Kulinarische Kuriositäten
In den vergangenen Wochen war Madrid Schauplatz kulinarischer Faszination für alle fünf Sinne. Beim Gastrofestival 2014 konnten Teilnehmer die spanische und internationale Gastronomie schmecken, riechen, sehen, fühlen und hören mit Sterne-Menüs, in Workshops, im Kino oder in Museumsbesuchen. Gleichzeitig wurde wieder eins klar: spanische Küche ist weitaus mehr als Paella, Tortilla und Calamares.
Die Spanier sind stolz auf ihre Gastronomie und dazu haben sie auch allen Grund. Um die Vielfalt ihrer Küche zu ergreifen, muss man sich aber zunächst durch die Spezialitäten der 17 Autonomen Gemeinschaften probiert haben, denn einheitlich sind diese auf keinen Fall. Im Norden Spaniens gehören zu den Delikatessen Fabada (Bohneneintopf) aus Asturien, Cardo con almejas (Kardone mit Venusmuscheln) aus Navarra oder der berühmte Mandelkuchen aus Galizien. Im Landesinneren empfehlen sich das Spanferkel aus Kastilien-León, der Marzipan aus Toledo (Kastilien-La Mancha) und der Cocido Mardileño, ein würziger Eintopf aus Kichererbsen, Kartoffeln, Gemüse und Fleisch, zu kosten. Im Süden wird die Küche mediterraner - Kräuter, Tomaten, Knoblauch und Olivenöl sind die Standardzutaten. Andalusien bietet unter anderem Moraga de Sardinas (Sardiniengericht mit Weißwein, Knoblauch und Olivenöl), Valencia ist bekannt für die Paella Valenciana (Paella aus Reis, Bohnen, Tomaten, Hähnchen und Kaninchen) und Katalonien lockt mit der Crema Catalana (Karamelcreme mit karamelisiertem Zucker). Wenn man bedenkt, dass dies eine bescheidene Auswahl der üppigen Küchenvielfalt Spaniens ist, scheint ein Jahr als Europäische Freiwillige viel zu kurz, um alle Köstlichkeiten probiert zu haben.
Spanische Essgewohnheiten
Dafür lerne ich in Spanien neben einigen Spezialitäten gleichzeitig viel über die spanische Esskultur kennen und merke, dass sich Art und der Rhythmus, in denen die Tagesmahlzeiten eingenommen werden, von meinen deutschen Gewohnheiten unterscheiden. Ein typischer Arbeitstag wird mit einem sehr kleinen Frühstück begonnen, ein Café, manchmal mit einem kleinen Gebäck, einem Croissant oder den klassischen Churros con Chocolate (frittiertes Brandteig-Gebäck in flüssige Trinkschokolade eingetaucht) - Hauptsache süß muss es sein. Das Mittagessen ist die wichtigste Mahlzeit am Tag um etwa 14 Uhr und besteht meistens aus zwei Gängen. Danach folgt die Siesta, nach dem mächtigen Mittagsmenü erscheint das fast notwendig. Das Abendessen (meistens auch Vor- und Hauptspeise) findet für deutsche Verhältnisse sehr spät statt, um etwa 21.30 Uhr. Zwischen Frühstück, Mittagessen und Abendessen gibt es außerdem noch zwei „Zwischengänge“, die von vielen Spaniern um etwa 11 und 18 Uhr eingenommen werden und zum Beispiel aus einer Empanada (Teigtasche), einem Bocadillo (belegtes Baguette) oder einer Suppe bestehen.
Viele spanische Berufstätige nehmen ihren Morgenkaffee oder das Feierabendbier mit Kollegen in ihrer Stammtaverne ein. Traditionelle Tavernen sind meistens mit rustikalen Holzmöbeln und einem geräumigen Bartresen aus Marmor versehen, an dem das Getränk oder das Gericht auch überwiegend im Stehen zu sich genommen werden. Bezahlt wird in Spanien immer zusammen. Während in Deutschland ein Trinkgeldbetrag von 5% bis 10% der Summe erwartet wird, wird in Spanien nicht nur weniger, sondern in einigen Fällen auch gar kein Trinkgeld erwartet, zum Beispiel wenn lediglich ein Café bestellt wurde.
Tapas und Touristen
Mein liebster Teil der spanischen Küche sind und bleiben die Tapas. Tapas bedeutet eigentlich „Deckel“ und sind kleine Appetitmacher, die in fast jeder Bar bei der Bestellung von einem Getränk kostenlos dazu gereicht werden. Die Art des Leckerbissen hängt sehr stark von dem Lokal und dessen Preisniveau ab. Die einfachste Variante der Tapas ist die mit Oliven, Nüssen oder Chips. Andere Klassiker sind Tortilla (Kartoffel-Omlette), Ciruelas (mit Speck ummantelte und gebratene Pflaumen) und Albóndigas (Fleischklößchen). Tapas können also fast alles sein, wichtig ist nur, dass sie in einer kleinen Portion gereicht werden (wenn man einen ganzen Teller möchte heißt es schon Ración). Am Ende einer Tapastour mit Freunden hat man meistens sehr viele verschiedene Köstlichkeiten probieren können, da beim Tapas essen freundschaftlich geteilt wird, also jeder vom Teller des anderen mit pickt. In nobleren Bars werden Tapas oft sehr individuell und künstlerisch aufbereitet und in einer sehr kleinen Portion serviert. Das Gegenstück dazu ist zum Beispiel die Bar „El Tigre del Norte“. Bei der Bestellung von Bier und Wein werden enorme Teller von recht fettigen, aber sehr schmackhaften Tapas wie Croquetas (Kroketten), Jamón (Schinken) oder Tortilla gereicht. Gewöhnen muss man sich hier zunächst auch an den Brauch, seine Servietten einfach auf den Boden zu werfen (eine Bar mit einem von Servietten übersäten Boden deutet auf eine gute Küche hin).
Spaniens Gastronomie besitzt eine ganze Palette an kulinarischen Reichtümern, aber diese gilt es zu entdecken und vor allem zu probieren. Auch wenn ich mich an den späten Essenszeiten der Spanier weniger gewöhnen kann, gehört das Tapas essen bereits zu meinem Lebensrhythmus dazu. Zuletzt möchte ich noch vor einem Fehler warnen: sämtliche Restaurants in Touristenorten mit bebilderten Plakaten vor ihren Türen, die immer die gleichen Fotos von Paella, Calamares und Co. abbilden gilt es zu vermeiden. Gerade diese Klassiker schmecken nur in wenigen Restaurants und es wäre zu schade, wenn sie nicht gut zubereiten wurden. Also am besten: Einheimische fragen und gleich gemeinsam losziehen und los schlemmen. ¡Que aproveche!