Leerlauf ohne Tief
Ich wusste nicht, dass Ferien auch Nachteile haben können.
Ferienzeit. Nach meinen Prüfungen Anfang Januar war es soweit. Semesterferien. Zwei Monate lang herrscht Ruhe in den Lehrräumen und auf dem gesamten Campus. Fast alle Studenten fahren nach Hause zu ihrer Familie, weil Mitte/Ende Februar das chinesische Neujahrsfest stattfindet.
Was bedeutet das für meine Arbeit im SLZ? Die bisherigen Veranstaltungen waren hauptsächlich an die Germanistik-Studenten und weniger an die Kursteilnehmer des SLZ gerichtet. Das kam dadurch, dass der Zugang zu den Studenten doch deutlich einfacher und deren Interesse eben an kulturellen Veranstaltungen größer ist. Und was mache ich jetzt, wenn alle nach Hause fahren?
Im Februar werde ich selber abhauen. Allerdings nicht nach Hause, sondern nach Xi'an, Chengdu und Dongying. Das sind unsere drei großen Reiseziele, von denen aus wir noch weitere Städte anpeilen werden. 3,5 Wochen sind wir unterwegs. Das Neujahrsfest verbringen wir bei der Familie meiner chinesischen Freundin. Ich freue mich sehr darauf, die Traditionen und das Familienzusammenleben miterleben zu können.
Bis dahin ist allerdings noch viel Zeit. Die einzige „Arbeit“, die ich letzte Woche geleistet habe: Ich habe einen kurzen Artikel für eine Veranstaltung, die ich zum Glück noch machen darf, verfasst. Nächsten Sonntag werde ich Köln vorstellen. Und ich habe in eine WeChat-Gruppe und auch privat an Studenten geschrieben, dass ich viel Zeit habe und sie sich melden können, falls sie mit mir ihr Deutsch üben wollen. So kam es, dass ich mich am Mittwoch mit drei 3.-Semestern und am Sonntag mit einer Studentin aus dem 7.Semester getroffen habe. Wir sprachen über Reisen, ihre letzten Prüfungen, das Studentenleben in Deutschland und auch private Themen. Ich wurde zum Beispiel nach dem Unterschied zwischen Tierliebe und der Liebe zu einem Menschen gefragt. Und mir wurden verschiedenen Szenarien mit Jungen beschrieben, die ich dann nach „Freundschaft oder etwa mehr?“ beurteilen sollte. Es ist schön zu erfahren, wie viel Vertrauen einige Studenten mir entgegenbringen.
Der eine Artikel und diese Gespräche waren dann allerdings auch schon der ganze Inhalt meiner Arbeitswoche. Ich bin natürlich froh, viel Zeit für mich und meine Freunde zu haben. Dennoch kam schon öfter der Gedanke auf, dass ich meine Zeit intensiver nutzen könnte. Darüber habe ich natürlich bereits mit meinen Kollegen und meinem Chef gesprochen. Verständnis für dieses Empfinden hatten sie nicht wirklich. Deshalb habe ich für mich selbst entschieden, dass ich mich in den kommenden Wochen wieder mehr auf mein Chinesisch und die Bewerbungen (für ein Stipendium für meine Zeit nach dem Freiwilligendienst) konzentrieren werde. Und nach meinem Urlaub im Februar kann es dann hoffentlich wieder richtig losgehen. Ich habe so viele Ideen. Leider fehlt mir das Gegenüber, dass mir bei den Formalien zur Umsetzung hilft. Und die Ferien sind eben doch recht ungelegen.
Dadurch weiß ich aber auch, dass es diese Leerlauf-Phase nach den Ferien endet. Versteht diesen Leerlauf aber bitte nicht als ein „Tief“! Mir geht es weiterhin sehr gut. Ich muss mir jetzt eben andere Beschäftigungen suchen, die meinen Tag füllen und mich bei Laune halten. Bis jetzt klappt es gut. Viel gutes Essen, Spaziergänge im Schnee, Musik und Tanz. Ich hatte eine Zeit lang den Luxus einer Wohnung. Morgen muss ich wieder zurück auf den Campus. Ich bin mir sicher, langweilig wird mir trotzdem nicht. Ich meine: „Hallo, ich bin in Shenyang!?“
Gestern Abend machte ich zum Beispiel einen kleinen Spaziergang. Unter der Brücke der zugefrorene und mit Schnee bedeckte Fluss. AC/DC in meinen Ohren. Der Blick auf diese unfassbare Skyline. Ich strahlte wie ein Honigkuchenpferdchen. Man sollte ja meinen, dass man sich an solche Ausblicke gewöhnt. Aber nein. Ich gewöhne mich nicht daran. Shenyang flasht mich immer noch!
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