wunderschönen, idyllischen und ruhigen Teil von London in dem auch George Orwell eine Weile gelebt hat. Zusammen durchstöberten wir Stände mit allerlei altem Krimskrams, was schön anzusehen war, man aber nie kaufen würde. Danach liefen wir zum Hyde Park und nach einer kleinen Verschnaufpause zum Buckingham Palace. Dann war es leider schon Zeit für Jan und Emilie zurück zu fahren und so begleitete ich die beiden noch zum Bahnhof. Und plötzlich war ich allein in London. Ein merkwürdiges Gefühl. Ich lief noch etwas durch die Strassen, setzte mich in ein Cafe, ließ mir die letzten Tage noch mal durch den Kopf gehen und plante, was ich am nächsten Tag noch alles machen will. Dann lief ich noch etwas durch Soho und fuhr zum Tower of London und zur Tower Bridge, die in der Nacht wirklich wunderschön aussieht! Dann begab ich mich zu meinen lieben Spanierinnen, um mich aufs Sofa fallen zu lassen und meinen wirklich sehr müden Füssen eine Pause zu gönnen. Nach einer nicht wirklich guten Nacht (kalt, laut, zu viele Gedanken im Kopf) packte ich meine Sachen, hinterlies den noch schlafenden Schlafplatz-Gebern eine Nachricht und ein bisschen Dankeschön-Schokolade und machte mich erneut auf zur Oxfordstreet und zum Campton Market, zu dem ich unbedingt noch mal wollte. Müde, zufrieden, um ein paar Pfund ärmer und ein paar tolle Ohrstecker und ein T-Shirt reicher saß ich gegen 12 Uhr im Zug, bereit die Rückreise nach Schottland anzutreten. Wirklich viel habe ich von der Fünf-Stunden-Fahrt nicht mitbekommen, da die letzten Nächte doch zu einem gewissen Maß an Schlafmangel geführt hatten, den ich durch kleine Nickerchen in nicht sonderlich bequemen Zugsitzen versuchte auszugleichen. Im Zug nach North Berwick war es schön zu merken, dass ich mich fühlte, als würde ich nach Hause kommen, denn auch wenn es auf keinen Fall mit meinem Zuhause in Deutschland zu vergleichen ist, bekomme ich doch mehr und mehr eine gewisse Bindung zu meinem schottischen Wohnort. In der Wohnung angekommen, war nicht mehr viel mit mir anzufangen und ich viel einfach nur noch ins Bett um schlaf zu tanken.
Die Zeit in London war wirklich wunderschön, auch wenn ich es mir im allgemein etwas größer vorgestellt habe und ich würde jederzeit wieder für einen Besuch zurück!