Irland – der keltische Tiger
In Irland ist der Wahlkampf zur Europawahl in vollem Gange. Die Vertreter der Parteien zeigen sich im Fernsehen, diskutieren und streiten. Und die Iren haben ein reges Interesse daran: "Ist europäische Zusammenarbeit wieder ein Thema?"
In den letzten zwei Wochen hat man wirklich viel in Irland von den Parteien und ihren Zielen mitbekommen. Fast täglich sind Interviews mit irgendwelchen Parteivorsitzenden im Fernsehen zu sehen. Alle Parteien erzählen das Gleiche: Für jede Partei ist die Europawahl sehr wichtig und entscheidend. Jetzt, wo alle die Folgen der Rezession spüren, wollen sie das Bestmögliche versuchen, sich so weitestgehend, wie möglich, in das europäische Handeln zu integrieren.
Im RTÉ, dem größten Nachrichtensender Irlands, kommen täglich Informationen von den antretenden Kandidaten rein. Ob Mann, ob Frau. Alle sitzen mit dunklem Anzug und der gleichen langweiligen Haltung, die sich während des ganzen Gesprächs nicht ändert, gegenüber dem Reporter und antworten diesem mit langen und ausschweifenden Sätzen, welche Ziele sie verfolgen. Langweilig finden die irischen Bürger es doch nicht. Im Gegenteil er herrscht reges Interessente. Die Unannehmlichkeiten mit dem Lissabon-Vertrag sind vergessen. In Luft aufgelöst. Ist europäische Zusammenarbeit wieder ein Thema?
Die wirtschaftliche Krise hat Irland sehr hart getroffen: Tausende von Arbeitslosen, Firmen, die in die Brüche gehen und eine immer weiter ansteigende Frustwelle, die durchs Land zieht. Selbst in der Zentrale für Jugendarbeit in Waterford wurden so erheblich Gelder gestrichen, dass sogar unser kleines Jugendzentrum auf jeden noch so geringen Penny gut achten muss.
Keiner glaubt noch an die Regierung. Wie bei den damaligen US-Präsidentenwahlen lautet das Motto "Change" jetzt auch in Irland. Die Menschen hoffen auf Besserung. Der Fianna Fáil vertraut kaum noch Jemand. "Fianna Fáil wird es dieses Jahr besonders schwer haben überhaupt einen Sitz zu ergattern", schreiben die Zeitungen.
Ganz vorne im Rennen liegt die Fine Gael mit Enda Kerry als Vorsitzende. Sie wirbt seit Wochen für ihre Kandidaten, steht dauernd in den Zeitungen und lässt überall persönliche und zum Teil kritische "Wir handelten zu oft allein"- Bemerkungen fallen. Den Menschen gefällt das.
Irland – der keltische Tiger
Irland gilt als Musterbeispiel für die Entwicklung eines schwächeren Mitgliedstaates der EU. Seit über 30 Jahren verzeichnet Irland das größte Wirtschaftswachstum in Europa.
Die Arbeitslosenquote lag in den letzten Jahren auf einem Rekordminimum. 4,4 % Arbeitslose. Den ewigen Status als Auswanderland hatte Irland überwunden. Gigantische Unternehmen zog es förmlich ins Land. Der keltische Tiger war auferstanden.
Durch die Finanzkrise fiel Irlands Wirtschaft in eine tiefe Rezession. Und es fiel härter als jedes andere Land in der EU.
Damals, noch nicht all zu lange her, ging es den Menschen gut. Obwohl sich das Land mit Unterstützung der EU wirtschaftlich hart nach oben geboxt hat, ließ es seine Partnerländer oben angekommen in Stich. Das Land und die Menschen lebten nun in einer besseren abgeschiedenen Welt. Sie brauchten keine Hilfe mehr und wollten sich nun um ihre eigenen Ziele kümmern. Die Interessen der EU waren unwichtig.
Nun, wo Irland wieder auf den Boden der Tatsachen steht, wollen sie ein aktiver Teil der EU sein.
Es ist offensichtlich, dass Irland eigentlich nur seine eigenen Probleme aus der Welt schaffen möchte, oder ist das alles nur ein großes Vorurteil?
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