Lebenszeichen!
Für DoroL sind die letzten Wochen ihres EVS eine spannende Zeit. Anfang Juni ging es nach Russland - was sich schon zu Anfang als kompliziert entpuppte. Als sie doch noch gut ankommt, erlebt sie unvergleichbare Tage.
Labuka!
Das Lebenszeichen ist wohl dringend nötig, einige von euch werden es wahrscheinlich gar nicht glauben können, dass es mich tatsächlich noch gibt... Ja, ich bin noch am Leben und wenn man es genau betrachtet in dieser Zeit intensiver als jemals zuvor. Die letzten Wochen meines EVS in Litauen sind so proppenvoll mit Erlebnissen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Damals... Anfang Juni ging es eine Woche nach Russland. Fünf gutgläubige, reisefreudige Freiwillige, die Russland entdecken wollten und dabei nichts Böses im Sinn hatten, machten sich auf zur Russischen Botschaft in Vilnius, um ein Visum zu beantragen. Ach, es hätte so einfach sein können… Dachten wir zumindest. Wenn da nicht diverse Hindernisse gewesen wären.
1. Sind wir der russischen Sprache mächtig? Eher weniger. Sind die Mitarbeiter der russischen Botschaft der russischen Sprache mächtig? Aber natürlich! Und der litauischen? Eher nicht, die Botschaft steht ja nur zufällig in der Hauptstadt Litauens. Und wie sieht’s aus mit Englisch? Also bitte, was für eine Frage... Wer russisch kann, der muss kein Englisch sprechen, um sich international verständigen zu können. Nepanemaju paruski, isvinidje.
2. Haben wir eine Invitation? Ähm. Noch nicht gewusst? Nicht jeder kann einfach irgendwie irgendwo nach Russland fahren, wo kämen wir denn da hin? Also, bitte registrieren, genauen Aufenthaltsort angeben und natürlich ordentlich Geld bezahlen, Touristen sollen ja schließlich wenigstens einen Nutzen haben.
3. Wie sieht’s aus mit der extra-russischen-superduper-ultra-Versicherung? Wie, nicht vorhanden? Ja, glaubt ihr denn, eure popelige Freiwilligenversicherung von der Axa reicht aus für das gefährliche Russland, wo täglich 84.659.123 Unfälle, Umfälle etc. passieren? Bitte, gegenüber der Botschaft ist direkt das Büro für Reiseversicherungen nach Russland, täglich Sonderangebote!
4. Ah, ein Passfoto haben Sie, hervorragend! Aber hören Sie mal, so geht das aber nicht, das glänzt ja! Niet, niet, niet, da können unsere Beamten Ihr Gesicht aber nicht erkennen... Es ist mir egal, ob das für alle anderen Ausweise in allen anderen Ländern in Ordnung ist, gehen Sie ins nächste Fotostudio und verlangen Passfotos für ein russisches Visum, die wissen dann Bescheid. Glanz-Passfoto, also so was... Matt muss es sein, matt!
Aber: Wir haben es geschafft! Nach vielen, vielen Stunden Warten, Missverständnissen, Warten, neuen Anläufen, wieder Warten hielten wir es dann endlich in den Händen, unser russisches Visum.
Unsere Reise begann im Bus von Vilnius nach Tallinn, wo wir zwei wunderschöne Tage verbrachten, noch einmal die tolle Altstadt im Sonnenschein genossen (es war schon ein Unterschied zum Herbst) und uns dann am Sonntagabend in den Nachtzug nach St. Petersburg, unserer ersten Station im großen, fernen Russland, setzten.
Die Grenzkontrollen haben wir überlebt, und nach neun Stunden waren wir da. St. Petersburg! Riesig! Überwältigend! Großartig! Faszinierend! Unglaublich! Es gibt nicht genügend Attribute, die diese Stadt und die vier Tage, die wir dort verbracht haben, treffend beschreiben könnten. Wir sind gelaufen, gelaufen, gelaufen, haben die weißen Nächte an den Kanälen erlebt, die Sonnenstrahlen auf den Türmen der tausend Kirchen und Schlössern glitzern sehen, haben mit echten Russen (einer war aus Wladiwostok!) morgens um fünf Bruderschaft getrunken, sind auf dem Heimweg vom Hostel von einem obdachlosen Hund begleitet und beschützt worden, wären beinahe in die Hände der russischen Mafia gefallen und haben uns von der Kultur überwältigen lassen. Die Eremitage (Winterpalast), Kunstkamera, Peter und Paul-Festung, Dostojewski-Haus, Kirchen, Kathedralen, Häuser... Hätten wir doch nur nicht zwischendurch schlafen müssen!
Donnerstagnacht ging es dann weiter nach Moskau, im russischen Nachtzug mit Liegeplätzen, ein äußerst faszinierendes Erlebnis :-)
Nachdem wir dann in Moskau endlich unser Hostel gefunden hatten (es war äußerst gut versteckt und Moskau ist nicht unbedingt eine Kleinstadt), machten wir uns auf, noch mehr Kultur aufzusaugen. Der rote Platz, auf dem wir eine Sitz-Revolution starten wollten, was allerdings nicht möglich war, da Sitzen auf dem Roten Platz verboten ist (wahrscheinlich aus Angst vor einer ebensolchen Revolution ;-)), der Kreml, die Hänsel-und-Gretel-Hexenhaus-Süßigkeiten-Kirche und so weiter und so fort... Russland war einfach supergerai!
Vollkommen fertig sind wir dann am Samstag mit dem Nachtzug nach Riga gefahren, 16 Stunden, es war nicht so lustig. Sonntag dann von Riga direkt mit dem Bus nach Vilnius, Sachen umgepackt und Montag früh eine Woche lang ins Ferienlager am Meer!
Das war ebenfalls wunderschön. Sonnenschein, Strand, Erholung, ganz viel Spaß mit den Menschen aus meinem Projekt... Ich denke, ihr könnt euch langsam vorstellen, warum ich solange keine Zeit zum Schreiben hatte.
Ich muss jetzt langsam zum Ende kommen, mein Geld reicht nicht ewig und eigentlich hätte ich noch so viel zu erzählen, von einem anderen Camp, Seminaren; aber auch von traurigen Dingen wie Abschieden, die sich in der letzten Zeit häufen: meine liebe Mitbewohnerin Marianne sehe ich schon nicht mehr wieder und so geht es jetzt immer weiter...
Diese Zeit ist eine sehr verrückte, so viel intensiv erlebte Zeit im Projekt, auf den Camps und die letzten Tage mit den Freiwilligen. Gleichzeitig immer deutlicher mit dem Gefühl, dass das ganze EVS eine Angelegenheit mit Ablaufdatum ist... Etwas, was ich bis hierher nur allzu gut verdrängen konnte und was jetzt auf einmal um so deutlich vor mir steht.
Unikram, Bewerbungsstress. Aber mein EVS hat gewirkt. Ich weiß jetzt, was ich will. Ich werde Sonderpädagogik studieren. Das ist mein Ding, keine Zweifel und dass macht mich extrem glücklich. Erleichtert den Abschied, ich freue mich aufs Studium, auf das Neue, das vor mir liegt.
Viskas. Gutes Schlusswort. Morgen geht es aufs nächste Camp am Meer. Und die Sonne scheint!