Kinderheim in Weissrussland
Geheimnis hilft als Europäischer Freiwilliger im Albert-Schweitzer-Spessarthaus. An Silvester stand etwas ganz Besonderes an: Eine Fahrt nach Weißrussland.
Albert-Schweitzer-Spessarthaus in Weißrussland
Am Ende des vergangenen Jahres hatten Jürgen Frohberg (Hausvater im Albert-Schweitzer-Spessarthaus) und der weißrussische freiwillige Helfer Dmitry Kazlou im Haus eine Idee: Wir wollen die Kindern im Haus den Jahreswechsel in Weißrussland erleben lassen. Schnell sprach sich diese Idee herum und alle Dammbacher wollten Anteil daran haben. Am Tag der Abfahrt war der Kleinbus voll bis unters Dach mit Spenden der Dammbacher Bevölkerung.
Wir fuhren um 9.30 Uhr los und pünktlich um 17.00 Uhr an der polnischen Grenze hatte uns der Winter eingeholt. Weiter ging’s mit Tempo 40 bis 60 von Görlitz über Warschau bis nach Brest in Weißrussland.
Die weißrussische Grenzkontrolle
Als wir um 7.00 Uhr (8.00 Uhr Ortszeit) die unendliche Warteschlange erblickten, fassten wir kurzerhand den Entschluss, an der Schlange vorbei zufahren, auf die müden Kinder zu verweisen und so die Wartezeit zu verkürzen. Entgegen aller Vermutungen, hat das geklappt, wir wurden sofort die die Abfertigung eingruppiert. Aber das war auch schon das Ende der weißrussischen Freundlichkeit. Durch das halbgeöffnete Fenster wurde uns eine Hand voll Formulare ins Auto gereicht. Dank der Sprachkenntnisse von Dmitry gelang es uns in der folgenden Stunde Stück für Stück den Sinn und Zweck der Unterlagen zu erfahren. Aber es dauerte noch weitere zwei Stunden, bis wir jedes der kleinen Häuschen mit dem einen oder anderen Euro gefüttert hatten. Dabei blieb es uns mehr als einmal schleierhaft, was wir da so alles bezahlt haben. Das war wohl auch den weißrussischen Beamten nicht immer klar, da in jedem der Häuschen die beiden Mitarbeiter (es waren immer zwei!) gegenseitig ausdiskutiert hatten welchen Betrag sie uns abknöpfen. Aber irgendwann hat der Letzte seinen Stempel aufgedrückt und wir durften weiterfahren.
Nun fehlten noch 600 Kilometer weißrussische Wegstrecke bis wir am Ziel in Babruysk waren. Der Nebel wurde immer dichter. Zwischendurch füllten wir unseren Tank. Irgendwo stand ein großer Tank mit einem Schlauch. Ein Mensch, der sich hinter einer winzigen Glasscheibe verbarg, fragte, wie viel wir denn tanken wollen, kassierte das Geld und gab die vorher veranschlagte Menge frei. Es war schon 17.00 Uhr Ortszeit als wir im dichten Nebel und im Dunkeln unsere Unterkünfte erreicht hatten.
Das weißrussische Kinderheim
An nächsten Tag wollten wir unsere reichlichen Spenden in einem von unserem weißrussischen Gastgeber ausgewählten Kinderheim überreichen. Am Eingang empfingen uns das Hauspersonal und ein Vertreter der Bobrojsker Stadtverwaltung, leider keine Kinder. Die waren in Kostümen verkleidet und standen startbereit für ein kleines Laienspiel. Die Kinder haben sich wirklich sehr viel Mühe gegeben und wir genossen das dargebotene Stück. Mit einer kleinen Ansprache übergaben wir unsere Geschenke. Die spontan überreichten 100 Euro wurden zu unserer Überraschung abgelehnt. Bargeld darf nicht angenommen werden. So beschlossen wir, einen adäquaten Sachwert (Hausschuhe, Socken und Foto-Filme) zu besorgen.
Nun sollten wir die benachbarte Grundschule besuchen. Man wies darauf hin, dass man diesen Punkt nicht vorbereitet hat, aber man sich nicht schäme die Schule und sogar die Toiletten (entgegen der staatlichen Anweisung!) zu präsentieren. Obwohl Ferien und daher keine Kinder da waren, hatte der anwesende Direktor seinen feinsten Nadelstreifen an, in jeder Klasse saß eine Lehrerin und das Schulmuseum wartete mit einer ausführlichen Führung auf die deutschen Gäste. Mit einem Eintrag in das Gästebuch verließen wir die Schule. Zu unserer Überraschung lud man zu einem Zirkusbesuch nach Minsk ein, was wir sehr dankbar annahmen.
Silvester in Weißrussland
Der nächste Tag war Silvester. Wir feierten in unseren russischen Gastfamilien, die Jugend unter sich und die Erwachsen für sich. Überall wartete einen riesengroßes Essbüfett und für die über 18jährigen traditionell selbstgebrannter Wodka. Um Mitternacht sprach ein sehr strenger schnauzbärtiger Präsident zu seinem Volke, und verursachte kurzfristig eine Gänsehaut. Aber danach wurde weiter gegessen, getanzt und gelacht. Damit ist die weißrussische Jahreswende noch lange nicht beendet. Bis zum 12. Januar trifft man sich täglich abends trotz Kälte und Nässe auf dem Leninplatz und tanzt bei Livemusik, geheizt durch Wodka. Feuerwerk gibt es offiziell nur ein staatliches, welches man am 1. Januar 25 Meter über den Köpfen der Zuschauer abbrannte, die gekonnt den herabfallenden Funken auswichen.
Minsk
Minsk zu sehen war sehr schön. Die Stadt ist ein Lichtermeer. Die Bauten sind grandios. Auf dem „Roten Platz“ hatte die Feuerwehr Wasser für eine Eislaufbahn gespritzt. Die Menschen sind ernst, aber das kann an der Kälte gelegen haben. Wir fühlten die minus drei Grad wie minus 20 und schlotterten von Haus zu Haus. Der Zirkusbesuch zeigte uns typische russische Attraktionen. Die Kinder saßen stets sehr diszipliniert auf den zugewiesenen Plätzen. Überhaupt reagierten die Pädagogen auf kindlich typische Reaktion im Bus, auf der Straße und im Zirkus sehr streng. Oft genügte bereits ein Blick und das betroffene Kind versank bis zum Kopf in die Sitzlehne.
Unser eigener individueller Ausflug nach Minsk fand keine Unterstützung. Die selbst organisierte Reiseleiterin wurde bestraft und nie wieder gesehen. Vor der Reise habe man die Pässe zu hinterlegen und die Reiseleiterin wird vom Staat gestellt. Diese erzählt uns dann, wie hoch die Arbeitsproduktivität in den Betrieben ist und das man keine Bettler kennt. Bettler werden von der Polizei vertrieben. Sie zeigt uns russische Kriegsgräber und erklärt wie der Krieg gewonnen wurde.
An den weiteren Tagen organisierten wir noch die Schuhe und Socken. Wir gaben ein Interview für die Lokalzeitung. Wir lernten die weißrussische Küche auch auf dem Land kennen - Was man doch alles mit Knoblauch mischen kann! Nach acht Tagen hieß es dann Abschied nehmen und vor uns lagen wieder 1.300 Kilometer nach Hause.
Wie war’s?
Es war sehr schön. Wenn man nicht den höchsten touristischen Luxus erwartet und bereit ist, für das Kennenlernen von Land und Leuten ein paar Abstriche in seinen Ansprüchen zu machen. Weißrussland ist ein schönes Land mit einer langen Tradition. Die fast 60 Jahre kommunistische Herrschaft ist tief und Köpfen der Menschen verwurzelt und man will sich fast nicht davon lösen. Das bremst das Land in seiner wirtschaftlichen Entwicklung hin zu westlichen Standards – aber ich glaube, dass man das gar nicht möchte.
Unseren Kindern hat’s gefallen und die wollen am liebsten morgen wieder hin.
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