Lenguaje sexista - "Hola a tod@s!"
Wie mich ein Einblick in die spanische Sprache nachdenklich machte, wenn es um die Debatte um Sexismus in der Sprache geht.
Die Debatte um Sexismus in der Sprache hat mich in Deutschland nie so wirklich interessiert. Wenn in der Schule der Brief an die Eltern mit "Liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler" begann, dann konnte ich das noch verstehen, spätestens in der gesprochenen Sprache hätte ich selbst aber auch immer nur von "Schülern" gesprochen - der Einfachheit halber.
"Estás cansado? (Bist du müde?)", habe ich hier letztens meine französische Projektpartnerin gefragt - und sie musste zuerst einmal lachen. "Cansada heißt das", hat sie mich dann korrigiert. "Oder bin ich etwa ein Chico?" Als ich dann meinem Tutor erzählt habe, dass "nosotros" und nicht "nosotras" an diesem Abend noch weggehen wollten, machte wohl auch der sich allmählich Sorgen. "Weißt du eigentlich, dass es das im Deutschen einfach nicht gibt?", habe ich später meine Projektpartnerin in der Metro gefragt. "Wie im Englischen also?", hat sie darauf geantwortet und ich habe genickt. "Wenn du aber zum Beispiel ein Buch liest, das aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, woher weißt du denn dann, ob der Protagonist männlich oder weiblich ist?", wollte sie daraufhin wissen. "Das weiß man im Deutschen halt nicht", habe ich darauf geantwortet. Vielleicht eine Schwäche der Sprache, etwas, das diese Sprache eben nicht ausdrücken kann, mit Sicherheit in dem ein oder anderen Roman aber auch ein Stilmittel.
Ich finde es hier mitunter seltsam, dass ich in jeder Konversation dem anderen gegenüber klarstellen muss, welchem Geschlecht er zugehört - und dass nicht etwa weil ich mir da mitunter vielleicht nicht sicher bin, sondern schlicht und einfach weil ich das Gefühl hab, dass es das Geschlecht des anderen viel zu weit in den Vordergrund rückt, dass viel mehr Wert als nötig darauf gelegt wird, wenn ich es in jeder Konversation, in jeder Erzählung über eine andere Person wieder und wieder ausspreche. Für mich hat das nichts mit Feminismus zu tun, nichts damit, dass hier die weibliche Form vernachlässigt würde, was natürlich nicht stimmt. Ich fände es eher seltsam, wie wichtig sich der Unterschied damit plötzlich in der Sprache anfühlt, wenn im Spanischen ich nur "cansada" und mein Freund nur "cansado" sein kann, während wir im Deutschen beide schlicht und einfach "müde" sind, wenn im Englischunterricht in meinem Projekt "guapo" mit "handsome" übersetzt wird, aber "guapa" mit "pretty".
Mich hat das nachdenklich gemacht.
Bekomme ich E-Mails von meinem Projekt, der Universidad Autónoma de Madrid, zugeschickt, dann merke ich, wie viel Wert hier darauf gelegt wird, immer beide Geschlechter anzusprechen. In meinen ersten Wochen hier habe ich zwar noch verstanden, was der Ausdruck "Hola a todos y todas!" heißen soll - "Hola a tod@s!" habe ich hingegen für einen Tippfehler gehalten. Heute weiß ich, dass es hier üblich ist, das @ zu benutzen, weill an dessen Stelle sowohl "a" als auch "o" stehen könnte, jedenfalls wenn es sich um weniger formelle E-Mails handelt.
Mir fällt dabei auf, wie eindeutig im Spanischen zwischen männlich und weiblich unterschieden werden kann: Viele Wörter tragen eben ein "o" oder ein "a" am Ende. Haben wir noch das Neutrum, gibt es das in dieser Sprache nicht, jedes Wort hat ein eindeutiges Geschlecht. Ebenso fällt mir hier aber auch wieder auf, wie unterschiedlich Deutsch und Spanisch doch oft ist und wie ähnlich dafür immer wieder Deutsch und Englisch ist: Als ich in der vergangenen Woche mit meiner Sprachtandempartnerin darüber sprach, erzählte sie mir, dass sie es zum Beispiel gut findet, wenn in den Schulen Elternbriefe nicht mit dem Begrüßen der "padres" sondern der "padres y madres" beginnen - im Deutschen ist es mit dem Wort "Eltern" viel einfacher, weil es kein Geschlecht ausdrückt, mit "parents" im Englischen ist es dasselbe. Ist weiter von den "niños" die Rede, sollte man doch besser von "niños y niñas" sprechen - im Deutschen macht man es sich mit dem geschlechtsneutralen Wort "Kinder" einfacher, im Englischen ist es mit "children" dasselbe. Gilt hier der Ausruf "Hombre!", gibt es im Deutschen "Mensch!", was ebenso geschlechtsneutral, wenn auch grammatikalisch maskulin ist, das spanische "Hola a todos y todas!" ist im Deutschen "Hallo an alle!" oder eher "Hallo zusammen!" und damit ebenso problemlos.
Bis heute muss ich gestehen, dass ich nicht zu den Personen gehöre, die sich davon persönlich angesprochen fühlen - als Mädchen zähle ich mich eben zu den "Schülern", ich fühle mich deshalb weder benachteiligt, noch vergessen. Wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir wohl eher, dass man uns mit einem einzigen Wort ansprechen kann und uns nicht mit dem Begriff "Schüler und Schülerinnen" in zwei Gruppen teilt, weil es kein geschlechtsneutrales Wort für uns alle zusammen gibt. Dennoch gibt mir das Spanische das Gefühl, dass diese Sprache das Geschlecht weiter in den Vordergrund rückt als es meine Muttersprache tut. Für mich ist das zuerst einmal nur erschwerend beim Spanischlernen, ob ich das im Endeffekt jedoch tatsächlich schlecht finde, weiß ich noch nicht. Was ich jedoch mit Sicherheit weiß, das ist, dass der Einblick in das Spanische meinen Blick auf die Debatte rund um Sexismus in der Sprache auf jeden Fall verändert hat - und mir definitiv ein Verständnis dafür gegeben hat, warum Personen sich davon diskriminiert fühlen oder sich auch einfach nur unwohl damit fühlen, dass ihre Sprache wieder und wieder das Geschlecht betont.