Klassik im Dunkeln
Einzigartiges Musikerlebnis in totaler Finsternis. IV Internationales Krzysztof Penderecki Festival im Historischen Steinkohlebergwerk "Guido" in Zabrze (Hindenburg) elektrisiert insbesondere den jungen Zuschauer mit Dunkelkonzerten.
Nächste Woche findet das IV Internationale Krzysztof Penderecki Festival in Zabrze statt. Der anerkannteste lebende Klassikkomponist Krzysztof Penderecki wird vor Ort sein und am 25. September das große Finale einläuten. Der als unorthodoxer Querkopf bekannte polnische Komponist wurde 1933 in Südpolen geboren und ist längst als Schöpfer aufregender Meisterwerke in die Geschichte eingegangen.
Seine Lukaspassion begründete die für einen zeitgenössischen Komponisten der Avantgarde selten hohe Popularität. Penderecki zählt zu den meist gefeierten Komponisten Polens, ist aber nicht unumstritten. Die Verfechter der musikalischen Avantgarde nehmen ihm die relativ frühe Abkehr von der avancierten Moderne übel.
„Ich wehre mich als Komponist einfach dagegen, dass die Musik immer komplizierter wird.“
―Krzysztof Penderecki
Es ist schon erstaunlich was man sich heutzutage alles einfallen lassen muss, um den jungen Zuschauer/Zuhörer auf ein Klassik Konzert anzulocken. Es ist generell zu beobachten, dass der durchschnittliche Klassikempfänger in Europa nicht zu den jüngsten gehört. Pendereckis Name könnte bereits als Lockvogel gelten, das aber ebenfalls bei dem älteren Publikum. Dem jüngeren Empfänger muss man heutzutage mehr anbieten, als "nur" traditionell Musik. So wird man während des Festivals mit Sinneserlebnissen der Sonderklasse rechnen können.
Allein die Location ist schon bemerkenswert. Die historische Zeche "Guido" in Oberschlesien stellt mit 320 Metern unter der Erde das tiefste Besucherbergwerk Europas dar. Musik in dieser Tiefe zu hören stellt auf jeden Fall einen Mehrwert für den mit Konkurrenzveranstaltungen überfluteten jungen Menschen dar.
Fürst Guido Henckel von Donnersmarck (1830-1916) lebte als einer der reichsten deutschen Industriellen seiner Zeit in einem Schloss nach dem Vorbild von Versailles und benannte seine zahlreichen Industriebetriebe mit Vorliebe nach sich und seinen Familienangehörigen. So kam auch die Zeche Guido zu ihrem Namen, die in der damals aufstrebenden Bergbauregion Oberschlesien entstand. Sie sollte die nahe gelegene Donnersmarckhütte mit Steinkohle versorgen.
Heutzutage ist die Zeche längst nicht mehr aktiv, aber offen für Besucher. Eines der Festival Konzerte wird in 320 Meter Tiefe und in vollkommer Dunkelheit stattfinden. Pendereckis Werke in absoluter Dunkelheit von internationalen Stars präsentiert zu bekommen kann zu einer besonderen akustischen Grunderfahrung werden: die Entdeckung des Hörens ohne die Ablenkung durch visuelle Eindrücke.
Nach dem Konzert in totaler Dunkelheit wird der Gast auch Geschmäcker intensiver erleben können. Das "Dark Restaurant" lädt die Gäste nämlich dazu ein im Dunkeln zu essen und die Geschmackssinne dadurch auf einmalige Weise anzuregen. Die Sensibilität wird durch die Dunkelheit gesteigert, denn das Sehen gehört schließlich mitunter zu unseren dominantesten Sinnen. Wenn wir nichts sehen, verstärken sich die anderen Sinneswahrnehmungen. So kann auch die ohnehin bemerkenswerte Musik von Penderecki aussergewöhnlich intensiv wahrgenommen werden.
Zugegeben: ein etwas ausgefallenes Angebot, für die Älteren vielleicht sogar etwas zu ausgefallen. In vollkommener Dunkelheit in 320 Meter Tiefe zu sitzen ist nun mal nicht jedermanns Ding. Für den ehrfahrungssüchtigen, anspruchsvollen jungen Menschen in Europa aber bestimmt unvergesslich.