Langeweile vs Studium
Die Bedeutung des Nichtstun in der Kindheit und im Studium
Wann habe ich mich eigentlich das letzte Mal gelangweilt? Wann hatte ich das letzte Mal so richtig Langeweile, sodass ich vor lauter Auswahl keine Ahnung hatte, was ich eigentlich tun sollte, keine Ahnung worauf ich Lust hatte, ganz einfach, weil alles doof war? Wann hat sich das letzte Mal ein so riesiges Loch der Leere in meinen Bauch gebohrt?
Ich versuche mich daran zu erinnern, aber es leuchtet immer wieder nur das gleiche Bild, der gleiche Moment in meinem Kopf zu einer Erinnerung auf: ich bin ungefähr zehn Jahre alt, es sind Sommerferien und ich liege auf dem Boden in meinem Zimmer, umgeben von Spielsachen - Kuscheltieren, Stiften, meiner Geige, Büchern. Ich könnte lesen. Ne. Malen? Ne. Geige üben? Nee. Auf nichts von alledem habe ich Lust. Mein Magen krampft sich zusammen, der Tag ist noch so lang und ich weiß nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen soll.
Was für ein schönes Gefühl das doch eigentlich ist. Zeit haben. Nicht gestresst zu sein. So viele Möglichkeiten zu haben und doch nichts tun zu wollen. Ganz ohne schlechtes Gewissen.
Jetzt sitze ich im Zug, auf der Rückfahrt von einem Seminar und in meinem Kopf kreisen tausend Dinge, die ich noch erledigen muss. Russisch und Portugiesisch nachholen, die Vorlesung nacharbeiten, die Bewerbung schreiben, einen Fall für die Übung am Dienstag lösen. Und Oma, Opa und meine Tante wollte ich auch noch anrufen (ganz liebe Grüße an euch, ich denk an euch!). Ach und dann wäre da noch die Probeklausur in zwei Wochen, auf die ich mich noch vorbereiten wollte. Und meine Reise in zwei Wochen will auch nicht ganz ungeplant bleiben.
Ich habe so viele Dinge, die ich tun könnte, aber ich habe keine Lust. Im Gegensatz zu früher fühle ich mich aber getrieben von dem Gefühl, dass ich etwas schaffen muss, dass ich keine Zeit dazu habe mich zu langweilen und keine Zeit dazu habe einfach keine Lust auf etwas zu haben. Ich kann es nicht genießen, einfach nur da zu sitzen und die Lichter der Autos und der Häuser zu beobachten, die hinter dem Fenster des Zuges in die Nacht fliegen. Ich darf mich nicht langweilen. Ich bin zu müde um etwas zu schaffen.
Willkommen im Studium.
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