Kein Sommermärchen ?
In Frankreich feiert man die EM mit gemischten Gefühlen
Die Straße ist wie leer gefegt. Kein Mensch ist zu sehen. Die „redonnaises“ haben sich in ihre Wohnzimmer zurückgezogen, Freunde eingeladen und essen mit „Euro 2016“ beworbene Chips, stoßen mit „Euro“-Bier an. Oder sie treffen sich in der großen Bar am Marktplatz von Redon, die Jugend eher in einem der kleinen Pubs, während draußen der Regen tobt. Das erste der Spiele dieser Europameisterschaft und ihrer Mannschaft kann für die Franzosen beginnen.
Mit gemischten Gefühlen bei den Einheimischen hat an diesem Wochenende die Europameisterschaft in Frankreich begonnen. Fußballfieber und Stolz über diese Ehre als Gastgeberland mischen sich mit Skepsis und offenem Unbehagen. Diese Tage sind bei den Franzosen nicht von Einigkeit und Feierlaune geprägt, im Gegenteil. Streiks und Demonstrationen dominieren seit einiger Zeit die Zeitungen, aber auch das Leben der Menschen. Um ein neues Arbeitsgesetz „El Khomri zu verhindern, ist das Zugpersonal in den Streik getreten. Dieser hat sich auf weitere Transportmittel wie auch Gas- und Stromhersteller ausgeweitet, was Engpässe in Tankstellen und im Stromnetzwerk zur Folge hatte. Für diesen EM-Beginn sind die Streiks verschärft worden, was das Vorankommen der Fans erheblich erschwert, vor allem, da die Metrolinien zum Stadium in Paris komplett ausfallen. Mehrere Großdemonstrationen sind angekündigt worden, in den großen Städten wollen wieder Massen auf die Straße gehen. Dazu kommt der Abfall, der wegen des Streiks der Müllabfuhr Paris beherrscht. Der Druck auf die Regierung soll steigen, denn das Gesetz ist noch nicht durch und soll unbedingt verhindert werden, und da steht der größte Teil der Franzosen dahinter, auch wenn es für sie Unannehmlichkeiten und für ihr Land kein harmonisches Bild bedeutet. Diese Europameisterschaft, die die Politik eigentlich zur Aufbesserung ihres Images nutzen wollte, zeigt nun eher, dass sich die Franzosen im ganzen Land wenig gefallen lassen. Die EM als willkommene Gelegenheit zu nutzen, die Probleme im Land zu vergessen, das wollen sie auf jeden Fall verhindern. Und da steht das Bild im Ausland an zweiter Stelle. Dazu kommen die Schwierigkeiten aufgrund von Überschwemmungen und massenhaften Kontrollen, die eine ausgelassene Feierlaune schwierig machen. In den Zeitungen wird laufend getitelt, dass diese EM „die sicherste EM jemals“ sein wird, Extrapersonal und Kontrollen werden auch schon im Vorfeld in Paris und anderen großen Städten eingeführt, während der EM sieht man sogar in der Region mehr Polizeipräsenz. In einer kleinen Stadt wie Redon ist die Terrorangst allerdings kaum präsent. Einzig, dass es draußen keine großen Public Viewing gibt zeigt die hohen Sicherheitsvorkehrungen. Doch auch allgemein scheint die Fußballbegeisterung nicht so überhand zu nehmen, wie man das beispielsweise aus dem Sommermärchen 2006 kennt. Natürlich, Fanartikel gibt es in großen Mengen zu erwerben, Schaufenster werden vereinzelt dekoriert – was logisch scheint, denn die Wirtschaft wir in jedem Fall profitieren –, gemeinsam schaut man das Spiel – doch sonst sieht und hört man wenig, zu diskutieren gibt es wichtigere Themen, man nutzt den Anlass um sich zu treffen und zu feiern. Der solide, aber langweilige Sieg der „Blauen“ an diesem Freitag heizt die Begeisterung auch nicht unbedingt an. Da scheint das gemeinsame Fußballschauen mit den Europäischen Freiwilligen noch am spannendsten: Wer jubelt für wen, sind wir für die Franzosen oder doch lieber die Rumänen, da wir eine unter uns haben?