Israel auf Persisch I: Die lange (buerokratische) Reise nach Mittelost
Monate der gewissenhaften und bis ins kleinste Detail ausgetueftelten Planung liegen hinter mir, denn ich habe eine aussergewoehnliche Reise unternommen: 2 Wochen Iran! Aber damit nicht genug - meine naechste Destination war ausgerechnet Israel...
Die Planung war die Aufwaendigste, die ich jemals fuer eine Reise auf mich genommen hatte. Schon die Visumsbeschaffung nahm mehrere Wochen in Anspruch: Zunaechst die Dokumente von der Webseite der Iranischen Botschaft herunterladen (beziehungsweise diese erst einmal finden), eine zuverlaessige (!) Organisation finden, die uns eine Referenznummer beschaffen konnte- fuer mehr als 200 Euro fuer drei Personen. In der Zwischenzeit musste ich zudem einen zweiten Reisepass beantragen, da mein derzeitiger Pass durch meinen Studienaufenthalt in Israel ein grosses, hebraeischsprachiges Visum aufwies, mit dem mir die Einreise in den Iran verwehrt werden wuerde.
Beide Dokumente lagen erstaunlich schnell vor, und zu zweit machten wir uns mit unseren nagelneuen Paessen und Passbildern auf den Weg zur Iranischen Botschaft in der Berliner Podbielskiallee. Der Gang zu einem Konsulat war weder mir noch meiner Begleitung ein Neues; trotzdem war es diesmal bedeutend anders. Bereits die Fotos machen zu lassen war ein Unterfangen gewesen, das zumindest bei mir Unbehagen ausgeloest hatte. Denn laut Vorschrift muessen Frauen fuer Ihr Iranvisum ein Passfoto mit Kopftuch vorweisen. Ich bedeckte also sorgsam meine Haare und Ohren mit einem schwarzen Schal, stieg in die S-Bahn und liess mich bei meinem Lieblings-Fotoladen am Gesundbrunnen fotografieren. Obgleich niemand Fragen stellte, fuehlte ich mich seltsam, wie unpassend kostuemiert - zumal in einer Gegend, in der zumindest viele aeltere Frauen tatsaechlich auf Grund religioeser Gefuehle Kopftuecher tragen. Ich war also froh, als das Foto fertig und mein Kopf wieder unverhuellt war.
Die zweite unangenehme Note erhielt unser Besuch im Konsulat daher, dass die Verbindung unserer kleinen Reisegruppe bei unseren Auslandssemester in Israel enstanden war. Wir alle halten nach wie vor Kontakt zu verschiedenen Israelis in Deutschland und Israel und waren sorgsam bedacht, das Land und unsere Verbindung auf Grund der politischen Spannungslage zwischen den Laendern unerwaehnt zu lassen. Im Rueckblick kommt es mir fast laecherlich vor, wie sehr wir unsere Antworten auf moegliche Fragen planten. Denn in der Podbielskiallee angekommen trafen wir Iranerinnen und Iraner verschiedener Altersgruppen an, die sich froehlich (und kopftuchlos) unterhielten oder auf dem Fernseher eine RTLII-Realityserie folgten, die mehr Haut zeigte, als nach Meinung des Ajatolla ein Mann wohl in seinem Leben zu sehen bekommen sollte.
Trotz sorgfaeltiger Planung rutschte uns gleich zu Anfang das I-Wort heraus, verklang jedoch gluecklicherweise ungehoert, waehrend wir am Schalter warteten. Blond und winterblass wie wir waren, erhielten wir zwar eine gewisse Aufmerksamkeit, unangenehme Fragen jeglicher Art blieben jedoch aus. Da wir als Beruf "Student" angegeben hatten, fragte uns der Beamte beilaeufig, was wir denn studierten; auf die Antwort "Politik" lachte er und sagte, dass schreibe er mal nicht dazu. In einer Woche sei das Visum fertig.
So war es dann auch - eine gute Woche spaeter holte ich die Paesse mit Visa ab und erntete noch eine kleine Lachsalve des zustaendigen Beamten ob meines Fotos. Noch verstand ich nicht warum - nur allzu schnell sollte es mir jedoch klar werden.
Die Tickets waren gebucht, lange Roecke und weite Oberteile lagen ganz oben im Koffer und kurze sowie enge Kleidung wurde in die unteren Tiefen des Backpacker Rucksacks verbannt, da sie erst in Destination Nummer 2 - Israel - Verwendung finden wuerden. Damit auch dort die Einreise problemlos gelaenge, war meinerseits einige Planung noetig: Pass Nummer 2 (aka der "Israel-Pass") wuerde mit einer Freundin waehrend ihrer Istanbul-Reise im Dezember in die Deutsche Botschaft gelangen. Ich wuerde morgens von Teheran nach Istanbul fliegen und abends weiter nach Tel Aviv, sodass ich tagsueber Zeit haette, die Paesse auszutauschen. Soweit der Plan.
Da Iran als solches noch lange nicht Abenteuer genug war, hatten wir uns als Reisefahrzeug den Trans-Asia-Express ausgesucht, einen Zug, der binnen drei Tagen von Ankara nach Teheran faehrt (normalerweise ab Istanbul, aber die Strecke wird auf unbestimmte Zeit wegen Baumassnahmen geschlossen bleiben). So mieteten wir uns also in ein Hotel in der Naehe des Hauptbahnhofes ein und genossen noch einen vollen Tag in Ankara, wo wir am Grab von Attatuerk eine erste Vorstellung von der Verehrung einer nationalen Leitfigur bekamen, die in unserem Land unmoeglich denkbar ist. Attatuerk begleitete uns auf Schritt und Tritt - in jedem Buerogebaeude, jeder Bahnhofshalle, im Hotel und sogar in oeffentlichen Toiletten hing sein Bild als starker und gerechter Begruender des stolzen tuerkischen Volkes nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches. Obgleich Atatuerk fuer Bildung, Fortschritt und Gleichberechtigung steht, stellte sich doch ein mulmiges Gefuehl ein beim Anblick der oftmals militaerisch ausgemalten Bilder des Mannes, den die Tuerken zum Vater ihrer Nation gekuerht hatten - im Kontrast zur Politik unter Erdogan allerdings wahrscheinlich auch keine allzu grosse Ueberraschung.
Im internationalen Ticketbuero kauften wir am naechsten Morgen fuer umgerechnet 44 Euro unsere Fahrkarten fuer das Schlafabteil des Zuges, liessen Gepaeck kontrollieren, wiegen und etikettieren und machten uns mit leichtem Handgepaeck auf die Suche nach einem leeren Abteil. Der Speisewagen wurde gefuellt, der Gepaeckwagen angekoppelt, ein schrilles Pfeifen - und die Fahrt begann.