Krankenhausschock, verplante Wochenenden, einkehrender Alltag und aufkommende Vorfreude – Már alig várom!
Wie wir unverhofft im Kecskeméter Krankenhaus landeten, am Nationalfeiertag aus der Hauptstadt flohen, in einer waghalsigen Aktion den höchsten Punkt Budapests erklommen und was im zweiten und dritten Monat sonst noch so geschah.
Ende November. Nachdem wir uns (zumindest gefühlt) gerade erst vom Sommer verabschieden mussten, nähert sich nun schon der Winter mit großen Schritten. Ich habe längst auf Winterjacke und –stiefel umgestellt und sogar die Handschuhe sind schon rausgekramt. In sämtlichen Supermärkten grinsen mir die Nikoläuse aus den Regalen zu und ich muss zugeben, beim Anblick diverser Spekulatiuspackungen das ein oder andere Mal schon schwach geworden zu sein. In meiner Stelle plant man bereits euphorisch Nikolaus und die gemeinsame Weihnachtsfeier und ich kann, vielleicht aufgrund einfach noch nicht aufkommen wollender Weihnachtsstimmung, wieder mal nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht.
Da der letzte Bericht nun schon über einen Monat zurückliegt, werde ich versuchen, die wichtigsten Geschehnisse der Zwischenzeit in einem aushaltbar langen Text zusammenzufassen.
Das Wochenende, das direkt nach dem letzten Bericht folgte, verlief mehr als unerwartet und war mit einem ziemlichen Schock und einer Erfahrung verbunden, die uns und vor allem Charlotte hätte erspart bleiben können. Am 19.Oktober habe ich mich nachmittags auf den Weg nach Kecskemét gemacht, um Charlotte, die dort arbeitet, zu besuchen. Als ich ankam klagte sie bereits über Rückenschmerzen und Atembeschwerden, weswegen wir entschieden, den Abend gemütlich in ihrer Wohnung zu verbringen. Als die Situation am nächsten Morgen unverändert war, schrieb sie ihrem Mentor und schilderte ihre Beschwerden. Zu diesem Zeitpunkt vermutete sie noch, sich bei dem Versuch, am Vortag ein recht schweres Regal in die Luft zu heben, etwas ausgerenkt oder einen Nerv eingeklemmt zu haben. Es war Sonntag, was bedeutete, weder eine offene Apotheke, noch eine arbeitende Arztpraxis in Kecskemét auffinden zu können. Charlotte hatte weiterhin Kontakt zu ihrem Mentor und beim Googeln der Symptome, die sich zeigten, wurde uns langsam sehr unwohl. Ihr Mentor (der eigentlich gar nicht ihr Mentor sondern nur ein Mitarbeiter ist..) hat dann ganz geistesgegenwärtig einen Krankenwagen beordert, der nur wenige Minuten später vor ihrer Haustür stand. Hals über Kopf durften wir dann die Wohnung verlassen. Sie ist vorgegangen, ich habe noch versucht die wichtigsten Dinge in einem Rucksack mitzunehmen, natürlich noch in der Annahme, dass wir am Abend sicher wieder zu zweit und gesund in die Wohnung zurück kehren könnten. Es folgte eine Fahrt in einem ungarischen Krankenwagen zum Korház Kecskemét… Würde ich den Tag und den Folgetag nun mit alles Details beschreiben, würde allein die Beschreibung dieses unerfreulichen Wochenendes etwas die Länge eines Einmonatsbericht einnehmen, deswegen nur so viel: Letztendlich waren wir Charlottes Mitarbeiter sehr dankbar, dass er ohne lange zu fackeln den Krankenwagen gerufen hatte. Nach mehrstündiger Untersuchungen im Krankenhaus, stellte sich durch ein Röntgen heraus, dass Charlotte etwas hat, das man auf Ungarisch ,,Légmell˝ (,,Luftbrust˝, med. Bezeichnung: Pneumothorax) nennt, was, wenn es nicht umgehend behandelt wird, lebensgefährlich ist. Somit wurde noch am Abend eine kleine OP vorgenommen, in der man die deplatzierte Luft neben ihrer Lunge aus ihrer Brust entfernte. Ein sehr scherzhafter Eingriff, auf den einige weitere schmerzhafte Stunden folgten, in denen Charlotte kaum in der Lage war, zu sprechen. Daher habe ich an dem Abend dann noch mit ihrer Familie, ihrem ungarischen Freund und sogar ihrem Hausarzt in Deutschland telefoniert, sie sich selbstredend alle wahnsinnige Sorgen machten. Natürlich stand auch die Idee im Raum, sie in ein deutsches Krankenhaus zu bringen, doch sie selbst hat sich dagegen entschieden. Am späten Abend kam dann noch ihr Freund aus Budapest. Wir haben die Nacht in ihrer Wohnung verbracht und sie am nächsten Morgen dann direkt besucht. Während ich mich dann Montag selbst etwas geschafft wieder auf den Weg nach Budapest machte, blieb Robi für die nächsten Tage bei ihr, was die Allgemeinsituation für sie mit Sicherheit einiges aushaltbarer gemacht hat.
Am darauffolgenden Mittwoch, dem 23.Oktober (ungarischer Nationalfeiertag!), haben Simon, Gerry und ich sie dann im Krankenhaus besucht. Somit konnten wir aus dem feiernden Budapest, in dem wirklich die Hölle los war (Orbán hielt eine Rede auf dem Heldenplatz…) flüchten und Charlotte ein bisschen Gesellschaft leisten. Der ging es mittlerweile schon einiges besser und machte insgesamt einen viel besseren Eindruck als noch am vorherigen Sonntag. Bis zum Freitag darauf blieb sie dann noch im Krankenhaus. Danach wurde sie nach Budapest gebracht und es folgte eine dreiwöchige Reha bei ihrem Freund zuhause. Normal arbeiten darf sie jedoch immer noch nicht wieder. Sechs Wochen Pause hat sie verordnet bekommen.
Die darauf folgenden Wochenenden hatten dann glücklicherweise wieder einen normaleren Verlauf. Am Samstag darauf habe ich mich mit einer Ungarin getroffen, die selbst als Freiwillige in der Nähe von Dresden war. Wir waren Palacsinta essen und ein bisschen schoppen. Naja, das einzige was ich erschoppt habe war ein deutscher Charlotte Link Roman, da alle Bücher, die ich Anfang September noch irgendwie in meinen Koffer gestopft habe, natürlich längst aufgelesen sind. Am Sonntag war ich dann mit Lea und Katharina, zwei anderen deutschen, in Budapest arbeitenden Freiwilligen, in der World Press Photo Exhibition im Néprajzi Múzeum direkt hinterm Parlament. Sehr interessante wenn auch teils schockierende Ausstellung! Danach gings noch Pizza essen. Das Allerheiligen-Wochenende war dann wohl das seit Langem mal nicht vollends ausgeplante, was zur Abwechslung aber auch mal ganz angenehm war. An dem Samstag war ich mit der, mittlerweile wieder einigermaßen rehabilitierten, Charlotte auf einem Konzert der Band ihres Freundes (,,Magidom˝). Habe natürlich kaum ein Wort verstanden von den ungarischen Texten, war aber trotzdem gut. Am nächsten Samstag durfte ich vormittags ein paar Überstunden machen, nachmittags habe ich mich mit Damaris, deutsche Freiwillige, die in Szeged arbeitet, getroffen. Am Abend waren wir auf dem Geburtstag unserer Koordinatorin eingeladen, die als wir ankamen schon den einen oder anderen Palinka intus hatte… War ein sehr lustiger Abend mit den feierfreudigen Ungarn. Sonntag war ich dann mit Aliena verabredet, die Kulturweit-Freiwillige in Budapest ist. Wir sind nachmittags mit dem Bus zum Fuß des János Hegyes (dem höchsten Berg Budapests) hochgefahren. Eigentlich hatten wir darauf gehofft, einen Sessellift hoch nehmen zu können, doch der fuhr seit über einer Stunde nicht mehr. Also ging es zu Fuß hoch. Eine Aktion, die aufgrund der einkehrenden Dunkelheit und den teils steilen und schmalen Wegen mitten durch den, selbstverständlich nicht mit Laternen ausgestatteten, Wald sich als etwas waghalsiger und schwieriger herausstellte als erwartet. Nach einer guten Stunde sind wir dann endlich recht geschafft ganz oben angekommen. Die Beschreibung ,,ganz oben˝ trifft in diesem Fall wirklich absolut zu. Vom höchsten Punkt der Stadt aus erwartete uns auf dem Elisabethenaussichtsturm, auf dem wir mitten in den Wolken standen, die links und rechts an uns vorbeizogen, eine wirklich beeindruckenden Aussicht. Das Parlament ließ sich als stecknadelkleiner Punkt irgendwo im vor uns liegenden Lichtermeer noch entdecken und den Verlauf der Donau konnte man ebenfalls an den umliegenden beleuchteten Gebäuden erschließen. Wäre es nicht so bitter kalt gewesen dort oben, hätten wir diesen Anblick sicher noch ein bisschen länger genossen. Unten wieder angekommen waren wir dann noch kurz was essen und danach hat Aliena mir ihre Wohnung gezeigt, die sich wirklich blicken lassen kann. Sie liegt auf der Budaseite der Stadt direkt an der Donau rechts neben der Magirsziget, die man von ihrem Balkon aus sehr gut beobachten kann. Zur Rechten befindet sich das Parlament und man hat in diese Richtung Blick auf den Verlauf der Donau. Man könnte fast neidisch werden, aber ich denke ich kann mich auch nicht beschweren. Letztes Wochenende kam dann Freitag Henning aus Kazinsbarcika und Samstag Gerry aus Tatábanya. Freitag stand dann eine Kneipentour auf der Wesselényi utca an und Samstag haben wir wieder für einen entspannten Spaziergang durch Budapest genutzt. Dieser vollkommen ungeplante Ausflug hat uns dann ganz unverhofft zu spannenden Orten geführt. So haben wir u.a. eine Oldtimer-Ausstellung und eine Art Hausprodukte-Markt gefunden. Manchmal muss man sich halt einfach planlos treiben lassen, um auf Interessantes zu stoßen…
Auf der Arbeit läuft es (vielleicht aufgrund der sich stetig verbessernden Sprachkenntnisse) immer besser. Zumindest drei Tage die Woche bin ich jetzt voll beschäftigt und ab und zu arbeite ich nun auch samstags. Alle zwei Wochen kommt hier am Samstag eine Puppenspielerin, die ein bisschen Kinderbelustigung betreibt. Ich soll das fotografisch festhalten, draußen auf dem Spielplatz Aufsicht halten und Tee für die Kinder kochen. Alles in allem also eine recht angenehme Aufgabe und für jeden Samstag, an dem ich drei Stunden arbeite, bekomme ich einen vollen Tag frei. Die Kinder kennen mich mittlerweile und fragen manchmal sogar nach, ob ich Zeit habe, um mit ihnen zu puzzeln, zu malen oder ins Spielzimmer zu gehen. Außerdem bin ich jetzt jeden Montagvormittag in der Landeszentrale bei meiner Koordinatorin und ihrem Chef. Nächstes Jahr findet das 25jaehrige Malteserjubiläum Ungarn statt und zu diesem Anlass soll es ein Wiedersehen mit den alten Freiwilligen geben, das ich nun via Email mitorganisieren soll.
Ich fühle mich in meinem neuen Leben, in das nun langsam aber sicher Routine einkehrt und sich allmählich zumindest unter der Woche wie normaler Alltag anfühlt, weiterhin wohl. Je länger ich hier bin, desto froher bin ich, mich dazu entschlossen zu haben, herzukommen. Dennoch freue ich mich nun auch auf Ende Dezember. In weniger als einem Monat geht mein Flieger nach Köln und ich kann es kaum erwarten, meine Lieben dort zum ersten Mal wieder in die Arme zu schließen! Zehn Tage habe ich dann zuhause Zeit, die ich so gut es nur geht mit Familie und Freunden genießen will, bis es dann noch vor Silvester wieder zurück geht. Ich glaube, das letzte Mal habe ich mich im Kleinkindalter so sehr auf Weihnachten gefreut :)..
Link zu Charlottes Blog/ihrer Beschreibung der Krankenhaus-Erfahrung: http://meinungarnjahr.wordpress.com/2013/10/25/neue-erfahrungen-diesmal-aus-einem-anderen-winkel/
Leas Blog: http://leainbudapest.blogspot.hu/
Alienas Blog: http://kulturweit-blog.de/alienaimwunderland/