Kröten, Kohle, Schotter – warum wir über Geld sprechen müssen 2/3
Im zweiten Teil des Artikels transferieren wir die Hintergrundinformationen auf zwei gängige Modelle in der Volkswirtschaftslehre: Dem Wirtschaftskreislauf und die Doppelte Buchführung.
Im “Wirtschaftsdienst” des Jahres 2010 (Ausgabe 9) erschien ein Aufsatz von Prof. Dr. Fritz Helmedag mit einem interessanten Absatz: „Es ist ein Charakteristikum der modernen Kreditgeldökonomie, dass jeder Verbindlichkeit simultan eine betragsgleiche Forderung gegenübersteht. (...) Nachkommen erben nicht nur die Staatsschuld, sondern auch die entsprechenden Anspruchstitel. (...) Offenbar spiegelt ein Finanzierungsplus bei den Privaten ein Defizit des Staates oder des Auslands wider. Die verstärkte Geldvermögensakkumulation der Haushalte (die definitorisch mit der Ersparnis übereinstimmt) und der Unternehmen korrespondiert mit der Steuer(senkungs)politik nach der Jahrtausendwende. Überdies zeigt die Kreislaufanalyse, dass Fehlbeträge im Budget den Profiten zugute kommen. Der öffentliche Kredit bzw. die Nettoexporte haben in den letzten Jahren sogar zunehmend die expansive Aufgabe der Unternehmen übernommen. ” Alles verstanden? Gut! Zur besseren Verständlichkeit hat der Autor seinen Aufsatz noch um ein paar schöne Statistiken, Formeln, Tabellen und Diagramme bereichert, sodass alles schön nachvollziehbar ist – wenn man denn in der Volkswirtschaftslehre promoviert hat.
Auf der anderen Seite ist das gar nicht so kompliziert, was der Herr Professor dort verfasst hat: Jede Verbindlichkeit (Schulden, Kreditnehmer) steht einer Forderung gegenüber (Hypothek, Kreditgeber). Wenn ich mir von dir Geld leihe, hast du eine Forderung und ich eine Verbindlichkeit. Jetzt wendet der Autor dieses einfache Prinzip auf das Modell des Wirtschaftskreislaufes an. Dort haben wir fünf Sektoren (Staat, Unternehmen, Private Haushalte, das Ausland und eine virtuelle Einheit, um beim Rechnen auf „null“ zu kommen: Das „Vermögensänderungskonto“), jeder diese Sektoren kann eine Forderung oder Verbindlichkeit haben. Auch klar, wir können Geld an den Staat verleihen (Bundesschatzbriefe), wir können uns Geld von Unternehmen leihen (Banken) oder wir können – als Private Haushalte - Unternehmen Geld leihen (in dem wir zum Beispiel Unternehmensanleihen erwerben). Der Volkswirt sagt nun nicht weiter, als dass die Privaten Haushalte und Unternehmen von einer Steuersenkung profitiert haben und seit der Staat kontinuierlich mehr Verbindlichkeit akkumuliert (das heißt Kredit aufnimmt). Mit anderen Worten: Private Haushalte und Unternehmen profitieren von den ansteigenden Verbindlichkeiten des Staates, weil gleichzeitig ihre Vermögen wachsen. Dadurch, dass es für jeden Schuldner auch einen Gläubiger geben muss, ist offensichtlich, dass diese von den Verbindlichkeiten der Öffentlichkeit (also des Staates) profitieren. Darüber hinaus ziehen alle Bürgerinnen und Bürger einen Nutzen aus den kreditfinanzierten Maßnahmen. Dabei ist es völlig unabhängig von Art und Weise der Maßnahme: Autobahnen, Kindergeld, Betreuungsgeld etc.
Im Idealfall herrscht eine gewisse Ausgeglichenheit der Konten der verschiedenen Sektoren: Private Haushalte sparen Geld (verzichten also auf Konsum), andere Haushalte leihen sich Geld von Banken, die in diesem Fall auch Unternehmen sind.
Die Finanzkrise 2007, die zum Crash mehrere großer Finanzinstitute wie AIG oder „Lehman Brothers“ führte, hat eine ziemlich simple Ursache: Die amerikanische Zentralbank, die FED, sorgte mit niedrigen Zinsen für einen Konsum auf Pump. Gleichzeitig wurden im Zuge der Globalisierung die Regulierungen für den Finanzmarkt gelockert, damit wollte die Wall-Street den Anschluss an die Finanzplätze London, Peking und Hongkong nicht verlieren. Die niedrigen Zinsen sollten den amerikanischen Traum verwirklichen: Jeder amerikanische Bürger soll zu Wohlstand kommen. Im letzten Jahrhundert war es ein Auto, Henry Ford entwickelte die Fließbandproduktion. In unserem Jahrhundert symbolisiert ein eigenes Haus, mit Garten und Apfelbaum, diesen Wohlstand. Die Banken rechneten in ihren Planungen mit Wertsteigerungen für ihre Immobilien, so wurden selbst Kredite an Schuldner vergeben, deren Bonität (also die Kreditwürdigkeit) eigentlich nicht hoch genug ist. Da man aber mit steigenden Preisen rechnete, würde das Haus als ausreichende Sicherheit reichen. So lange die Preise stiegen, ging dieses Spiel gut. Sobald aber die ersten Schuldner ihre Raten nicht mehr bedienen konnten, forderten die Banken die Rückzahlung der Kredite, es wurden also über Nacht mehr Häuser verkauft, der Preis sank. Es entstand eine Spirale nach unten, die Banken wollten die Kredite wieder haben und gleichzeitig die Häuser verkaufen, die Zinsen für Kredite stiegen und die Preise für Häuser fielen. Die Party war vorbei, die letzten Gäste tanzten noch einsam, wollten nicht wahrhaben, dass der Zenit schon längst überschritten ist.
Die Banken saßen jetzt auf Schrottpapieren, ausgegeben im Irrglauben an steigende Immobilienpreise, ausgegeben an Schuldner mit geringer Bonität. Die Konsequenzen sind offensichtlich: Die Banken waren Pleite, konnten ihrerseits ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Banken entließen Angestellte, die Erwartungshaltung von Investoren sank, der Konsum ging drastisch zurück. Weitere Entlassungen im Einzelhandel folgten, die Rezession stand in der Tür. In diesem Punkt kommt Vater Staat ins Spiel: Er sicherte das Überleben und stellte weltweit Konjunkturpakete auf, um eine Nachfrage zu stimulieren. Die Leute kauften zu wenig! Der neue Fernseher, die Fernreise, das neue Auto – alles wurde verschoben, weil nicht sicher war, ob die Firma, für die man vielleicht seit zwanzig Jahren arbeitet, in drei Monaten noch existiert.
Diese Rettungsmaßnahmen kosteten Geld – auf Pump finanziert. Aus einigen wenigen ausgefallenen Krediten ist deshalb eine Refinanzierungskrise einiger größerer Banken und letztendlich eine Weltwirtschaftskrise geworden.