Katholizismus in Irland
Seit 2005 ist der Prozentsatz an Iren, die sich als "religiös" bezeichnen, über 22 % gesunken. Woran liegt das?
Als Tourist in Irland trifft man nicht selten auf alte Burgen, Schlösser oder Kathedralen. Ja, in quasi jeder sehenswerten irischen Destination ist mindestens eine Kirche, die man sich unbedingt angucken sollte. Der erste Eindruck bestätigt also etwas das Klischee um den irischen Glauben. In Angela's Ashes schreibt der Autor Frank McCourt, dass Limerick damals als streng religiös angesehen wurde, er jedoch denkt, dass sie nur so oft in die Kirchen gingen, weil dies der einzige trockene Ort war. Auch dieses Klischee um das Wetter Irlands lässt sich nämlich bestätigen. Ich persönlich bin während meiner sieben Monate Aufenthalt im wunderschönen Cork schon auf viele religiöse Menschen getroffen, jedoch auch auf Menschen, die nichts mehr damit am Hut hatten.
Ich frage mich also – wo stehen wir mit dem katholischen Glauben heute? Laut einer aktuellen Umfrage gehören innerhalb der Republik Irlands noch 86,8 % der Bevölkerung dem katholischen Glauben an. Dennoch haben die Missbrauchsskandale ihre Grundfesten erschüttert. Aber nicht nur die Iren an sich sind betroffen, sondern auch Katholiken aus anderen Ländern beäugen das einst so erzkatholische Land. Die Anfänge des katholischen Glauben lassen sich auf den heiligen Patrick, nach dem auch der St. Patricks Day benannt ist, zurück führen. Dieser ist Nationalheiliger Irlands und gilt als Begründer der religiösen Tradition in Irland. Unter dem englischen Einfluss geriet die katholische Kirche in Irland immer mehr in das Hintertreffen. Nach und nach verlor es Besitztümer und Mitbestimmungsrechte. Unter Königin Mary leistete das Volk stets Widerstand gegen Fremdherrschaft. Anfang des 20. Jahrhunderts genoss die Kirche Irlands dann eine hervorgehobene Stellung in der Verfassung der Republik Irlands – danach dann die beginnende Krise. Immer weniger Bürger besuchen Gottesdienste, nicht nur in Irland, sondern auch anderen europäischen Ländern. Sinkende Zahlen ließen sich zudem auch bei Priestern und Ordensleuten feststellen.
Im Jahr 2007 verstarben 160 Priester, doch es gab nur neun Priesterwahlen im gleichen Jahr. Das Jahr 2009 wird wohl als das ultimative Krisenjahr der irischen Kirche angesehen, denn in diesem Jahr deckten Berichte wie Ryan-Berichte oder der Murphy-Bericht den u.a. sexuellen Missbrauch von Kindern in katholischen Schulen und Heimen zwischen 1940 und 1990 auf. Öffentliche Entschuldigungen und Stellungnahmen folgten. Viele Bischöfe traten kurz darauf von ihren Ämtern zurück. Zwischen 2005 und 2012 fiel der Anteil der sich als „religiös“ bezeichnenden Iren um 22 Prozentpunkte. Liegt das allein an den Missbrauchsskandalen oder ist hierfür vielleicht eine generelle Änderung der Wertevorstellung Ursache?